Unerschrocken 2 (Reprodukt)
Egal ob Mae Jemison, die
erst schwarze Astronautin im All, die investigative Journalistin
Nellie Bly oder die indische Politikerin und Banditenkönigin Phoolan
Devi: Sie alle haben gemein, dass sie Frauen waren die, ihren eigenen
Weg gegangen sind und dabei, teilweise unter schrecklichen
Bedingungen, gegen geltende Geschlechterbilder und für
Selbstbestimmung kämpften. Dieser Comicband erzählt die
Lebensgeschichten von 15 Frauen und schildert die Hürden, die ihnen
in den Weg gelegt wurden.
Genauso wie schon in ihrem ersten „Unerschrocken“ Band präsentiert Pénélope Bagieu auch in der Fortsetzung insgesamt 15 Portraits ungewöhnlicher Frauen. Mit der Kunstsammlerin Peggy Guggenheim und der Forensikerin Frances Glessner Lee enthält dieser Band sehr kurzweilige Erzählungen, die durch die Verschrobenheit der beiden Frauen unterhalten können. Ganz im Gegensatz zu den Lebensgeschichten der afghanischen Rapperin Sonita Alizadeh und von Phoolan Devi. Vor allem Devis Geschichte ist äußert belastend und verstörend. Eine unglaubliche Leistung, dass sie trotz den Dingen, die sie durchleben musste, so viele Dinge erreichen konnte. Wichtig ist ein Contentwarning zu der Geschichte, die sich viel mit sexueller-, physischer und psychischer Gewalt beschäftigt.
Unter allen anderen
Geschichten sticht dann vor allem die der „Shaggs“ heraus. Dabei
handelt es sich um eine Indieband dreier britischer Schwestern, die
von ihrem Vater in den 1960er Jahren dazu gezwungen wurden, Musik zu
machen. Ohne ein Gespür für Musik und nur minimale Kontakte zur
Außenwelt entstand daraus unter der Regie ihres herrischen Vaters
1969 ihr Album „Philosophy of the World“. Ein grausiges, auch für
Fans der noisigsten Grunge Ergüsse nur schwer zu ertragendes Album.
Vor allem kam diese Platte später zu Ruhm durch einige Musikhipster
und auch Kurt Cobain, der die Shaggs als einen seiner Einflüsse
benannte. Problematisch an der Erwähnung dieser Band ist, dass die
Schwestern wirklich alles andere als „Unerschrocken“ waren. Ihre
gesamte Jugend wurde ihnen von ihrem Vater diktiert und erst sein Tod
befreite sie. Für die Öffentlichkeit war nie ersichtlich, dass sie bedeutend rebelliert oder sich dagegen gewehrt hätten. Ein
Fakt, der ihnen keinesfalls angekreidet werden kann, dennoch wirkt
ihre Platzierung in diesem Comic etwas fehlgeleitet.
Abgesehen von der
zweifelswürdigen Erwähnung der Shaggs ist an diesem Comic auch
seine fast ausschließliche Konzentration auf heteronormative
Personen zu kritisieren. Lesbische und bisexuelle Lebensweisen finden
höchstens am Rande als abenteuerliche Eskapaden eine Erwähnung
während es keine einzige nicht-binäre- oder Trans*person in diese
Erzählungen geschafft hat. Ebenfalls stieß mir immer wieder die
bloße Verwendung der maskulinen Wortnutzung auf. Wenn zum Beispiel
erwähnt wird, dass eine Person zum Beispiel ein Vorbild für
Forensiker*innen oder Austronaut*innen ist, warum wird dann nicht
auch geschlechterneutrale Sprache und stattdessen nur das generisches Maskulinum benutzt?
Falls ihr schon den ersten
Band gelesen habt, werdet ihr die optische Umsetzung sofort
wiedererkennen. Bagielis Zeichenstil ist etwas besonders und sehr
kunstvoll, jedoch ohne zu verschwurbelt und abschreckend zu wirken.
Das Layout ist einfach und eingängig und lässt so auch unerfahrenen
Comicleser*innen nie den Überblick verlieren. Insgesamt nicht
unbedingt ein Stil, der mir wirklich gut gefällt, aber er passt zum
Erzählstil und lockert die Kapitel auch durch seinen visuellen Humor
ein wenig auf.
Ein solider Comic zu einem
wichtigen Thema, schön und pointiert erzählt. Das ganze kommt als
sehr hübsch aufgemachter Hardcoverband.
7 von 10 Vulkanproben