Der spazierende Mann (Carlsen Manga)
Ein namenloser Mann, irgendwo in Japan geht spazieren. Er geht einfach so los, ohne ein großes Ziel zu haben. Er beobachtet ein paar Vögel, bis ihm ein Hund zuläuft. Schnell schließt er das niedliche Tier ins Herz und nimmt es mit zu sich nach Hause. Seine Frau kann schnell überredet werden den Hund zu behalten und schwupps ist die Familie größer geworden und der Mann nicht mehr alleine unterwegs. Beim spazieren gehen wird er vom ersten Schnee und von einem großen Regenschauer überrascht. Er genießt die ersten Sommerstrahlen eines neuen Jahres, begeht die engen Gassen seiner Stadt und bestaunt den frisch erblühten Kirschbaum. Nachts geht er schwimmen und eines Morgens erkundet er die Schäden, die ein Taifun angerichtet hat. Schließlich findet er etwas wieder, das er nie verloren hat und so vergeht die Zeit.
Jiro Taniguchi ist einer der interessantesten Mangaka und im Gegensatz zu vielen anderen seiner Zunft nicht nur bei Fans japanischer sequenzieller Kunst beleibt, sondern auch Weltweit vom Feuilleton akzeptiert und geschätzt. Ist wohl auch der Grund warum man seine Werke bei Carlsen nicht unter Manga, sondern unter dem Begriff Graphic Novel führt und in der westlichen Leserichtung veröffentlicht hat. Gründe warum Nerd Hardliner ihn vielleicht erstmal nicht lesen wollen könnten, doch es lohnt sich wirklich. Nicht ohne Grund war Aruko Hito, so der japanische Titel, eines Meiner ersten Reviews (siehe hier). Fast zwei Jahre ist es nun her das ich den Manga hier zum ersten mal besprochen habe. Seitdem habe ich meine englische Ausgabe von Fanfare einige male aus dem Regal genommen um sie anderen zu zeigen oder einfach selbst ein wenig daran zu blättern um den nervigen Alltag ein wenig zu verdrängen.
Lustig ist dabei doch, dass “der spazierende Mann” sehr gut für Verstreuung sorgen kann, obwohl Taniguchi hier eigentlich genau das darstellt wovor man mit Manga, Comics und Filmen fliehen möchte und zwar dem Alltag. Vielleicht weil wir die Dinge die direkt vor uns liegen schon so lange nicht mehr betrachtet haben. Wie schön ein Spaziergang am Strand sein kann, einfach ein paar Tiere beobachten, im Gras liegen und die Blätter eines Baums zählen. All diese kleinen Details die uns zeigen das die Welt doch nicht so schrecklich ist wie man oft denkt. Zumindest in kleinen Momenten liegt oft viel Perfektion, die man manchmal gar nicht mehr wahrnimmt, da man nur noch globale Probleme sieht. Zumindest geht es mir oft so wenn ich dunklen Gedanken hinterher hechte. Da ist es schön etwas simples, aber gleichzeitig so komplexes und detailliertes wie diese Manga Seiten zu genießen. Immer wieder bin ich erstaunt wie viel liebe Taniguchi in jedes Panel einfließen lässt. Neben großen Bildern die endlos viele Kleinigkeiten zu bieten haben, wie zum Beispiel die Blüten eines Kirschenbaums, sind es Kleinigkeiten, wie ein beiläufiges Lächeln oder subtile Gesten, die diesen Manga so groß machen.
Wer also eine Pause vom hektischen und lieblosen Alltag sucht, findet hier eine kleine Oase. Auch Fans von nahezu perfektem Artwork bekommen ihr Fett weg. Eine mutige Veröffentlichung entgegengesetzt zum Trend der Maßlosigkeit in allen Medien. Die Carlsen Neuauflage kommt im Taschenbuchformat, ist also etwas größer als normale Manga, aber kleiner als die US-Version, was bei dem Detailgrad des Artworks teilweise etwas schade ist. Neu in dieser Version ist das Vorwort von Andreas Platthaus und das letzte Kapitel gibt es diesmal sogar in Farbe. Abschließend gibt es noch einen kleinen Redaktionellen Teil über Taniguchi.
Ich kann Aruko Hito eigentlich jedem empfehlen, der in irgendeiner Form etwas für Kunst übrig hat. Einfach ein schöner, entspannter Manga, ganz anders als alles was man sonst so kennt.
9 von 10 Schwalben