Weiter geht es mit düsteren Geschichten verschiedener mexikanischer Regisseur*innen. Im zweiten Teil sollen weniger alte mexikanische Legenden wiedergegeben werden, sondern aktuelle soziale Probleme mit finsterer Folklore verwebt werden. Natürlich bleibt es dabei gruselig und mitunter auch etwas eklig.
Episode 1: „La leyenda de Juan Soldado“ von Abraham Sánchez
Ein junger Soldat wird beschuldigt, ein junges Mädchen vergewaltigt und ermordet zu haben. Zur Strafe wird er hingerichtet und trifft in der Hölle auf den Teufel, der nicht so richtig versteht, warum er zu ihm gekommen ist. Kurzerhand wird er also zurück auf die Erde geschickt, wo er sich an seinem Vorgesetzten rächen kann, der ihn fälschlicherweise tötete.
Wie der Titel schon verrät, handelt die erste Episode von der modernen Legende um den jungen Soldaten Juan. Wie auch der Charakter im Film wurde auch der echte Juan für eine Vergewaltigung und einen Mord hingerichtet, den er nicht begangen hat. Optisch erinnert dieser Short stark an Edgar Nitos „Jaral de Berrios“ aus dem ersten Teil. Das heißt vor allem handwerklich sehr gut geratene Landschaftsaufnahmen und eine überzeugende Atmosphäre. Für die Höllenaufnahme fehlte es an Budget und auch das Teufelskostüm ist ziemlich günstig. Zum Glück ist die Szene so geschickt gedreht, dass es nicht zu sehr auffällt. Solider Kurzfilm ohne größere Makel.
Episode 2: „Paidós Phobos“ von Diego Cohen
Eine junge Frau leidet unter panischer Angst vor ihrer kleinen Tochter. Um diesem konstanten und schrecklichen Gefühl endlich zu entkommen beschließt sie eine grausame Tat...
Hier versucht sich Diego Cohen an einer modernen Version der „La Lorna“. Doch während die weinende Frau der alten Folklore nicht unbedingt den besten Grund für ihre Taten aufweisen kann, ist das Verhalten der Figur in diesem Kurzfilm deutlich besser nachzuvollziehen. Der Film zeichnet sich vor allem als atmosphärisch aus und hat ein paar gute Schreckmomente. Zudem funktioniert er auch emotional ziemlich gut und bleibt daher länger als die meisten anderen Teile dieser Sammlung in Erinnerung.
Episode 3: „Potzonalli“ von Fernando Urdapilleta
Der Familienpatriarch herrscht auf schreckliche Weise über seine Familie. Seine Frau wird unterdrückt, seine Kinder gequält und missbraucht. Das Maß ist voll, jetzt wird das Schwein in die Pozole gesteckt!
Die Geschichte gibt sich von Beginn etwas sehr trashig, aber kann erst gut unterhalten. Wir sehen den Vater und warum seine Familie ihn hasst. Als Lösung für dieses Problem wird er kurzerhand zerstückelt und in den Topf gesteckt. Bisher also lustiger Splatterkram mit einer befriedigenden Rachephantasie. Darauf folgt dann aber völlig planlos eingestreuter Inzest. Was das soll, wird nicht deutlich. Es wirkt etwas kindisch als antireligiöse Botschaft, stellt gleichzeitig aber auch die Familie psychotisch dar. Somit verliert die Geschichte dann wieder den eigentlich guten Ansatz nur weil man unbedingt noch einen voll lustigen random Schockeffekt einbauen wollte, der dann nicht mal schockierend war.
Episode 4: „Bolas de Fuego“ von Christian Cueva & Ricardo Farias
Zwei geile Typen bestellen sich zwei Sexarbeiterinnen zu sich nach Hause. Sie wollen einen Porno drehen! Sie ahnen jedoch nicht, dass die beiden Damen nicht nur Pimmel saugen, sondern auch mit Vorliebe an Blut und Seelen. Pech gehabt.
Nonsens mit einem irgendwie pseudokritischen Ansatz. Denn wenn der Film wirklich eine Kritik am Amateurporno Boom sein sollte, ist die sehr trashige Oobjektifizierung der Frauen doch sehr armselig. Naja, am Ende bleibt ein sehr zerfaserter Kurzfilm, der vielleicht höchstens noch durch seinen ultragünstigen Weblook und viele simpel einkopierter Aftereffects noch etwas Persönlichkeit bekommt.
Episode 5: „Vitriol“ von Michelle Garza
Eine junge Frau, die vergewaltigt wurde, lebt in Angst vor neuen Übergriffen völlig isoliert in ihrer Wohnung. Um nicht wieder Opfer zu werden beschließt sie, nicht nur sich an dem Täter zu rächen, sondern auch etwas an ihr zu ändern.
Michelle Garza ist schon seit ein paar Jahren für gruselige Kurzfilme bekannt, in denen feministische Ansätze eine Rolle spielen. Hier geht es zwar auch um Rache an dem Vergewaltiger, aber viel zentraler ist wie die junge Frau selbst ihr Gesicht entstellt um so weniger attraktiv zu sein und somit dem alltäglichen Sexismus zu entkommen. Noch mehr scheint sie durch ihre Tat dem Druck entkommen zu wollen jeglichen Schönheitsideale zu erfüllen. Toll gedreht, gut gespielt und es gibt einige schöne Sets. Hier gibt es nichts auszusetzen. Vermutlich der beste Film des zweiten Teils.
Episode 6: „No te duermas“ von Sergio Tello
Edgars Oma ist vor kurzem gestorben. An ihre Worte erinnert sich der kleine Junge aber noch genau. Denn jeden Abend erzählte sie ihm düstere Geschichten um ihn schnell zum schlafen zu bringen. Mit dem Ergebnis, dass der Kleine sich jetzt nicht mehr im Dunkeln auf die Toilette traut. Dabei lauert doch nicht wirklich etwas in der Dunkelheit... Oder?
Jede*r kennt gruselige Geschichten, die bewirken sollen, dass Kinder sich gut benehmen. Damit einher gehen oftmals traumatische Kindheitserinnerungen. Was aber passieren kann, wenn Oma noch einen drauf setzt, sehen wir in „No te duermas“. Das beste an dem Film ist vermutlich Francisco Leyva, der den kleinen Edgar spielt. Er macht seine Sache sehr gut und kann auch subtilere Emotionen trotz seines jungem Alter gut rüber bringen. Der finale Twist hätte etwas mehr Arbeit gebraucht und schockiert so wie er jetzt ist noch nicht wirklich. Ansonsten ein solider Film.
Episode 7: „Ya es hora“ von Carlos Meléndez
Fatima und eine Freundin wollen der Oberzicke und ihren Anhängerinnen aus der Schule eins auswischen. Dafür beschwören sie einfach mal die Mächte der Hölle. Die gehorchen auch prompt und töten die anderen Mädchen auf wahrlich teuflische Weise.
Sehr spaßige Splatterkost der alten Schule. Es gibt eine ganze Reihe von ansehnlichen handgemachten Spezialeffekten, sowie ein paar sehr räudige CGI Versuche. Die Kills sind einfallsreich und sehen spannend aus. Das hier sowohl die Täterinnen als auch die Opfer allesamt eher klischeehafte Girlys sind, bedeutet, hier wird dankenswerter Weise auf die gemobbten Gothkids als Satansbeschwörer verzichtet, was sehr selten zu sehen ist. Kurzweiliger, dummer Spaß, der vor allem in Sachen Effekten den klaren Höhepunkt des Films darstellt.
Episode 8: „Exodoncia“ von Lex Ortega
Eine junge Frau verkauft erst ihre sexuellen Dienste, später sogar ihre Körperteile um ihre Drogensucht zu finanzieren.
Den Abschluss macht der Kurzfilm „Exodoncia“ von Lex Ortega, dem Initiator von „México Bárbaro“. Hier fordert die Zahnfee noch etwas mehr als nur Zähne und alles ist etwas drüber. Die Antidrogenbotschaft ist recht deutlich und schmackhaft werden euch Drogen hier wirklich nicht gemacht. Der Short verfügt über einige harte Ekelmomente und ziemlich blutig wird es zudem auch noch. Die Effekte sind ziemlich glaubwürdig, das Monster eklig und die Hauptdarstellerin spielt authentisch.
Fazit:
Der zweite Teil von „México Bárbaro“ ist deutlich ausgewogener als der Erste geraten. Insgesamt sind die einzelnen Kurzfilme viel besser und es gibt weniger Totalausfälle. Zum richtigen Hit fehlt es leider immer noch, da leider nur die wenigsten Filme wirklich rund geraten sind und ein befriedigendes Gesamtbild abgeben. Dafür gibt es viele einzelne Momente, die sehr gut geraten sind. Über die gesamte Reihe sind ein paar Gegenstände verteilt die sich in mehreren Geschichten wiederfinden, wodurch kleinere Verbindungen zwischen den Stories hergestellt werden, was das Gesamtwerk noch etwas runder erscheinen lässt.
Die Mediabookveröffentlichung von Wicked Vision kommt mit einem 24-seitigen Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach. Darin werden erneut die mexikanisch-kulturellen Hintergründe der Geschichten erläutert. Als Bonus bekommt ihr noch Trailer, eine Bildergalerie und „Hinter den Kulissen“ Featurettes zu ein paar Titeln. Bild und Ton der Blu-ray sind gut, schwanken aber natürlich deutlich zwischen den verschiedenen Geschichten.
6,5 von 10 fehlende Hände
Die Mediabookveröffentlichung von Wicked Vision kommt mit einem 24-seitigen Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach. Darin werden erneut die mexikanisch-kulturellen Hintergründe der Geschichten erläutert. Als Bonus bekommt ihr noch Trailer, eine Bildergalerie und „Hinter den Kulissen“ Featurettes zu ein paar Titeln. Bild und Ton der Blu-ray sind gut, schwanken aber natürlich deutlich zwischen den verschiedenen Geschichten.
6,5 von 10 fehlende Hände