„Ein anderes Israel“ begleitet den jüdischen Amerikaner Harvey Pekar bei einer autobiografischen Reise durch die Geschichte des Judentums, von der Entstehung des Zionismus bis zum modernen Staat Israel, der ihm persönlich nicht als das Land erscheint, das seine Eltern ihm einst versprachen.
Geboren als Sohn einer überzeugten Zionistin und eines orthodoxen Juden, wuchs Harvey mit einem stark positiven, gar idealisierten Bild, von Israel auf. Gemeinsam mit seinem langjährigen Freund, dem Illustrator JT Waldman machte er sich an einem Tag in seiner Heimatstadt Cleveland auf, den Geschichten und Mythen Israels auf den Grund zu gehen. Dabei beginnt er beim sprichwörtlichen Anfang mit Adam und Eva, verfolgt die biblische Geschichte des jüdischen Volkes über 2000 Jahre und verbindet dessen Leidensweg mit zeitgeschichtlichen und autobiografischen Erlebnissen. Mit der starrköpfigen Beharrlichkeit eines alten Mannes erkennt er die Liebe seiner Eltern zu Israel an und versucht diese nachzuvollziehen, wobei seine eigenen Ansichten über das politische Israel seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts andere und kritische Züge annehmen. Er ist der festen innerlichen Überzeugung, dass alle Menschen an den gleichen humanistischen Maßstäben gemessen werden sollten.
Bei Harvey Pekar, für diejenigen denen der Name nicht viel sagt, handelte es sich um einen amerikanischen Comic-Autor der als einer der Schöpfer des autobiografischen Comics gilt. Sein berühmtestes Werk „American Splendor“ behandelt, auf äußerst authentische Weise, sein Leben als gewöhnlicher Mensch in einem normalen Alltag. Pekar war besonders bekannt für seine zynische Grummeligkeit, die ihn zu einem streitbaren Gesprächspartner machte.
Die Haupthandlung von „Ein anderes Israel“ verläuft in der gegenwärtigen Zeit in der Harvey gemeinsam mit JT verschiedene Ort besuchte, um Informationen für das Buch zu sammeln, dass der Leser grade in den Händen hält. Daraus ergibt sich die erzählerische Metaebene in der sie aus seiner persönlichen Sicht die Geschichte des jüdischen Volkes mit gelehrsamer Präzision wieder geben. Damit schafft der Autor das historisch / zeitgeschichtliche Fundament für das Verständnis der späteren Kritik an der modernen Politik Israels. Die Ebenen wechseln immer wieder zwischen Geschichtsstunde und persönlichen Berichten aus der Biografie von Pekars eigener Familie, die als amerikanische Juden eine etwas distanzierte, man könnte fast sagen romantisierte Ansicht von Israel vertraten und an ihren Sohn weiter getragen haben, was sich sehr trefflich im englischen Originaltitel "Not the Israel My Parents Promised Me" wiederspiegelt.
Harvey selbst lebte Zeit seines Lebens in den Vereinigten Staaten und ist eigenen Angaben nach niemals selbst in Israel oder der Nahost Region gewesen, was sich auf die Ausarbeitung seiner Kritik an Israel im Verlauf der Graphic Novel in der Form bemerkbar macht, dass die Sichtweise hier eine dedizierte ist, die in weiten Teilen nicht von der persönlichen Erfahrung geprägt wurde in einer seit vielen Jahrzehnten umkämpften und unter dem steten Gefühl der Bedrohung oder des Terrorismus aufgewachsen zu sein. Es geht in der Kritik daher in keiner Weise um die Existenz des Staates Israel, die in ihrer Notwenigkeit zu keiner Zeit zur Disposition gestellt wird. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung des amerikanischen Juden Harvey Pekar mit der innerisraelischen Politik der letzen Jahrzehnte bei der er aber bewusst drauf verzichtet eine spezielle Konfliktpartei positiv oder negativ in den Mittelpunkt zu stellen, sondern entscheidet sich für einen grenzübergreifenden Appell an den Humanismus im Allgemeinen.
Harvey Pekar versucht mit seinem langjährigen Freund JT Waldman in „Ein anderes Israel“ durch das Teilen seiner eigenen Geschichte und der Aufarbeitung seiner Ansichten zu einer kritischen Auseinandersetzung und Reflexion anzuregen. Das gelingt der Graphic Novel mit einer visuell überzeugenden Vielfalt und ihren informativen, geschichtlichen Fakten auf sehr unterhaltsame Weise.