Dark Waters (1993) [Wicked Vision]
Nach dem Tod ihres Vaters, reist die Engländerin Elizabeth (Louise Salter) auf eine kleine russische Insel. Auf dieser Insel ist ein kleines Kloster, in dem auch eine Freundin von Elizabeth lebt. Sie selbst reist jedoch dorthin um herauszufinden, warum ihr Vater seit vielen Jahren regelmäßig Geld an den Nonnenorden spendet. Schnell stellt sie fest, dass auf der Insel einige düstere Dinge vor sich gehen. Von ihrer Freundin gibt es keine Spur mehr und die Ordensschwestern verhalten sich ihr gegenüber äußerst verdächtig. Ihre einzige Hilfe bei der Suche nach den Geheimnissen der Insel ist Sarah (Venera Simmons) und zusammen lernen sie bald, dass Elizabeth und das Schicksal der Insel eng verwoben sind.
Erstmals fiel Mariano Baino durch seinen 1991 veröffentlichten Kurzfilm „Caruncula“ auf. Dieser brachte ihm den Ruf ein, der Mario Bava (Planet der Vampire, 1965) oder Dario Argento (Die neunschwänzige Katze, 1971) einer neuen Generation zu sein. Spätestens aber sein Langfilmdebüt „Dark Waters“ machte deutlich, dass von Baino mehr zu erwarten ist als nur ein neuer Aufguss der alten Horrorzeiten Italiens. Wie auch andernorts lag ernstzunehmender Horror ebenfalls in Italien im Sterben. Videothekensplatter war angesagt und für vorsichtig arrangierten Horror mit zaghafter Erzählung war nur noch wenig Platz in den Regalen. So kann „Dark Waters“ also als eines der letzten bemerkenswerten Horrorwerke Italiens angesehen werden.
Vom ersten Moment zieht das Inselgrauen die Zuschauer*innen in seinen Bann. Die in Odessa am Schwarzen Meer gedrehten Szenen vermitteln sofort eine beständig unheimliche Atmosphäre. Viel mehr als an Argento und Bava erinnern Bainos stimmungsvolle Bildkompositionen an die beklemmenden Naturaufnahmen eines Pupi Avati (Das Haus derlachenden Fenster, 1976). Seine bedeutungsschwangere Symbolik weist hingegen sogar parallelen zu Alejandro Jodorowsky (El Topo, 1970) auf und auch an „Alucarda - Tochter der Finsternis“ (1977) von Juan López Moctezuma musste ich so manches mal denken. Doch auch wenn viele Versatzstücke erkannt werden können, wirkt Bainos Debüt niemals wie eine Collage aus Altbekanntem.
Am stärksten geraten ist dabei der erste Akt. Die erste halbe Stunde kommt mit nur wenigen Zeilen Dialog aus, was durch die atmosphärische Dichte jedoch nie langweilt. Bildsprachlich wird hier schon viel des späteren Geschehen clever angedeutet. Ebenso sind die ersten Kills explizit und setzen die hoffnungslose und mysteriöse, kultische Stimmung des Films. Abgesehen von all dem werden Nonnen mit brennenden Kreuzen, die durch dunkle, feuchte Gemäuer wandern, bei mir wohl niemals keine Gänsehaut verursachen.
Der zweite Akt büßt leider sein Tempo etwas zu sehr ein. Der leicht lovecraftsche Erzählstil verliert ein wenig Fokus und noch viel mehr entgleitet Baino die Kontrolle über seine Schauspielerinnen – im speziellen Louise Salter (Interview mit einem Vampir, 1994) und Venera Simmons. Beide wirken etwas verloren in den tollen Sets, spielen nicht richtig mit der Kamera und scheinen oftmals nicht so richtig zu wissen, was sie tun sollen. Zum Glück fängt der Film sich am Ende wieder und beendet das Geschehen relativ abrupt, aber auf durchaus zufriedenstellende Weise. Ich persönlich hätte mir ein Ende gewünscht, das noch mehr vom Geheimnis zeigt und in punkto Gewaltdarstellung hätte etwas mehr Wumms dem Finale sicherlich gut getan. Insgesamt kann „Dark Waters“ aber gut unterhalten und stellt einen der wenigen Filme seiner Zeit dar, der es schafft, an die Höhepunkte des europäischen Horrors zu erinnern und dennoch eine eigene Identität zu entwickeln.
Der Film wurde damals in Deutschland weder fürs Kino ausgewertet, noch war uns eine VHS oder DVD Veröffentlichung vergönnt. Nur dank Wicked Vision schafft der Inselschrecken es nun auch zu uns und das nicht nur im untertitelten O-Ton, sondern auch mit einer extra angefertigten deutschen Synchronisation. Die Synchro wurde offensichtlich sehr behutsam geplant und ist in der Lage, gleichzeitig hochwertig zu klingen, aber auch nicht auf den nötigen Charme einer 90er Jahre Synchro zu verzichten. Großes Danke dafür! Der Film ist bei Wicked Vision als 3-Disc Collectors Edition Mediabook erschienen und enthält den Film auf Blu-ray und DVD. Beides in gut restaurierter Qualität. Wie ihr schon vermutet, erwarten euch einige Extras. Der Film kommt mit einem Kommentar mit Regisseur Mariano Baino und Michele De Angelis. Mit weiteren Informationen versorgt Baino uns in seinem Vorwort und einer Reihe von Featurettes, sowie Promotion Videos. Hinzu kommt noch ein Video Essay von Pelle Felsch, Originaltrailer, deutscher Trailer, einige Bildergalerien und der Trailer zu „Lady M 5.1“. Auf der Bonus DVD sind zusätzlich noch ein Making-of, Silent Bloopers, Geschnittene Szenen, ein Musik Video des Regisseurs, sowie die Kurzfilme „Dream Car“. „Caruncula“ und „Never Ever After“ samt dazugehörigen Extras. Zu guter Letzt liegt dem ganzen noch ein 48-seitiges Booklet mit Texten von David Renske und Michele De Angelis bei. Die Texte sind auf deutsch und englisch enthalten. Auch einige Artworks gibt es zu sehen.
8 von 10 schmackhafte Flundern