Es ist der Herbst des Jahres 1908, viele Jahre bevor die stets expandierende Metropole Paris ihren ländlichen Außenbezirk zum heute wohlbekannten 18. Pariser Arrondissement - Montmartre erklärte. Eine Gegend die sich vom Umbruch und den Entwicklungen jener Zeit der Industrialisierung bedroht sieht und zugleich noch Zufluchtsort für all diejenigen ist, die es im Leben nicht so leicht gehabt haben. Hier leben die Ärmsten der Armen und unter ihnen die Straßenkinder von Montmartre.
Jeder versuchte zu dieser Zeit über die Runden zu kommen erzählt uns Jean, der Sohn des überehrgeizigen Bauunternehmers Leon Noblard, der mit seinen eigenen Träumen von Ruhm und Berühmtheit in seinem Jungen nichts anderes sieht, als einen Nichtsnutz. Jean wäre gerne ein Künstler, genauer gesagt Maler, geworden aber das kam für seinen Vater keinesfalls in Frage, weswegen das Einzelkind in die Fußstapfen seines alten Herren treten soll. Hierbei gerät er an einen Bande von Straßenkindern, die in dem „Spießersohn“ eine Möglichkeit sehen, sich ein bisschen Lösegeld von dessen reichen Vater zu erpressen. Doch schnell stellen sie fest, dass Jeans Vater nicht grade viel Interesse an seinem eigen Fleisch und Blut zu haben scheint und auch der junge Jean selbst erkennt in der neuen Gruppe eine Möglichkeit aus dem bürgerlichen Leben zu entfliehen.
Gekleidet in farblich passend abgestimmte Aquarellzeichnungen führt uns Patrick Prugne durch das Montmartre des noch jungen Jahrhunderts, welches bereits die schrecklichen Vorzeichen von Krieg und Industrialisierung erkennen lässt. Dabei orientiert sich der Künstler nah an der damaligen Wirklichkeit und nimmt für viele seine Skizzen und Zeichnungen, die wenigen Fotografien jener Tage als Vorlage, um dieses besondere Montmartre zwischen Hoffnung auf etwas Besseres und dem Elend von Misshandlung und Armut eine kraftvolle Authentizität zu verleihen. Diese gegensätzlich scheinenden Motive finden sich auch in seiner Darstellung der Straßenkinder wieder, die meist aus sehr schwierigen häuslichen Verhältnissen entfliehen um in der Gruppe, trotz des rauen Umgangstones, etwas wie Gemeinschaft und Zusammenhalt erfahren zu können. Einen besonderen Stellenwert innerhalb der Geschichte erhält der Zeichnern Francisque Poulbot (1879-1946), der durch seine berühmten Darstellungen der Straßenkinder von Montmartre ein direktes Erbe der Figur des Jungen Gavroch aus Victor Hugos „Les Misèrable“ antritt. Er gab den Kindern jener Tage seinen eigenen Namen und so wurden sie fortan als „Poulbots“ bezeichnet, was im Übrigen auch der französische Originaltitel dieser Graphic Novel ist.
Ergänzt wird der großformatige Hardcover-Band durch eine fast 20-seitigen Skizzenanhang, der den Notizbüchern Patrick Prugnes entnommen wurde und der neben vielen Zeichnungen auch einige Fotografien umfasst.
Prugne gelingt es der trostlosen Melancholie dieser Zeit mit schillernden Aquarelltönen etwas hoffnungsvolles Leben einzuhauchen und erlangt einen bittersüßen Einblick in die Leben der „Poulbot“ in die Zeit vor den großen Weltkriegen, in der auch zehntausende Kinder ihr Leben lassen sollten.