Donnerstag, 14. Juli 2022

The Man Who Laughs (1928) [Wicked Vision]


The Man Who Laughs (1928) [Wicked Vision]

Einst wagte ein Mann es dem König nicht zu gehorchen. Als Strafe dafür tötete man ihn. Doch damit nicht genug. Auch sein Sohn sollte bestraft werden um für die Sünden seines Vaters zu büßen. So zerschnitt man ihm das Gesicht und nähte es zu einer grotesk lächelnden Fratze wieder zusammen. Zudem noch ausgesetzt in der Kälte rettete der kleine Junge ein Baby aus den Armen ihrer erfrorenen Mutter. Vor selbigen Schicksal wurden sie durch den umher reisenden Künstler Ursus (Cesare Gravina) und seinem treuen Wolfshund Homo gerettet. Mittlerweile sind sowohl Gwynplaine (Conrad Veidt) als auch das damals gerettete blinde Mädchen Dea (Mary Philbin) junge Erwachsene und arbeiten gemeinsam mit an Ursus Bühnenshow. Jeden Tag steht Gwynplaine grotesk lachend, innerlich aber stets weinend, auf der Bühne und lässt sich vom zahlenden Publikum auslachen. Dennoch beginnt eine zarte Romanze zwischen Gwynplaine und Dea zu erblühen, doch noch bevor die Liebenden zusammen finden können, mischt sich die despotische Aristokratie erneut in sein Leben ein. Ein gut gehütetes Geheimnis kommt ans Tageslicht, womit auch Gwynplaine genauso wie einst sein Vater unter den Ränkespielen der Reichen und Mächtigen leiden muss.

„Der Mann, der Lacht“, basierend auf Victor Hugos „L’homme qui rit“ (1869) ist ein Stummfilm des deutschen Regisseurs Paul Leni (Spuk im Schloss, 1927). Die Universal Produktion folgte dem Erfolg von „Der Glöckner und Notre Dame“ (1923), ebenfalls eine Verfilmung eines Stoffes von Victor Hugo, und „Das Phantom der Oper“ (1925). Produzent und Universal Mitbegründer Carl Laemmle war auf der Suche nach weiteren düster romantischen Stoffen und so fiel die Wahl auf „L’homme qui rit“ von Victor Hugo. Leider konnte Lon Chaney nicht erneut gewonnen werden, da dieser mittlerweile anderweitig unter Vertrag stand. So viel die Wahl schließlich auf den Deutschen Darsteller Conrad Veidt (Anders als die Andern, 1919). Mit ihm kam dann auch Regisseur Paul Leni zu dem Projekt schließlich hatten Leni und Veidt in der Vergangenheit mit „Das Rätsel von Bangalor“ (1918) & „Das Wachsfigurenkabinett“ (1924) schon ihre verlässliche Zusammenarbeit bewiesen. Stilistisch ist der Film stark vom deutschen expressionistischen Film beeinflusst, allerdings ohne jemals auch nur annähernd sich derart weit zum Surrealismus zu lehnen wie es Wiene und Murnau in „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920) oder „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ (1922) getan haben. Zudem ist die Verfilmung auch etwas weniger bissig als Hugos Vorlage, was vor allem die politische Aussage der Geschichte, nicht zuletzt eines erzwungenen Happy Ends etwas schmälert.

Vielleicht ist dies auch der Grund warum „Der Mann, der lacht“ nicht so stark in Erinnerung geblieben ist wie andere ähnliche Produktionen der Universal Studios oder auch die aus Deutschland. Eine Ironie der Kulturgeschichte denn letztendlich ist „Der Mann, der lacht“ wohl einer der Filme, der die Popkultur bis heute maßgeblich mitbeeinflusst hat. Nicht nur das Conrad Veidts Darstellung des Gwynplaines die Vorlage für Jerry Robinson, Bob Kane und Bill Finger war als sie Batmans Widersacher Joker erschufen, auch wurde die Geschichte mehrmals wieder verfilmt. So versuchte sich Sergio Corbucci an einer eigenen Version mit dem Titel „Der Mann mit der goldenen Klinge“ (1966), Kirk Douglas hingegen bekam sein Projekt niemals richtig in Gange und Jean-Pierre Améris riskierte sein Glück mit einer modernen, romantischeren Variation. Ebenso ist Brian De Palmas „The Black Dahlia“ (2006) stark vom Lachenden Mann beeinflusst.

1929 erschien „Der Mann, der Lacht“ dann auch in den deutschen Lichtspielhäusern. Allerdings nur in einer geschnittenen Fassung. Wenige Jahre später lies die NS-Regierung den Film gänzlich verbieten und vernichtete alle bekannten Kopien des Films. Somit ist die deutsche Fassung als verschollen einzustufen. Daher ist der Film auch erst 2022 durch die Veröffentlichung durch Wicked Vision in Deutschland zu ergattern gewesen. Das tolle daran: Das Mediabook enthält nicht nur die US-Fassung auf DVD und Blu-ray, sondern auch eine rekonstruierte deutsche Fassung, allerdings in einer unzensierten Version. Durch Zensurkarten des Bundesarchivs konnte die deutsche Version wieder hergestellt werden. Selbiges wurde ebenso mit dem damals verbotenen deutschen Trailer getan, wodurch auch dieses verlorene Stück Filmgeschichte so authentisch wie möglich wiederhergestellt wurde.

Aber zum Film selbst: Wie gesagt handelt es sich um eine düstere Romanze, aber auch um einen Angriff auf Autoritäten. Wir begleiten Gwynplaine, der ebenso wie sein Vater Opfer der Monarchie und ihrer grausamen Gewaltausübung wird. Das ganze lebt vor allem von Conrad Veidt, der seiner tragischen Figur unheimlich viel Stärke, Verletzlichkeit und Anmut verleiht. Als großer Lon Chaney Fan muss ich sagen, Lon hätte diese Figur niemals so facettenreich ausfüllen können wie Veidt. Neben Veidts Schauspielkunst ist es wohl Lenis filmisches Können und die wunderbaren Sets, die den Film auch heute noch so lebendig wirken lassen. Zuletzt sind es aber noch Cesare Gravina (Der Fürst der Abenteurer, 1927) und Mary Philbin (Das Phantom der Oper), die dabei helfen, Gwynplaine noch menschlicher erscheinen zu lassen. Insgesamt ein sehr interessanter Film, der allerdings altersbedingt gerade im letzten Akt ein paar Längen aufweist.

Wie bereits erwähnt, erschien der Film bei Wicked Vision als sehr hübsches Mediabook. In sowohl der rekonstruierten deutschen Fassung, als auch der originalen US-Fassung. Als Bonusmaterial enthält diese Edition ebenso den rekonstruierten deutschen Trailer wie auch den Original-Trailer. Hinzu kommt noch eine Tonspur der 2018 vom Berklee Silent Film Orchestra aufgenommenen Filmmusik. Die Original-Mono-Tonspur der Filmmusik ist natürlich auch anwählbar. Außerdem bekommt ihr noch die Mini-Doku „Die Geburt der Universal Monster aus dem Geiste des Melodrams“ mit Prof. Dr. Marcus Stiglegger. Eine Bildergalerie darf natürlich auch nicht fehlen, genauso wie da 24-seitige Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach.

8 von 10 blinde Damen die nicht sehen können