Freitag, 8. Dezember 2017

Laurin (1989) [Bildstörung]

Laurin (1989) [Bildstörung]

Innerhalb kurzer Zeit verschwinden in einem kleinen norddeutschen Ort um die Jahrhundertwende mehrere Kinder unter mysteriösen Umständen. Auch Flora Andersen (Brigitte Karner), die Mutter der elfjährigen Laurin (Dóra Szinetár) ist auf bisher ungeklärte Weise ums Leben gekommen. Auch auf ihren Vater (János Derzsi) kann sie sich nicht verlassen, da er öfter auf See als zu Haus ist. Daher lebt sie nun mit ihrer Großmutter zusammen, die allerdings mehr damit beschäftigt ist, fragwürdige Kräuter zu paffen, sich zu betrinken und ihrem verflossenen Mann nach zu zetern. Als auch ihr bester Freund Stefan (Barnabás Tóth) verschwindet, versucht Laurin allein dem Mörder auf die Spur zu kommen.

Als „Laurin“ erstmals von Bildstörung angekündigt wurde, war mir der Film noch gar kein Begriff. Den Regisseur Robert Sigl kannte ich allerdings schon. Jedoch nur von der nur mäßig guten kanadischen Science-Fiction Serie „Lexx“ und seinen völlig unterirdischen „Geisterjäger John Sinclair“ Folgen (nicht das die Folgen der anderen Regisseure besser gewesen wären). Wenn sich Bildstörung aber für den Film interessieren, wird vermutlich etwas dran sein und so war ich dennoch nicht abgeschreckt.

Und wieder haben sie ein Gespür für feine Filme bewiesen. „Laurin“ ist ein deutsches Gruselmärchen im Stile von Theodor Fontane oder E. T. A. Hoffmann und kann optisch, dank einer glaubhaften Ausstaffierung sehr gut mit so mancher britischen Gothic Horror Produktion mithalten. Da solche Genreproduktionen früher wie heute nur sehr schwer zu finanzieren sind in Deutschland, drehte der damals erst frisch von der Filmschule gekommene Regisseur und Autor Robert Sigl sein Erstlingswerk in Ungarn. Dadurch konnte der Film günstiger mit ungarischen Darsteller*innen gedreht werden. Außerdem fand man dort Drehorte, die wirklich wie Deutschland 80 Jahre zuvor aussahen, was den Film optisch sehr aufwertet. Zwei größere Kritikpunkte entstehen dabei (mal ganz abgesehen von Lohn Dumping natürlich), erstens musste der Film nun auf englisch gedreht werden, wobei das Englisch der Schauspielenden einfach zu schlecht für den O-Ton war und zum anderen sieht das bergige Ungarn Norddeutschland absolut nicht ähnlich und auch das Donau Ufer würde wohl niemand mit der Küste der Nord- oder Ostsee verwechseln.

Die Stärken des Films liegt vor allem darin, wie langsam aber stetig der Grusel aufgebaut wird. Keine schnellen Schritte, viele schöne Kameraschwenks und Fahrten und keine plumpen Schockmomente oder exploitative Elemente. Es ist eine sehr ehrliche und solide Art einen Schauerfilm zu machen. Während Ausstattung und Inszenierung eher an Filme der Hamer Studios erinnert, hat die Farbgebung und die Beleuchtung des Films Ähnlichkeiten zum italienischen Horror. Vor allem das farbliche Licht und die Close Ups wichtiger Gegenstände lassen Erinnerungen an Argento aufkommen.

Auch inhaltlich sagt der Film einiges aus. Es geht darum, wie Patriarchat und festgelegte Geschlechterrollen, Menschen psychisch einschränken. Ebenso spielt das unterdrückte Psychosexuale eine große Rolle. Mit Symbolismus wird auch ansonsten nicht gespart und vor allem die Kinderdarstellenden Dóra Szinetár und Barnabás Tóth machen einen sehr guten Job. Ein letzter Kritikpunkt ist der etwas dünne und leicht auswechselbare Soundtrack, der doch sehr typisch für die Achtziger ist und nur wenig zur Atmosphäre beitragen kann.


„Laurin“ ist einer der wenigen bemerkenswerten deutschen Genreproduktionen, der mit dieser Veröffentlichung endlich ein etwas größeres Publikum zugänglich gemacht wird. Vor allem wenn ihr an Gruselmärchen mit historischen Setting interessiert seit, sollte „Laurin“ bald in eurem Blu-ray Player Runden drehen dürfen.

Drop Out 30 aus dem Hause Bildstörung kommt wie alle vorhergegangenen im Jewelcase mitsamt Schuber. Der Schuber hat natürlich ein abnehmbares FSK Logo. Der Blu-ray liegt ein 19-seitiges Booklet mit einer Einleitung von Robert Sigl, einem Essay zum Film, sowie einem Interview mit Sigl bei. Die Blu-ray bietet euch den Film erstmals in neuer Full-HD Abtastung und daher auch mit einer wirklich schönen Bild- und Tonqualität. Neben der englischen und deutschen Synchronisation enthält die Disc noch einen ergiebigen Audiokommentar von Robert Sigl und den deutschen Trailer des Films. Auch eine Bonus DVD ist enthalten. Darauf befinden sich weitere Extras wie Sigls Kurzfilm „Der Weihnachtsbaum“ das Featurette „Robert Sigl erzählt“, in dem Sigl über seine bisherigen Werke resümiert, ein Behind the Scenes, sowie verschiedene Interviews mit den Darsteller*innen Dóra Szinetár, Barnabás Tóth, dem Kameramann Nyika Jancsó, dem britischen Filmkritiker Jonathan Rigby und dem deutschen Filmkritiker Olaf Möller. Dazu kommt ein Video von der Verleihung des Bayrischen Fernsehpreises, einige Deleted Scenes (mit und ohne Audiokommentar von Robert Sigl) und eine Bildergalerie. Also die gewohnt liebevolle Aufmachung, die ihr von Bildstörung erwarten dürft.

7,5 ausgestopfte Faultiere