Dienstag, 25. September 2012

Die neunschwänzige Katze (1971) [cmv-Laservision]


Die neunschwänzige Katze (1971) [cmv-Laservision]

Der erblindete ehemalige Journalist Franco Arno (Karl Malden) geht mit seiner Nichte Lori (Cinzia De Carolis) spazieren. Die beiden hören ein dubioses Gespräch mit, das Arno die Lauscher aufsperren lässt. Am nächsten Tag wurde in eine nahe Forschungseinrichtung eingebrochen. Dabei wurde ein Wachmann getötet und kurze Zeit später kommt einer der am Gespräch des Vortags beteiligten Männer auf einem Bahngleis ums Leben. Für Arno ist klar, dass es Mord sein muss und irgendetwas in der Einrichtung vor sich geht. Er kontaktiert den engagierten Reporter Carlo Giordani (James Franciscus), der eine starke Story wittert. Es dauert nicht lange, bis der nächste Mord geschieht...

Icke macht gelb. Nachdem Blaxploitation bei unseren Filmabenden des letzten Jahres das dominierende Genre war (es stehen noch eeeeeeinige Reviews auf meiner ToDo), schauen wir uns langsam mal nach anderen Genres um. Dies soll also jetzt mein erstes Review zu einem Giallo werden. Wer mir also keine Ahnung unterstellen möchte, sollte dies auch unverhohlen tun. Der- oder diejenige tut Recht daran. Nun denn!

Die erste Erkenntnis, die ich aus diesem Film ziehe, ist dass „Brezelchen“ irgendwie ein sehr lieber Kosename ist. Natürlich muss man dafür Assoziationen mit dem derzeit wütenden Volksfest in Süden Deutschlands so weit wie möglich verdrängen.
Aber wenn man sowieso schon geistig in Bayern ist, ist es ja kein großer Sprung mehr nach Italien. Hier bekommt man einen zünftigen Krimi/Thriller vorgesetzt, der sogar einen gewissen wissenschaftlichen Anspruch erheben kann. Die Forschungseinrichtung beschäftigt sich mit der Frühdiagnostik genetischer Defekte bzw. Veränderungen und im Speziellen mit dem XYY-Syndrom. Anfang der Siebziger war dieses Syndrom noch ein mäßig erforschtes Sachgebiet, so dass es auch nicht gänzlich korrekte Studien und das ein oder andere Gerücht darum gab. Eine der Annahmen war zu dem Zeitpunkt, dass das XYY-Syndrom zu erhöhter Gewaltbereitschaft führt, was sogar noch 1992 in Alien 3 thematisiert wurde. Nach heutigem Wissensstand gibt es allerdings keine Kausalität zwischen dem Syndrom und erhöhter Gewaltbereitschaft.

Während Arno und Giordani also dem Mörder auf den Fersen sind und weitere Morde geschehen, müssen sie immer wieder zur Klinik zurückkehren. Dem Zuschauer ist der Mörder insofern bekannt, als dass die Morde aus der Ego-Perspektive gefilmt wurden und die teilweise unangenehm real wirkenden Erdrosselungen aus nächster Nähe zu sehen sind. Zudem wird immer wieder das Auge des Mörders gezeigt. Auch wenn das ein einfaches Stilmittel ist, verfehlt es doch seine Wirkung nicht. Ein Gefühl der Unsicherheit und der ständigen Bedrohung wird ungefiltert an den Zuschauer weitergereicht. Leicht verstörend kommen teils harte Schnitte und das Vorgreifen auf die Tonspur folgender Szenen hinzu. Nicht zuletzt trägt Ennio Morricone mit seiner oft atonalen musikalischen Untermalung zur Stimmung und zum Stil des Films bei.
Überraschend zeitlos ist die visuelle Gestaltung. Sieht man mal von den modischen Aspekten ab, sind Beleuchtung, Kameraführung und die Sets für eine eher kleine Produktion der Siebziger auf sehr hohem Niveau, was den Film auch heute noch angenehm anzuschauen macht. Da hat Argento ordentlich gezaubert, auch wenn er selbst anscheinend nicht so recht von seinem Werk überzeugt ist.

Die Geschichte ist gut umgesetzt. Die beiden batmännisch hart recherchierenden Journalisten werden immer wieder auf die falsche Fährte geführt. Dem Zuschauer wird einiges an Spannung geboten und es wird erfolgreich ein Gefühl der Unberechenbarkeit gewahrt. Sonderlich gewitzt ist die Handlung am Ende zwar nicht, aber man wird einfach gut unterhalten.
Was auch an den Hauptcharakteren liegt. Karl Malden und James Franciscus bilden ein cooles Team. Verwunderlich ist, dass die flappsigen und manchmal nicht ganz politisch korrekten Sprüche Giordanos die Stimmung des Films nicht kaputt machen, sondern als Teil des Charakters durchgehen.

cmv-Laservision hat sich mit der Blu-ray im Mediabookformat wieder viel Mühe gegeben. Mit zwei unterschiedlichen Covern erhältlich bietet die Blu-ray einen neuen HD-Transfer vom Originalnegativ. Das Bild ist leicht körnig und ist in einigen dunklen Szenen sehr unsauber, was aber wohl am Ausgangsmaterial gelegen haben muss. Der deutsche Ton hat etwas kratzige Höhen und an wenigen Stellen einen deutlich dumpferen Klang. Störend ist das aufgrund der sonstigen Qualität allerdings nicht.
Die aufbereitete Version bietet Szenen, die zuvor in der deutschen Veröffentlichung nicht enthalten waren. Die Szenen wurden nicht nachsynchronisiert, sondern laufen im O-Ton mit Untertiteln. Persönlich empfinde ich das als die sinnvollere Variante, hier gehen die Meinungen aber wohl auseinander. Bei den wieder hinzugefügten Szenen wundert man sich teilweise, wie die alte deutsche Variante für den Zuschauer ergeben hat, da Szenen weggefallen sind, die meist von einer Szene in die andere überleiten. Auffällig ist zudem, dass die Homosexualität des einzigen Deutschen an der Forschungseinrichtung damals fast gänzlich getilgt wurde.
Neben der zusammengefügten aufbereiteten Version ist die alte Schnittfassung auf der Disc. Hinzu kommen Trailer und TV- und Radio-Spots, der Bericht „Tales of the Cat“ mit Interviews mit Dario Argento, Dardano Sacchetti und Ennio Morricone, Radio-Interviews mit Karl Malden und James Franciscus und eine schön gestaltete Bildergalerie. Ein sehr umfangreiches und feines Paket also.

Die neunschwänzige Katze bietet einen stilsicheren Krimi mit solider Geschichte, angestochenen Milchtüten und einem durchfahrenen Strahl. cmv-Laservision hat hier einen Klassiker sehr liebevoll ins HD-Zeitalter gehievt.

7,2 von 10 Wandteppiche


PS: Die Blu-ray kann man noch bis 22.10.2012 bei unserer großen Verlosung gewinnen!