Laurin (1989) [Bildstörung]
Innerhalb kurzer Zeit verschwinden in
einem kleinen norddeutschen Ort um die Jahrhundertwende mehrere
Kinder unter mysteriösen Umständen. Auch Flora Andersen (Brigitte
Karner), die Mutter der elfjährigen Laurin (Dóra Szinetár) ist auf
bisher ungeklärte Weise ums Leben gekommen. Auch auf ihren Vater
(János Derzsi) kann sie sich nicht verlassen, da er öfter auf See
als zu Haus ist. Daher lebt sie nun mit ihrer Großmutter zusammen,
die allerdings mehr damit beschäftigt ist, fragwürdige Kräuter zu
paffen, sich zu betrinken und ihrem verflossenen Mann nach zu zetern.
Als auch ihr bester Freund Stefan (Barnabás Tóth) verschwindet, versucht Laurin allein dem Mörder auf die Spur zu kommen.
Als „Laurin“ erstmals von
Bildstörung angekündigt wurde, war mir der Film noch gar kein
Begriff. Den Regisseur Robert Sigl kannte ich allerdings schon.
Jedoch nur von der nur mäßig guten kanadischen Science-Fiction
Serie „Lexx“ und seinen völlig unterirdischen „Geisterjäger
John Sinclair“ Folgen (nicht das die Folgen der anderen Regisseure
besser gewesen wären). Wenn sich Bildstörung aber für den Film
interessieren, wird vermutlich etwas dran sein und so war ich dennoch
nicht abgeschreckt.
Und wieder haben sie ein Gespür für
feine Filme bewiesen. „Laurin“ ist ein deutsches Gruselmärchen
im Stile von Theodor Fontane oder E. T. A. Hoffmann und kann optisch,
dank einer glaubhaften Ausstaffierung sehr gut mit so mancher
britischen Gothic Horror Produktion mithalten. Da solche
Genreproduktionen früher wie heute nur sehr schwer zu finanzieren
sind in Deutschland, drehte der damals erst frisch von der Filmschule
gekommene Regisseur und Autor Robert Sigl sein Erstlingswerk in
Ungarn. Dadurch konnte der Film günstiger mit ungarischen
Darsteller*innen gedreht werden. Außerdem fand man dort Drehorte, die
wirklich wie Deutschland 80 Jahre zuvor aussahen, was den Film
optisch sehr aufwertet. Zwei größere Kritikpunkte entstehen dabei
(mal ganz abgesehen von Lohn Dumping natürlich), erstens musste der
Film nun auf englisch gedreht werden, wobei das Englisch der
Schauspielenden einfach zu schlecht für den O-Ton war und zum
anderen sieht das bergige Ungarn Norddeutschland absolut nicht
ähnlich und auch das Donau Ufer würde wohl niemand mit der Küste
der Nord- oder Ostsee verwechseln.
Die Stärken des Films liegt vor allem
darin, wie langsam aber stetig der Grusel aufgebaut wird. Keine
schnellen Schritte, viele schöne Kameraschwenks und Fahrten und
keine plumpen Schockmomente oder exploitative Elemente. Es ist eine
sehr ehrliche und solide Art einen Schauerfilm zu machen. Während
Ausstattung und Inszenierung eher an Filme der Hamer Studios
erinnert, hat die Farbgebung und die Beleuchtung des Films
Ähnlichkeiten zum italienischen Horror. Vor allem das farbliche
Licht und die Close Ups wichtiger Gegenstände lassen Erinnerungen an
Argento aufkommen.
Auch inhaltlich sagt der Film einiges
aus. Es geht darum, wie Patriarchat und festgelegte Geschlechterrollen, Menschen psychisch einschränken. Ebenso spielt das unterdrückte
Psychosexuale eine große Rolle. Mit Symbolismus wird auch ansonsten
nicht gespart und vor allem die Kinderdarstellenden Dóra Szinetár
und Barnabás Tóth machen einen sehr guten Job. Ein letzter
Kritikpunkt ist der etwas dünne und leicht auswechselbare
Soundtrack, der doch sehr typisch für die Achtziger ist und nur
wenig zur Atmosphäre beitragen kann.
„Laurin“ ist einer der wenigen
bemerkenswerten deutschen Genreproduktionen, der mit dieser
Veröffentlichung endlich ein etwas größeres Publikum zugänglich
gemacht wird. Vor allem wenn ihr an Gruselmärchen mit historischen
Setting interessiert seit, sollte „Laurin“ bald in eurem Blu-ray
Player Runden drehen dürfen.
Drop Out 30 aus dem Hause Bildstörung
kommt wie alle vorhergegangenen im Jewelcase mitsamt Schuber. Der
Schuber hat natürlich ein abnehmbares FSK Logo. Der Blu-ray liegt
ein 19-seitiges Booklet mit einer Einleitung von Robert Sigl, einem
Essay zum Film, sowie einem Interview mit Sigl bei. Die Blu-ray
bietet euch den Film erstmals in neuer Full-HD Abtastung und daher
auch mit einer wirklich schönen Bild- und Tonqualität. Neben der
englischen und deutschen Synchronisation enthält die Disc noch einen
ergiebigen Audiokommentar von Robert Sigl und den deutschen Trailer
des Films. Auch eine Bonus DVD ist enthalten. Darauf befinden sich
weitere Extras wie Sigls Kurzfilm „Der Weihnachtsbaum“ das Featurette „Robert Sigl erzählt“, in dem
Sigl über seine bisherigen Werke resümiert, ein Behind the Scenes,
sowie verschiedene Interviews mit den Darsteller*innen Dóra
Szinetár, Barnabás Tóth, dem Kameramann Nyika Jancsó, dem
britischen Filmkritiker Jonathan Rigby und dem deutschen Filmkritiker Olaf Möller. Dazu kommt
ein Video von der Verleihung des Bayrischen Fernsehpreises, einige
Deleted Scenes (mit und ohne Audiokommentar von Robert Sigl) und eine Bildergalerie. Also die gewohnt liebevolle
Aufmachung, die ihr von Bildstörung erwarten dürft.
7,5 ausgestopfte Faultiere