Donnerstag, 9. Juli 2020

México Bárbaro (2014) [Wicked Vision]

México Bárbaro (2014) [Wicked Vision]

Mexiko ist ein Land mit einer Geschichte, die viele Opfer verlangt. Über blutige Ritualen vor langen Zeiten, bis hin zu Zeiten als spanische Kolonie und der aktuellen Gefahr, die von örtlichen Drogenkartellen ausgeht. „México Bárbaro“ ist eine Kurzfilmanthologie die sich mit der blutigen Geschichte, sowie den bösen Wesen der mexikanischen Legenden befasst. Acht örtliche Regisseur*innen zeigen in acht Kurzfilmen die blutige und gespenstische Seite des Landes.


Episode 1: „Tzompantli“ von Laurette Flores Born
Ein Journalist versucht Informationen über ein Drogenkartell zu bekommen und trifft sich dafür mit einem Insider. Doch das Geheimnis der Organisation ist dunkler als erwartet und so macht er bald Bekanntschaft mit einem ganz besonderen Holzgebilde.

Der erste Kurzfilm ist zugleich der erste von insgesamt zwei Episoden, die von einer Regisseurin gedreht wurden (neben dem letzten Film „Día de los Muertos“ von Gigi Saul Guerrero). In „Tzompantli“ spricht sie sowohl die in Mexiko grassierende Bandenkriminalität als auch die Gefahr an, unter welcher Journalisten über eben diese berichten. Außerdem bringt sie mit dem Titel gebenden Holzgestell einen schrecklichen Teil mexikanischer Geschichte zurück ins Gedächtnis. Bei dem „Tzompantli“ handelt es sich um ein Holzgestell das vor allem zur Zeit der sogenannten Blumenkriege von Atzteken und anderen Völkern genutzt wurde. Es handelt sich dabei um eine Art Präsentierregal für die abgetrennten Köpfe der Feinde. Diese wurden oftmals dem Kriegsgott Huitzilopochtli geopfert. Zudem hatte es den Vorteil, dass auf diese Weise die Geister der Getöteten am „Tag der Toten“ nicht zurückkehren konnten und stattdessen in ihren aufgebahrten Schädeln gefangen waren.

Solide gespielter und gefilmter Kurzfilm. Nur der Endtwist ist ziemlich schwach und lässt einen Überraschungsmoment vermissen, was den Film dann insgesamt leider doch etwas uninteressant wirken lässt.


Episode 2: „Jaral de Berrios“ von Edgar Nito
Zwei Banditen schaffen es mit einigen Barren Gold und ihrem Leben aus einem Überfall zu entkommen. Mit letzten Kräften suchen sie Schutz vor der Sonne in dem alten verlassenen Jaral de Berrios. Bald schon werden sie erfahren, dass das, was man sich über das alte Haus erzählt, vielleicht mehr als nur eine düstere Legende ist.

Zwei Banditen gegen eine unheimliche Geistergestalt. Als Drehort dient das alte Landgut in Guanajuato, nach dem der Film benannt ist. Schon seit vielen Jahren ranken sich Geistergeschichten um das über 200 Jahre alte Gemäuer. Edgar Nito filmt seinen Short ungeheuerlich schön, was neben seinem Talent wohl auch an dem wirklich schönen Drehort, dem fantastisch verfallenen Gebäude und seinen düster schönen Wandgemälden liegt. Es kommt durchaus Grusel auf, das Make-Up hier stimmt auch und die Kameraarbeit von Nito erinnert stellenweise nicht wenig an Sam Raimis „Tanz der Teufel“ (1981). Mit einigem Vorsprung der beste Film dieser Sammlung.


Episode 3: „Drena“ von Aaron Soto
Eine junge Frau findet eine nur schlecht verscharrte Leiche in der Einöde. In der Hand hält der tote Mann einen Joint. Kurzerhand entwendet sie dem Abgelebten sein Teufelsgewürz und raucht es alsbald Zuhause. Kurz darauf erscheint ihr jedoch eine finstere Gestalt und gibt ihr einen gar noch frecheren Auftrag, ansonsten würde er unanständige Dinge tun, die gleichermaßen etwas mit ihrer Seele wie auch ihrem Anus zu tun haben würden.

Aaron Soto ist Anfang des Jahrtausends durch seinen Cyberpunk Kurzfilm „Omega Shell“ (2001) bekannt geworden. Hier versucht er, sich zur Abwechslung an einem Horrorfilm. Das Ganze ist reichlich abstrus und hat eine wenig subtile Antidrogenbotschaft auf dem Niveau der alten Scare Movies. Ziemlich unsinniger Film, der seine Schauspielerinnen auf unangenehme Weise sexualisiert darstellt. Trotzdem ist die böse Puppe super gruselig und mit das Angst einflößendste an der gesamten Sammlung.


Episode 4: „La cosa mas preciada“ von Isaac Ezban
Zweit Teenager schwänzen die Schule, mieten sich eine abgelegene Hütte im Wald und treffen dort auf eine Art Kobold.

Hiermit kommen wir dann zu dem absoluten Tiefpunkt dieser Compilation. Isaac Ezban hat hier eine versucht launige Neuimaginierung der Aluxe Sage erprobt. Aluxe sind eine Art atztekische Kobolde, die, wenn man sie wütend macht, Schaden anrichten können. Hier vergewaltigen sie das Mädchen. Die Szene wird dann lange ausgekostet und enthält eine Reihe blöder Witzchen. Als wäre es nicht beschissen und ärmlich genug, Witze über Vergewaltigungen zu machen, ist die Story noch absolut dämlich. Ezban macht nichts interessantes mit der Legende, die er als Inspiration herangezogen hat, der Humor ist absolut kindisch und zum schämen. Gleiches gilt auch für das Schauspiel aller Beteiligten und den schrecklichen Filmgrain Filter der völlig planlos über das Bild gelegt wurde. Kann gerne geskippt werden.


Episode 5: „Lo que importa es lo de adentro“ von Lex Ortega
Den ganzen Tag sitzt ein kleines Mädchen panisch vor dem Fenster und zeigt mit dem Finger auf den Obdachlosen Pepe (Anuar Zuñiga Naime). Dabei schreit sie immer wieder „Coco!“. Das Mädchen hat eine geistige Behinderung und ihre Mutter ist nur genervt von ihrem Verhalten, versucht nicht zu verstehen, warum die Kleine so sehr Angst hat. Als dann aber ihr Sohn unter ungeklärten Umständen verschwindet, wird sie sich bald wünschen, sie hätte ihrer Tochter besser zugehört.

Lex Ortega kann in den ersten Minuten eine dichte unheimliche Atmosphäre aufbauen. Das Familiengefüge ist zerrüttet und lässt die Zuschauer*innen mit der Kleinen mitfühlen. Die Situation wirkt beklemmend und verzweifelt und all das ohne irgendwelche übernatürlichen oder monströse Einflüsse. Daher ist es umso bedauerlicher, das mal wieder die Auflösung extrem flach und genau so, wie wir erwarten würden, daherkommt. Ein Problem, das sich leider durch die gesamte Filmsammlung zieht. Und wenn wir in den vergangenen Jahrzehnten etwas über Horrorkurzfilmsammlungen gelernt haben, dann ja wohl das sie meist nur so gut wie ihre Twist Enden sind. „Coco“ ist übrigens der Name des mexikanischen Kinderschrecks ähnlich des Boogeymans und zudem noch der Namenspate für die gespenstische Kokosnuss.


Episode 6: „Muñecas“ von Jorge Michel Grau
Eine verletzte Frau versucht einem Killer zu entkommen und wird letztlich doch wieder eingefangen.

Der Kurzfilm spielt auf der Insel der Puppen. Einer real existierenden Örtlichkeit, die mittlerweile zu einer Touristenattraktion geworden ist. Nie lebten mehr als eine Person auf der Insel und als der Bewohner 1951 eine Mädchenleiche im Sumpf fand, begannt er überall Puppen aufzuhängen um somit den bösen Geist des Mädchens fernzuhalten. Somit ist die reale Geschichte leider um einiges gruseliger als das, was uns der Film vorsetzt. Die erste Hälfte des Shorts ist allerdings packend in einer sehr ansehnlichen schwarzweiß Komposition gefilmt. Leider ist es auch hier wieder der Twist, der absolut nicht zünden will und eher ratlos als überrascht und geschockt zurücklässt.


Episode 7: „Siete veces siete“ von Ulises Guzman
Ein entstellter Mann stiehlt eine Leiche aus der Leichenkammer. Mit unsäglichen Ritualen belebt er den toten Mann wieder zum Leben. Nach dem beschwerlichen Weg zur erneuten Menschwerdung, bedankt sich der Gerettete bei seinem Retter, doch die Mimik in dem zur Unkenntlichkeit verbrannten Gesicht seines Retters, verrät ihm, er wurde nicht aus Freundlichkeit wiederbelebt.

Guzmans „Siete veces siete“ ist mein zweitliebster Teil dieser Sammlung. Die Optik ist trippy enthält Ehrerbietungen an Jodorowskys „Fando & Lis“ (1968) und kann auch ansonsten gefallen. Die Darsteller*innen sind gut, ein wenig leidet der Film unter seinen Ambition insofern, dass das Budet nicht alle Ideen zufriedenstellend umsetzen kann. Der Twist ist gut und könnte dennoch etwas mehr Impact haben. Trotzdem sehr gut geworden.


Episode 8: „Día de los Muertos“ von Gigi Saul Guerrero
Am Tag der Toten gibt es eine ganz besondere Show in einem räudigen Strippschuppen der Unterwelt von Mexiko-Stadt. Die Mädchen geben alles auf der Bühne und ihr männliches Publikum ahnt noch nicht, was sie erwartet.

Gigi Sail Guerrero lässt in ihrem Beitrag zu „México Bárbaro“ eine Gruppe von Frauen los auf die Männer, die sie schlugen, vergewaltigten und misshandelten. Eine insgesamt ziemlich befriedigende Rachefantasie mit einigen lustigen Splattereffekten und wirklich coolem Make-Up. Einer der stärkeren Filme des Projekts.


Fazit:
„México Bárbaro“ ist eine ziemlich durchwachsene Sammlung von Horrorkurzfilmen. Höchstens drei der Filme können vollends überzeugen. Der Rest findet sich zwischen okay und absoluter Mist wieder. Für Fans von Horrorfilmen abseits ausgetrampelter Pfade ist diese Sammlung aber in jedem Fall zumindest einen Blick wert.

Die Blu-ray von Wicked Vision ist technisch einwandfrei. Die deutsche Synchro hingegen konnte absolut nicht gefallen und wurde schnell gegen den, auch thematisch wichtigen, O-Ton eingetauscht. Als Bonus gibt es Trailer, Teaser eine Bildergalerie und „Hinter den Kulissen“ Videos einiger der Titel. Das ganze ist als gewohnt hochwertige Mediabook Edition erschienen und kommt mit einem 24-seitigen Booklet, das vor allem dabei hilft, den kulturellen Background der jeweiligen Filme einordnen zu können.