Samstag, 10. Oktober 2020

Unsere Farben #1 (Carlsen Manga)

Unsere Farben #1 (Carlsen Manga)

Sora führt das ganz normale Leben eines japanischen Mittelschülers. Seine Noten sind ziemlich gut und sowohl eine Mitschülerin als auch seine Sandkastenfreundin Nao entwickeln romantische Gefühle für ihn. Doch das interessiert Sora nicht, denn er selbst hat nur Augen für seinen Mitschüler Yoshioka. Allerdings hat er bisher weder mit Yoshioka noch anderen Menschen in seinem Leben darüber gesprochen, dass er Homosexuell ist. Als er zufällig den älteren Café-Betreiber Shiro kennenlernt, ein seit vielen Jahren offen schwul lebender Mann, traut er sich erstmals über seine Gefühle zu sprechen und kann dann sogar Nao gegenüber offen reden.

Nach der vierteiligen Mangareihe „Der Mann meines Bruders“ erscheint mit „Unsere Farben“ die nächste Mangaserie von Mangaka Gengoroh Tagame auf Deutsch. Erneut stehen dabei queere Charaktere im Mittelpunkt des Geschehens, es handelt sich jedoch diesmal, jedenfalls bisher, weniger um ein Familiendrama sondern um eine Coming-of-Age Geschichte.

Der erste Band stellt uns hauptsächlich die Hauptfiguren vor. Sora ist ein schwuler Teenager der noch kein Coming Out und ebenso noch keine Liebeserfahrungen hat. Er ist eine sympathische Figur, die aber im ersten Band noch etwas blass bleibt. Einerseits ist das natürlich etwas schade, andererseits ist dies wohl auch Absicht von Tagame um es Leser*innen in einer ähnlichen Lage leichter zu machen sich selbst in Soras Rolle zu sehen. Auch Shiro und Nao bleiben etwas eindimensional, aber vielleicht tut sich da in Zukunft ja noch was. Als Einstieg funktioniert dieser Band ganz gut, auch wenn die Prämisse von „Der Mann meines Bruders“ interessanter und sehr viel seltener zu lesen war als der hier. Im Verlauf wird auch sehr offensichtlich wie sich Tagame selbst als der alte Shiro sieht, der anderen queeren Menschen eine Stütze sein will, ihnen zuhört und wenn sie es denn wollen und können dabei hilft ihrem Umfeld davon zu erzählen was sie bisher verheimlichen mussten.

Das Artwork ist technisch sauber und lässt Tagames Erfahrungen mit dem Medium deutlich erkennen. Hier sind die Einflüsse seiner erotischen Arbeiten weniger stark zu bemerken, die Charakterdesigns verraten jedoch sofort wer diesen Manga gezeichnet hat. Er lässt die Geschichte sehr einfühlsam und langsam voranschreiten, was auch Raum für poetische und verträumte Momente zulässt.

„Unsere Farben“ erzählt Einfühlsam und authentisch die alltäglichen Probleme eines schwulen Teenagers in Japan. Dabei wird nichts beschönigt, gleichzeitig wird hier aber auch kein Profit aus queerem Trauma geschlagen. Die Homofeindlichkeit die Sora erlebt wird dennoch verdeutlicht und kann daher als Trigger Moment für manche Personen wirken.

7 von 10 Kindheitsverstecke