Zwei Freunde paddeln mit ihrem kanadischen Kanu von Wien aus in Richtung Budapest. Entfernt der großen Städte zeigt die Donau sich noch wild und ungezähmt. So schön wie der mächtige Fluss zu tage ist, so unheimlich lassen die gespenstisch im Wind wiegenden Weiden die Szenerie in der Nacht erscheinen. Als das Wetter immer ungemütlicher wird suchen die Freunde nach einem Ort zum verschnaufen. Sie legen Rast auf einer großen Sandbank ein. Das Wetter verbessert sich allerdings nicht und so müssen sie die Nacht dort verbringen. Das Wasser steigt, sie verlieren ein Paddel und ihr Kanu wird beschädigt. Somit können sie der kleinen Insel nicht mehr entkommen. Und zu alledem scheint sich etwas im Dunkeln zu bewegen, nein alle Weiden beherbergen etwas dunkles, unheimliches.
In der 187. Episode widmet sich Marc Gruppe in seiner Gruselkabinett Reihe der Kurzgeschichte „The Willows“ von Algernon Blackwood. Blackwood ist hierzulande eher unbekannt, „Die Weiden“ erschien zum Beispiel erstmals 2008 auf deutsch. Dabei war Blackwood in seiner Zeit nicht unbeliebt, zu seinen Fans zählten sich unter anderem auch H. P. Lovecraft.
In „Die Weiden“ beschreibt Blackwood den Horror der Natur, wobei hier das Böse keine physische Form annimmt, jedenfalls keine nachweisbare. So bleibt der Horror psychologischer Natur und unsere beiden Protagonisten erleben was es bedeutet die Zivilisation zu verlassen und wieder der Natur ausgeliefert zu sein. Gleichermaßen widmet sich Blackwood aber auch der Schönheit solcher Erlebnisse, dem Schauer wohnt somit auch immer eine gewisse Magie bei.
Da unsere beiden Hauptfiguren das gesamte Hörspiel lang alleine verbringen, müssen Peter Lontzek und David Berton alle Szenen gemeinsam tragen. Es gelingt ziemlich gut, was vor allem der sehr dichten Atmosphäre liegt. Das Hörspiel ist eigentlich durchgängig spannend, auch wenn die beiden Sprecher innerhalb der Serie vielleicht etwas zu oft eingesetzt werden und langsam ein Sättigungseffekt einstellt.
Eine Sache die meiner Meinung nach sehr gut aus der Kurzgeschichte übernommen wurde, ist Blackwoods Zurückhaltung. Oftmals könnte man größere Schockmomente einbauen, aber genauso wie in der Vorlage wird hier mit leisen Tönen gearbeitet und wenig aufgeregt agiert. Dadurch hat die Atmosphäre und der langsam schreitende Grusel der sich über alles legt mehr Gelegenheit seine Wirkung zu entfalten.
„Die Weiden“ ist eine sehr gelungene Adaption einer interessanten und zu wenig beachteten Vorlage. Die aufs notwendige reduzierte Inszenierung lässt viel Raum für Spannung und die dichte Atmosphäre macht dieses Hörspiel zu einem meiner Lieblinge der vergangenen Folgen.
8 von 10 freche Otter