Dienstag, 15. Oktober 2019

Uzumaki Deluxe (Carlsen Manga)

Uzumaki Deluxe (Carlsen Manga)

2013-2014 erschien Junji Itos wohl bekanntestes Werk in drei Sammelbänden auch deutsch. Passend zur Vorbereitung zur neuen Verfilmung des Stoffes, die 2020 erscheinen wird, bringt Carlsen Manga nun eine Deluxe Variante des Manga heraus. Ein wuchtiger Hardcoverband bringt euch alle drei Bände und somit die gesamte Geschichte in einem Paket. Außerdem ist diese Version ein wenig größer als ein Standardmanga. Also die Perfekte Möglichkeit um in die Welt von Junji Ito einzutauchen, vor allem da diese Version mit einem Preis von 28€ auch nur wenig teurer ist, als die einzelnen Veröffentlichungen. Mehr zu "Uzumaki" in meinen Reviews zu den einzelnen Bänden:



Uzumaki #1

Kirie sieht ihren alten Schulfreund Shuichi Saito nur noch selten, seitdem er die Schule in Kurouzu verlassen hat auf die sie gemeinsam gingen. Jetzt wo Shuichi das Treiben von Außen betrachten kann fällt ihm zum ersten mal auf wie merkwürdig das Dorf ist. Auch Kirie macht bald eine dieser Entdeckungen als sie Shuichi besuchen geht. Dessen Vater steht nämlich vor dem Haus und starrt ein Schneckenhaus an. Kurz darauf wird klar das er von Spiralen besessen ist. Jetzt wo Shuichi es ihr sagt fällt es doch sehr auf. Überall im Ort wimmelt es von Spiralen, Wirbeln und Strudeln und zwar auffällig mehr als es in der Natur und in der Stadt üblich ist. Bäume wachsen spiralförmig, das Gras dreht sich ein, die Locken der Mädchen ebenso und das Wasser ist voller Strudel, die wie aus dem Nichts entstehen. Die Obsession von Herrn Saito bringt ihn sogar einen grausam Tod, woraufhin seine Mutter eine Phobie gegen Spiralen entwickelt und daran Ebenfalls zugrunde geht.

1998 bis 1999 erschienen Junji Itos "Uzumaki" Kapitel weise im Weekly Big Comic Spirits Magazin in Japan. Die gesamte Horroranthologie wurde kurz darauf in drei Sammelbänden veröffentlicht und auch auf englisch, spanisch und portugiesisch übersetzt. Anfang dieses Jahrtausends las ich die Trilogie auch schon zum ersten auf englisch und war hellauf begeistert. Seitdem sind knapp 10 Jahre vergangen und auf einen Deutschland Release warteten Fans bisher vergebens und das Obwohl sogar die Filmadaption schon lange hergebracht wurde und diverse male im Free-TV rauf und runter lief. Und jetzt plötzlich fand ich den ersten der drei Bände in der aktuellen Carlsen Ankündigung wieder. Schöne Sache! Lieber spät als nie.

Und sogleich stellte ich mir die Frage. Seitdem ich diese Geschichte zum letzten mal las ist viel Zeit vergangen und ich bin doch ein Stückchen erwachsener als mit 16 Jahren. Wie wird der Horror also jetzt auf mich wirken und wie wird der Manga wohl gealtert sein. Nach dem Genuss des ersten Bands war klar, viel hat sich nicht getan. Stellt sich doch heraus, dass Junji Itos Horror zeitlos ist. Die Gewaltdarstellung ist ziemlich graphisch, aber ohne plump oder blutrünstig zu wirken. Es ist viel Body Horror enthalten und trotzdem fließt nur einmal überhaupt Blut in diesem Band. Der Horror ist meist eher psychologischer Natur und schockiert eher selten. Dafür herrscht durchgängig ein beklemmendes Gefühl das an klassische Horrorstreifen der schwarzweiß Ära und Gruselgeschichten a la Lovecraft oder Poe Erinnert. Es ist eine Art des Grusel die man auch in vielen Jahren noch genauso verstehen wird wie jetzt oder vor 10 Jahren.

Das liegt zum einen daran wie der Horror funktioniert. Es gibt hier keinen Bösewicht, keinen alten Fluch oder sonst etwas was man bekämpfen könnte. Das böse steckt in einer Form und diese Form kommt bei jeder Pflanze vor und im Körper jedes Tieres, auch im All und ständig in der Natur. Wenn diese Form aber plötzlich feindlich erscheint gibt es nichts was man dagegen tun kann. Zu Beginn halten sich die Spiralen auch noch relativ zurück. Sie sind einfach nur da und werden zum Lebensinhalt von Herrn Saito. Nach seinem Tot wird er verbrannt und der Rauch der dabei das Krematorium verlässt ist natürlich wieder spiralförmig und am Ende fällt die Asche in den kleinen Libellenweiher hinter Kiries Haus. Daraufhin entwickelt Frau Saito eine Spiralenphobie, wobei zum ersten mal klar wird, dass der Horror auch aus dem eigenen Körper entspringen kann, schlimmer aber noch, nicht nur erblickt werden kann die Form, sondern auch gefühlt. Denn sobald dir schwindlig wird, wird aus deinem Körper selbst eine Spirale.

Der andere sehr wichtige Faktor ist die optische Zeitlosigkeit. Schon allein vom Zeichenstil biedert Ito sich keinem zeitgenössischen Mangastil an. Es sind Einflüsse alter Meister zu erkennen, aber auch Düsterromantik spielt eine Rolle, genauso wie frankobelgische Comickunst. Zu sehen sind dabei nur wenige technische Geräte. Davon wie die Leute reden würde ich vermuten, die Reihe spielt in der Gegenwart, aber von der Inneneinrichtung, den Klamotten und allem anderen kann nicht festgemacht werden ob der Manga vor 50 Jahren oder Heute spielt.

Nachdem also beide Elternteile von Suichi Opfer der Spiralen geworden sind, fällt ihre Asche in den Libellenweiher. Die holt wiederum Kiries Vater aus dem Teich um daraus Ton zum Töpfern zu machen und so gehen die Kapitel irgendwie immer ineinander über, ohne sich gegenseitig aber zu sehr zu beeinflussen. Abgesehen von den Mehrteilern ist dadurch jede der Geschichte auch für sich allein zu lesen, wenn auch erst im miteinander eine große Geschichte entsteht, die durch die Spirale und Kirie zusammengehalten wird. Im ersten Band sind insgesamt sechs Kurzgeschichten zu finden, von denen fünf wirklich sehr gut und eine dann doch etwas komisch geworden ist. Letztere hat dann doch schon eine sehr japanische Einfärbung und ist eher typisch J-Horror, was aber auch nicht unbedingt schlecht ist, nur etwas aus dem Rahmen fällt und nicht ganz die selbe Wirkung entwickeln kann wie die übrigen.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Menschlichkeit der beiden Hauptfiguren. Während Suichi unter den schrecklichen Ereignissen vollkommen zusammenbricht, versucht Kirie irgendwie mit dem Geschehen im Dorf klar zu kommen und für ihren Freund da zu sein. Dabei erblüht eine zarte Romanze und es fügen sich minikleine Coming of Age Elemente dem Horror hinzu. Optisch ist der Manga wie gesagt ganz große Klasse und sehr eigenständig und ungewöhnlich. Habe nichts zu meckern. Wer also den perfekten Manga für Halloween sucht ist an der richtigen Adresse. Das komplett schwarze Cover, das nur durch Erhebungen das Motiv sichtbar macht ist in echt übrigens noch sehr viel geiler als es virtuell den Eindruck macht.

8,9 von 10 anatomische Bilder


Uzumaki #2

Kurouzu, ein kleiner japanischer Ort, wird seit geraumer Zeit von Spiralen heimgesucht. Irgendwann begann der Rauch aus dem Krematorium einfach spiralförmig in den örtlichen Libellenweiher zu schweben und darin zu verschwinden. Seitdem taucht diese Form überall im Ort auf und jeder Einwohner der die Spiralen entdeckt wird wahnsinnig und es passieren ihm schreckliche Dinge. So richtig haben davon aber nur Kirie und ihr Schulfreund Shuichi Saito etwas mitbekommen. Dabei wird es immer offensichtlicher, dass das kleine Dorf auf dem Weg zur Hölle ist. Nach der Schule wird Kirie von einem jungen aufgelauert, der wie ein Springteufel immer wieder aus dem Nichts auftaucht und sie erschrecken will. Wie man es sich denken kann, geht es nicht gut für ihn aus. Danach kommt einer ihrer Mitschüler nur noch zur Schule wenn es regnet. Bald wird auch klar warum: Langsam mutiert er zu einer Schnecke. Schleimige Angelegenheit. Danach erweist sich selbst ein Leuchtturm als tödliche Falle. Und zu guter letzt dreht auch noch das Wetter durch und selbst Moskitos, Schwangere und deren frisch geborenen Babys sind eine tödliche Gefahr.

Während Horror Mangaka Junji Ito die zweite Hauptrolle faul zu Hause rum sitzen lässt, wo Shuichi sich immer mehr zurück zieht und psychotischer wird. Grundlos ist sein Verhalten zwar nicht, aber dadurch bleibt alles an Kirie hängen, die ständig in der ersten Reihe bei all den schrecklichen Dingen dabei ist, die diesem verfluchten Ort zustoßen. Im Gegensatz zum ersten Band schafft Ito es hier, die einzelnen Storys besser zu verbinden. Es wirkt jedenfalls nicht mehr nur wie einzelne Episoden, sondern auch wie eine fortlaufende Geschichte. Dadurch beginnt man erstmals ein ungefähres Zeitgefühl für die Geschehnisse bekommen, was wiederum die Zeit von Kiries Verbrennungen bis hin zu ihrer Flucht aus dem Krankenhaus ziemlich intensiv. Trotzdem kann man Uzumaki auch weiterhin problemlos als Sammlung lose miteinander verbundenen Kurzgeschichten angesehen werden.

Der größte Reiz geht weiterhin davon aus, wie unfassbar merkwürdig und einzigartig die Geschichten sind. Die Hälfte der Storys klingt sehr albern wenn man davon berichtet, durch das zeitlose und einzigartige Artwork von Ito wird daraus aber jedes mal etwas sehr besonderes. Wer die unnachahmliche Art japanischen Horrors in Mangaform und nicht nur in diversen Filmen konsumieren will, ist mit Uzumaki perfekt bedient. Vermutlich findet man keinen Manga der derartige viele Szenen ernsthaft gruselig darstellen kann, die jeder andere Mangaka lächerlich aussehen lassen würde. Jedenfalls ist mir kein anderer Manga bekannt der auch nur ansatzweise das gleich bei mir auslösen kann. Einige Geschichten, wie zum Beispiel die mit den Schwangeren sind wirklich angst einflößend. Selbst die Schneckengeschichte hat was beunruhigendes an sich.

Stilistisch kann das Artwork als Gruselmanga der alten Schule eingestuft werden. Einige westliche Horrorcomiceinflüsse sind zudem auch noch zu bemerken. Ebenso scheint Van Gogh bei einigen der impressionistischen Momenten als Vorlage hergehalten zu haben.

Ein perfekter Manga für Horrorfans die etwas einmaliges Suchen und auch vor dem Außergewöhnlichen nicht zurückschrecken. Eine gerne gesehene Abwechslung im oft zu gleichförmigen Mangadschungel.

7,9 von 10 um Reifen gewickelte Körper


Uzumaki #3

Zuletzt waren es Spiralförmige Orkane und Wirbelstürme, die den kleinen japanischen Ort Kurouzu fast vollkommen verwüsteten. Nur ein paar der der ganz alten Gebäude sind übrig geblieben. Wieder mal war es der Libellenweiher im Zentrum des Ortes, der die Stürme in sich aufgenommen hat. In den darauffolgenden Tagen ist es so, dass jeder laute Ton und jede schnelle Bewegung erzeugt einen neuen Wirbelsturm. Nur die antiken Häuser bieten einen sicheren Unterschlupf vor dem Horror der Spiralen. Immer mehr Spiralflüche ereilen die letzten überlebenden Einwohner und in den letzten Hütten wird es immer enger. Wieder verwandeln Leute sich in menschliche Schnecken und andere essen diese dann in ihrer Not auf. Kirie und ihr in sich geschlossener Schulfreund Shuichi beschließen diese Todesfalle hinter sich zu lassen. Sie müssen feststellen, dass sie sowohl räumlich als auch zeitlich in einer Spirale gefangen sind. Gibt es überhaupt noch ein Entkommen?

Im dritten und letzten Teil der Horrortrilogie Uzumaki lässt Mangaka Junji Ito das Episoden-Konzept der Reihe endgültig hinter sich und präsentiert eine fast komplett durchgehend fortführende Geschichte. Mittlerweile hat der Fluch das gesamte Dorf vollkommen in seiner Gewalt. Shuichi und Kirie sind die einzigen die noch bei Verstand sind und gemeinsam müssen sie nach der Antwort auf alle ihre Fragen suchen. Das Konzept ist weiterhin verblüffend einfach, denn das Horrorelement bleiben Spiralen in allen erdenklichen Vorkommensarten die es auf unserer Welt gibt. Trotz der sehr simplen Prämisse könnte die Präsentation die Ort des Horrors nicht viel japanischer sein. Wer auf absurden, gemächlichen, oftmals psychologischen Horror steht wird hier eines der Meisterwerke dieser Richtung geliefert bekommen. Außerdem ist noch das Ende so unfassbar romantisch. Also auch fürs Herz ist was dabei, wenn auch nur makaberes.

Auch Body Horror funktioniert einige male auf sehr eklige Weise. Fantastisch eklige Zeichnungen runden die interessante Handlung ab. Dabei ist das Artwork zwar seht typisch für japanischen Horror, dennoch nicht ohne westliche Comiceinflüße. Diese wirken aber nicht wie Fremdkörper, sondern fügen sich gut ins Gesamtkunstwerk ein. Wirklich sehr schade, dass es jetzt schon wieder vorbei ist. Für mich einer der ekligsten und gruseligsten Manga die ich seit langer Zeit gelesen habe. Ein richtig dicker Tipp für alle Genrefreund*innen!

8,5 von 10 gegrillte Schnecken