Mittwoch, 20. März 2019

The Devil's Backbone (2001) [Wicked Vision]


The Devil's Backbone (2001) [Wicked Vision]

Nachdem sein Vater im spanischen Bürgerkrieg stirbt, wird Carlos (Fernando Tielve) von seinem Lehrer in ein versteckt abgelegenes Waisenhaus gebracht. Geführt wird das Waisenhaus von der Rektorin Carmen (Marisa Paredes) und dem alten Doktor Casares (Federico Luppi). Die beiden versuchen das Beste, damit Carlos sich wohl fühlt, auch wenn es an Essen und dem Nötigsten fehlt. Größer ist jedoch die Angst, die Faschist*innen könnten erfahren, dass in dem Waisenhaus die Kinder linker Eltern versteckt werden. Im Haus lebt und arbeitet auch Jaciento (Eduardo Noriega), der sie jederzeit Verraten könnte. Carlos hat jedoch vor allem mit den anderen Kindern zu kämpfen, die ihn zuerst gar nicht leiden können, schlimmer ist nur noch das unerklärliche Seufzen, dass in dem Gemäuer nachts ertönt.

Als ich 14 war, erschien mit „Blade II“ (2002) Guillermo del Toros Fortsetzung zu einer der ersten Comicverfilmungen, die mir gefallen konnte. Als auf diesen Film dann auch noch ein „Hellboy“ (2004) Film folgen sollte, war klar, dass dieser Guillermo del Toro ein dufter Typ sein muss. Seitdem habe ich alles gesehen, was er bisher gefilmt hat, jedenfalls abgesehen von seinen frühen Kurzfilmen und eben „The Devil's Backbone“. Letzteren konnte ich nun endlich nachholen.

The Devil's Backbone“ spielt im Spanien des Jahres 1939. Unterstützt von italienischen und deutschen Faschist*innen, stehen Francos Truppen kurz vor dem endgültigen Sieg über die linken Kräfte der spanischen Republik. Während del Toro ein paar Jahre später mit „Pans Labyrinth“ (2006) Spanien also kurz nach der Machtergreifung der Franquist*innen zeigte, spielt dieser Film – als inoffizielle Vorgeschichte dazu – während der letzten Tage des Bürgerkriegs. Generell ist „Pans Labyrinth“ ein guter Referenzpunkt um „The Devil's Backbone“ zu beschreiben. Schließlich beschreibt del Toro die beiden Filme nicht nur als seine liebsten Werke, sondern auch als Geschwisterfilme, die sich gegenseitig komplementieren.

Während in „Pans Labyrinth“ eine düstere Märchenstimmung vorherrscht, ist „The Devil's Backbone“ ein Cocktail mit noch mehr Zutaten. Im Mittelpunkt steht ein Kriegsdrama, das sich um das Schicksal einiger Waisenjungs dreht. Hinzu kommen jedoch auch noch Gothichorror und leichte Westernelemente hinzu. Klingt im ersten Moment etwas sehr wild durcheinander gemischt, funktioniert hier aber wunderbar.

Von der ersten Sekunde an macht sich sogleich die Stärke der Kameraarbeit bemerkbar. Die Landschaft wird wunderschön in Szene gesetzt, jedoch nicht ohne gleichzeitig auch die Brutalität der heißen, kargen und bergigen Landschaft zu offenbaren. Selbst in den Szenen mit den Kindern kann die Dynamik beibehalten werden, nicht einfach gerade wenn man mit unerfahrenen Schauspielern wie den kleinen Jungs dreht. Wunderbar ist auch, dass del Toro den Jungs mit der Kamera stets auf Augenhöhe begegnet. Somit nehmen wir erstens die Kinder als vollwertige und gleichberechtigte Charaktere war und erleben zweitens die grausamen Geschehnisse des Krieges aus der Sicht eines Kindes. Dabei ist es gerade diese feine Mischung aus einfühlsamer Erzählung und dennoch drastischer Darstellung des Grauens, was del Toros Handschrift so einzigartig macht. Hier trifft Drama, teils auch mit viel Pathos auf grausame Gewalt und beides bekommt etwas schmerzlich süßes durch die einfließende Schauerromantik und etwas Märchenhaftes und wird am Ende doch durch Bezüge zu realen politischen Ereignissen wieder entzaubert. Alles, was del Toro einige Jahre später in „Pans Labyrinth“ perfektionieren konnte, hat hier seinen Anfang gefunden, wirkt aber noch sehr viel rauer, was je nach Geschmack sicherlich positiv oder negativ aufgefasst werden kann.

Darstellerisch gibt es hier nichts zu kritisieren. Die Kinder machen ihren Job sehr gut. Vor allem Fernando Tielve (Eryka's Eyes, 2014) und Íñigo Garcés (Los lobos de Washington, 1999) machen ihre Sache toll. Meine absoluten Highlights sind allerdings Federico Luppi (Cronos, 1993) und Marisa Paredes (Die Haut, in der ich wohne, 2011). Es ist schade, wie selten ältere Schauspieler*innen spannende Liebesbeziehungen darstellen dürfen, so spannend wie ihre hier. Beide strahlen durch ihr Alter eine gewisse Autorität aus, gleichzeitig sind es gebrochene Menschen. Sie haben den politischen Kampf gegen den Faschismus verloren und wissen es. Ihre letzte Art der Rebellion ist es, sich um verlorene Kinder zu kümmern und auch das scheint ihnen nicht mehr zu gelingen. Die Umstände haben sie zu Menschen gemacht, die essentielles verloren haben. Dies ist offen sichtbar: Carmen fehlt ein Bein und Dr. Casares ist impotent, aber ihr Kampf hat auch zwischenmenschlich Dinge zerstört, wie in jeder gemeinsamen Szene der beiden offensichtlich wird. Beide Figuren werden als stark und zerbrechlich zugleich dargestellt und ihre Schwächen sind in diesem Fall nichts, woraus sie sich befreien können. Ein wenig Realismus, der in Filmen Zugunste der Charakterentwicklung oftmals geopfert wird. Einen ebenso guten Job macht Eduardo Noriega (Faszination des Grauens, 1996), der die Rolle des Faschisten mit viel Tiefe und Nuancen füllt. Jacinto ist ist ohne Frage der Böse der Geschichte und für alle eine ungemein größere Gefahr als der Geist – im Übrigen auch ein typisches del Toro Motiv: Das Monster ist meist ein*e Verbündete*r, während die wahre Gefahr von eher unauffälligen Menschen kommt, die einer totalitären Ideologie folgen. Anstatt ihn jedoch als plumpen, dummen Faschisten darzustellen, macht die Figur sehr deutlich, das dass Böse nicht immer so leicht als solches zu erkennen ist.

Bei den Spezialeffekten übt del Toro sich hier ein wenig in Zurückhaltung. Das Geistermake-up besteht vor allem aus handgemachter Maske und wird nur um einige dezente Computereffekte ergänzt. Hinzu kommen ein paar wenige CGI Details, die aber nie als solche auffallen. Die blutigen Szenen sind sehr gut gemacht und wirken teils erschreckend realistisch. Die Gewalt bekommt aber bis zum Ende hin nie etwas exploitatives und wirkt so selbst in Momenten, in denen sie es in anderen Filmen wäre, nie zur Belustigung oder Befriedigung niederer Gefühle.

Del Toro zeigt mit „The Devil's Backbone“ sehr eindringlich wie das Genre des klassischen Gruselfilms es auch in der heutigen Zeit noch schaffen kann modern zu bleiben. Durch reale politische Bezüge bringt er die Geschichte auf eine höhere Ebene und fügt dem Schauer wirklichen Horror und ein politisches Bewusstsein hinzu. Somit wird dieser Film in der Lage sein, noch viele Jahrzehnte zu überleben ohne dabei zu sehr zu altern. Zwar kommt der Film gerade wegen seines etwas antiklimatischen dritten Aktes und ein paar nicht ganz zu Ende gedachten Details nicht an sein späteres Werk „Pans Labyrinth“ heran, doch wem das Labyrinth gefiel, wird auch an diesem Film sehr viel Freude und einen bewegenden Abend haben. In jedem Fall einer der gewichtigsten phantastischen Filme der 2000er Jahre.

Wie von Wicked Vision gewohnt, bekommt ihr den Film in einem wunderschönen, limitierten Mediabook. Dieses enthält den Film samt des Bonusmaterials auf einer Blu-ray Disc und selbiges getrennt auf zwei DVDs. Dazu bekommt ihr noch ein 24-seitiges, von Tobias Hohmann geschriebenes Booklet. Darin beschreibt er Guillermo del Toros Karriere bis zum Dreh von „The Devil's Backbone“. Diese Veröffentlichung enthält gleich zwei Audiokommentare. Einen englischen mit Regisseur Guillermo del Toro und einen deutschsprachigen mit Prof. Dr. Stiglegger & Dr. Kai Naumann. Außerdem kommt der Film mit einem Vorwort von del Toro, einigen geschnittenen Szenen (diese gibt es auch mit einem del Toro Kommentar), mehrere Making-of-Dokumentationen, Featurettes zu den Specialeffects und den Storyboards, sowie Bildergalerien, Trailer und Teaser.

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