Vor 11 Jahren starben die
Eltern der Geschwister Eleanor (Janette Scott), Simon (Oliver Reed)
und Tony (Alexander Davion) bei einem Flugzeugabsturz. Seitdem leben
die Kinder bei ihrer Tante Harriet (Sheila Burrell), doch schon bald
wurde Tony sein Leben mit der Tante unerträglich und er beendete
sein Leben mit einem beherzten Sprung von der Steilküste. Nun sind
die verbliebenen Geschwister fast volljährig und somit kurz davor, das vererbte Familienvermögen selbst verwalten zu dürfen. Doch
plötzlich beginnt Eleanor wiederholt ihren verstorbenen Bruder zu
sehen. Handelt es sich dabei um ein Hirngespinst der jungen Frau?
Oder ist ihr Bruder wirklich zurückgekehrt?
„Psycho“, „Der
Untergang des Hauses Usher“ und „Das Phantom der Oper“. Würdet
ihr diese klassischen Stoffe mischen bekommt ihr vermutlich
irgendwas in der Art von Freddie Francis (Blumen des Schreckens)
schwarzweiß Thriller „Paranoic“, bei uns besser unter dem wenig
passenden Titel „Haus des Grauens“ bekannt. Der Film aus dem
Jahre 1963 gehört zu der letzten Welle von farblosen Filmen aus den
Hammer Studios. Das Drehbuch schrieb Jimmy Sangster (Horror of
Dracula) mit Josephine Teys Roman „Brat Farrar“ als Vorlage.
Die Geschichte dreht sich um
eine Familie, englischer Geldadel, die langsam auseinanderbrechen zu
droht. Nach dem Tod der Eltern nahm sich Tony das Leben, während
Simon zum Lasterhaften, verantwortungslosen Rowdy wurde und Eleanors
Psyche scheint Tonys Verschwinden auch Jahre danach nicht verkraften
zu können. Gemeinsam Leben sie mit einem Diener und dem Hausmädchen
Françoise (Liliane Brousse) bei ihrer kaltherzigen Tante. Endgültig
eskaliert die Situation durch die Rückkehr des verstorben gedachten
Tonys. Erzählt wird also ein relativ klassisches Familiendrama mit
vermeintlichen oder auch realen übernatürlichen Elementen. Die
Hauptrollen werden dabei wunderbar von Alexander Davion (Das Tal der
Puppen) und Oliver Reed (Die Bande des Captain Clegg) verkörpert.
Vor allen anderen kann insbesondere Reed durchgehend überzeugen. Als
stets besoffener Rowdy ist er zu jeder Zeit glaubhaft, auch wenn er
den Betrunkenen vielleicht manchmal zu real spielt. Jede Szene mit
ihm ist spannend anzusehen und lenkt das Auge immer auf ihn. In
weiteren Rollen können Janette Scott (Ein Riß in der Welt) und die
für damals überraschend aufreizende Liliane Brousse (Die
Ausgekochten) ihr Können beweisen. Auf keinen Fall vergessen werden
darf Maurice Denham (Der Fluch des Dämonen), der als Finanzberater
der Familie mit seiner trockenen Art und trotzdem wunderbar pointiert
Reed auch in seinem gelegentlichen Overacting gut Paroli bieten kann.
Die Geschichte und ihr eher
unterschwelliger und untergeordneter Grusel entwickeln sich nur
langsam. Dank der auffallend gut geschriebenen Dialoge verliert der
Film dennoch nie die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen. Dabei hilft
auch, dass der Film wunderschön von Arthur Grant (Das Grüne Blut
der Dämonen) in Cinemascope gedreht wurde. Der Mann versteht sein
Handwerk und schafft es, den schwarzweiß Film trotz seiner späten
Entstehungszeit wirken zu lassen. Licht und Schatten werden
wundervoll in Szene gesetzt und erzeugen stets die Stimmung der
Sequenzen. Auch ansonsten ist die optische Verwirklichung nüchtern, aber effektiv. Es gibt nur wenige Effectshots, diese sind dann auch
als solche leicht auszumachen und spielen meistens an der Steilküste
der Isle of Purbeck, halten dennoch auch einem Blick in HD noch
stand. Ansonsten wäre da nur noch die Maske des vermeintlichen
Killers, die so simpel ist und trotzdem zu den gruseligsten Masken
gehört, die ich bisher gesehen habe. Da können die ganzen Slasher
Killer einpacken. Zu guter Letzt ist da noch ein weiterer ziemlich
gute Requisite, die sehr morbide und unheimlich ist, die aber noch
nicht verraten werden sollte. Dieser Finale Schocker beweist noch
einmal, warum es eine gute Idee war, den Film nicht in Farbe zu drehen,
da der Effekt so noch düsterer wirkt und eine starke beklemmende
Wirkung erzeugt, die in einer farbigen Version sicherlich verloren
gegangen wäre.
„Das Haus des Grauens“
gehört sicherlich nicht zu den Titeln, die den Meisten sofort in den
Sinn kommen wenn über das große Erbe der Hammer Studios gesprochen
wird. Dennoch muss der Film den direkten Vergleich zu ähnlich
psychologisch angehauchten Thrillern wie zum Beispiel Hitchcocks
„Psycho“ nicht scheuen und verfügt auch für eine im Vergleich
kleine Produktion über eine mehr als solide Optik und einen starken
Cast.
Das Bild der Anolis Blu-ray
ist überraschend scharf und durchgehend sauber. Eine wirklich tolle
Restauration eines Klassikers. Der Ton kommt im 2.0 Mono Format und
ist ebenfalls sauber und störungsfrei. Wie gewohnt gibt es einen
Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen und Volker Kronz. Dazu kommt eine
halbstündige Mini Doku über den Film, sowie der amerikanische
Trailer, die Werberatschläge aus England, Deutschland und
Frankreich, sowie das deutsche Filmprogramm und eine Bildergalerie.
8 von 10 harte Orgeleien