Ein weiteres Mal werfen wir uns in die merkwürdige Dunkelheit von Junji Itos Horrorwerken. Der neueste Hardcover Sammelband bietet auf knapp 400 Seiten acht auf sich allein gestellte Manga-Kurzgeschichten. Wobei leider zwei schon innerhalb dieser Kollektion in dem Band „Shiver - Meisterhafte Horrorgeschichten“ erschienen. Falls ihr die vorherigen Bände also schon besitzen solltet, werden euch die Geschichte „Henkerballon“ und „Das Marionettenhaus“ bekannt vorkommen. Leider hat dieser Band auch keine Extras zu bieten. Was die Geschichten jedoch können besprechen wir gleich.
Ein übernatürlicher Schulwechsler
Beginnt als Slice-of-Life einer Gruppe
paranormal interessierter Jugendlicher und gipfelt in einem
mörderischen Spiel das nicht nur die Kids in Lebensgefahr bringt,
sondern auch das Konzept von Realität steht hier auf dem Spiel.
Nicht sonderlich gruselig oder schockierend, aber dennoch eine
spannende Geschichte über einen Jungen der zuerst sehr harmlos
wirkte. Hier gefällt mir vollem wie mondän der Horror die Realität
infiltriert und zu einer neuen Normalität wird.
Groaning Drain
Handelt von einer Dame mit Putzfimmel. Diese nervige Angewohnheit kontrolliert schließlich nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Töchter. Doch dann kommen Geräusche und ein widerlicher Gestank aus den Rohren des Hauses. Denn scheinbar lebt etwas darin. Durchaus teilweise Gruselig, es gibt einige visuelle Schockmoment, insgesamt scheint der Plot aber etwas zufällig gewürfelt worden. Die meisten Charaktere verhalten sich widersinnig, das Böse im Rohr hat auch eher eine komische Begründung für seine Taten. Insgesamt eine weniger ausgereifte Geschichte als wir es gewohnt sind.
Blutfrüchte
Vermutlich meine liebste Geschichte aus
diesem Band. „Blutfrüchte“ überzeugt mit unglaublich gruseligen
Vampirkindern und dem überaus ekligen Konzept von Blutbeeren die
vernascht werden müssen. Ito stellt eklige Details heraus wenn es
sein muss, hält eine dichte Atmosphäre und schafft es überdies
auch noch die Geschichte in einen an Edgar Allan Poe erinnernden
poetisch-düsteren Hintergrund zu betten.
Fleischfarbe ist Schick
Darauf folgen „Henkerballon“ und
„Das Marionettenhaus“. Da uns diese Storys aber schon bekannt
sind machen wir weiter mit: „Fleischfarbe ist schick“. Mein
zweites Highlight dieser Ausgabe. Es geht um eine Kindergärtnerin,
die versucht sich um ein verhaltensauffälliges Kind ihrer Gruppe zu
kümmern. Dabei findet sie schnell heraus, dass der Junge bei seiner
Mutter und seiner Tante lebt. Eines Nachts wird sie dann von einer
unbekannten Person attackiert und auch im Kindergarten wird die
Situation täglich brisanter. Geschichte über Schönheitswahn und
über Eltern die ihren Kindern schreckliches antun um aus ihnen etwas
zu Formen, dass sie selbst gerne wären. Die Geschichte bietet einige
ambivalente Figuren die sich zwischen Gut und Böse bewegen, viele
unerwartete Schockmomente und ein Finale das komplett eskaliert, auf
eine schon fast amüsante Art, trotz all des Schreckens.
Vom Radar verschwunden
Ein Flugzeug stürzt ab, wird später
aber als eine Art Phantomflugzeug wiedergesehen. Nichts originelles,
nichts schockierendes und Spannung kommt hier auch nicht auf. Ein
Konzept das wir schon vor vielen Jahrzehnten, zum Beispiel in der
„Twilight Zone“ öfter zu sehen bekommen haben.
Tief im Boden
Und leider ist auch die letzte
Geschichte nicht besser. „Tief im Boden“ erzählt von einem
Klassentreffen bei dem die ehemaligen Schülerinnen an ihre
Oberstufenzeit zurückdenken. Dabei kommen sie auf ein Mädchen das
sich damals komisch verhalten hat. Der Twist ergibt nur wenig Sinn,
ist aber trotzdem nicht überraschend und obwohl die Geschichte nur
wenige Seiten lang ist, gibt es eine Reihe von Logiklöchern,
Charaktere widersprechen sich selbst und man hätte einige Seiten
streichen können und die Geschichte würde genauso gut,
wahrscheinlich sogar besser funktionieren.
Fazit
Junji Ito bietet seinen Fans hier
wieder einige Highlights, aber auch ein paar eher schwache Geschichten.
Warum man bei Carlsen dachte es wäre gut zwei der zuvor
veröffentlichten Geschichten erneut abzudrucken ist mir auch nicht
klar. Optisch gibt es bei Ito wie immer nichts auszusetzen.
Inhaltlich schwächeln aber vor allem die kurzen Geschichten dieser
Sammlung leider. Bisher wohl der schwächste Band.
6 von 10 Halsnaschereien