Im dritten Junji Ito Hardcover Sammelband von Carlsen widmen wir uns den bekannteren Kurzgeschichten des Mangaka. Im Titelgebenden „Shiver“ machen neue Fans erstmals bekanntschaft mit einem mysteriösen Insekt aus Jadestein, das seine Besitzer*innen löchrig werden lässt. „Das Model“ bringt euch den ersten Auftritt von Frau Fuchi, dem etwas anderen Model und in „Der Maler“ stellt Ito uns erstmals der schönen Tomie vor, der er später noch einige Geschichten widmen sollte. Aber auch Fans der Fettapokalypse, mörderischen Gesichtsballons Riesenraupen kommen hier auf den Geschmack.
Dieser Sammelband bietet euch insgesamt zehn Geschichten quer aus Junji Itos Schaffensperioden und zuletzt sogar eine neue Geschichte mit einer Fortsetzung der Geschichte von Frau Fuchi. Neben Storys wie „Shiver“ und „Der Maler“, die zu den wichtigeren Klassikern Itos gehören, finden sich hier auch einige weniger beachtete Shorts wieder, die jede Aufmerksamkeit verdient haben. Vor allem hat es mir „Glyzerid“ sehr angetan.
Dabei handelt es sich um eine Geschichte über eine Familie die ein von Fett triefendes Restaurant betreibt. Alles ist schmierig und vom Bratenfett aufgequollen. Der Vater der Familie wird den Geruch auch in der Freizeit nicht mehr los, Bettlaken sind speckig und irgendwann beginnt der Sohn der Familie Frittierfett zu trinken. Alles an dieser Geschichte ist widerlich und nur schwer zu ertragen. Hinzukommt, dass Ito hier eine seiner Visuell überzeugendsten Schreckensvisionen darbietet.
Ebenfalls bin ich sehr großer Fan von „Henkerballon“. Eine Geschichte die ein wunderbares Beispiel für Itos Talent ist. Ein Luftballon mit deinem Gesicht darauf, der versucht dich zu erhängen, wirkt vollkommen albern und unsinnig. Das ist es auch. Allerdings versucht Ito wie so oft erst gar nicht zu erklären was passiert und so lässt er die Realität klugerweise gleich außen vor. Es ist egal ob es Sinn ergibt, es ist egal ob es albern ist. Die Realität der Mangafiguren sieht nun eben so aus und damit ist es ein schreckliches Setting. Jeder Versuch es zu erklären würde erst die Tür öffnen für Zweifel ob der Plot überhaupt Sinn ergibt. Deshalb lassen wir es lieber und begeben uns in eine Welt in der Ballons unseren Tod wollen und wir gruseln uns.
Neben der schon hervorgehobenen Geschichte „Glyzerid“ gefällt mir von den enthaltenen Geschichten vor allem „Die gebrauchte Schallplatte“ eine eher untypische für Ito, die sich weniger mit dem lovecraftian unfassbaren befasst, sondern eher eine Gothic Horror / Geistergeschichten Atmosphäre aufbaut. Hierbei verlieren mehrere Menschen ihre Menschlichkeit während sie allesamt einer seltenen Schallplatte nachjagen, von der sie auf geisterhafte Weise in den Bann gezogen wurden. Klassischer Grusel wechselt sich hier ab mit eher stumpfer und unterkühlter Brutalität, die zwar weniger grafisch ist als die Gewalt in den anderen Geschichten, aber realer greifbar und dadurch leichter nachzufühlen ist.
Ein weiterer Band der beweist warum Ito einer der großen Meister seines Mediums und des Horrorgenres generell ist. Die enthaltenen Geschichten zeigen verschiedene Facetten und die Entwicklung seiner künstlerischen Tätigkeit auf. Keiner der Geschichten enttäuscht und es sind ein paar seiner interessanteren Werke darunter. Wieder mal wird deutlich das es nur wenige Künstler*innen gibt die es ähnlich gut beherrschen den Leser*innen angst vor dem Umblättern zu bereiten.
Der Band bietet als Bonus einen Kommentar und Skizzen zu jeder der enthaltenen Kurzgeschichten.
9 von 10 ausgedrückte Pickel