Luzifer. Der blinde, mittellose alte Mann, der in einer kleinen Pension in einem ruhigen Städtchen lebt, wo nichts so ist, wie es scheint und das von niemandem jemals verlassen werden kann. Er ist gefangen. Gefangen in einem bizarren Gefängnis ohne Erinnerung daran, wie er dort ankam oder warum. Er kann sich nicht erinnern, sich auf den Weg gemacht zu haben, um etwas zu finden von dem er nicht einmal weiß, es verloren zu haben.
Er erinnert sich auch nicht daran, dass es das Ende aller Dinge sein könnte, wenn er es nicht findet. Außerhalb dieses Gefängnisses gerät ein Detektiv des LAPD ziemlich aus der Bahn als er bei einem Autounfall seine eigene, schwerkranke Frau tötet und schließlich auf den Pfaden ihrer Vergangenheit wandelt. Irgendwer möchte den Herren der Lügen tot sehen, Gründe gäbe es genug, aber wer hat die Möglichkeiten dazu?
Der erste Band von Lucifer aus dem neuen Sandman Universe, dass sich an den Charakter*innen des gleichnamigen Erfolgscomics von Neil Gaiman orientiert, ist eine überaus abenteuerliche Geschichte von Himmel, Hölle und der Leere dazwischen. Im Kern geht es darum das Lucifer bei dem Versuch den Geist von Sycorax, der Mutter seines Sohnes Caliban, aus dem Tod zurück ins Leben zu holen, in einer Gedankenwelt gefangen wird aus der er sich unbewusst zu befreien versucht. Parallel dazu verläuft die Geschichte des bemitleidenswerten LAPD Detektives John Decker, dessen durch sein verschulden verstorbene Frau, eine mysteriöse Verbindung zu Lucifer zu haben scheint. Die Verquickung dieser Verbindung, der Grund für Luzifers bestreben und die Geschichte von Calibans Mutter werden alle sehr geschickt miteinander verknüpft und durch Erinnerungen, Erzählungen und Rückblenden aufgegriffen.
Durch diesen Erzählfluss beginnen wir erst recht unwissend und entwickeln erst nach und nach ein Bewusstsein dafür, wie Lucifer in seine jetzige Situation gelangt ist. Diese schrittweise Erkenntnis bei den Leser*innen verläuft in eleganter Weise Hand in Hand mit der stetig zunehmenden Erinnerung Luzifers. Die langsame Entfaltung der ganzen Tragweite und Tragik ist hierbei absolut Kernelement und Faszination dieses Bandes. Unterstützt wird die erzählerische Qualität auch durch die sehr schön gezeichneten Charaktere und Hintergründe, die den meisten wirklich gefallen dürften.
Mir persönlich (ich bin nicht der größte Horror und Gore Fan) waren die Menge und Intensität der dargestellten Gräuel, Verstümmelungen und Gewalttaten ein bisschen zu viel und etwas zu makaber, passen aber unbenommen gut in das Höllenszenario um den Herren der Lügen. Für den Start in eine neue Spin-off Serie legt Lucifer die erzählerische und grafische Messlatte ziemlich hoch (natürlich um ein großes Publikum in den Bann zu ziehen) ob die Qualität auf dem hohen Niveau bleiben kann wird sich noch zeigen der Einstieg in die Reihe ist auf jeden Fall eine klare Empfehlung für alle die eine ausgefeilt, bittersüße Horrorgeschichte zu schätzen wissen.