Hammer
House of Horror (1980) [Wicked Vision]
Eure
romantischen Flitterwochen auf dem Land werden von hungrigen
Werwölf*innen versaut? Eine Voodoopuppe versucht euch und euren
liebsten den Gar auszumachen? Vielleicht erlebt ihr auch Makaberes in
der Diät-Klinik und Peter Cushing versucht euch einzusperren wie
einen Puma? Wenn dem so ist, habt ihr entweder einen wirklich
schlechten Tag, oder ihr habt die Tore des „Hammer House of Horror“
betreten. Ein Ort wo das Böse überall auf euch lauert, nichts ist
so wie es scheint und selbst eure Träume richten sich gegen euch.
Das
Gruselkino aus den Hammerstudios wurde 1975 mit „Die Braut des
Satans“ Zugrabe getragen. Nur drei Jahre später erschien mit
„Tödliche Botschaft“ der letzte Spielfilm des Studios. Zum Glück
war das aber nicht das Ende für das altehrwürdige Studio. Zwei der
Hammer Urgesteine Brian Lawrence und Roy Skeggs (Captain Kronos –Vampirjäger, 1974) belebten Hammer 1980 durch eine 13-teilige
Horroranthologien Serie fürs Fernsehen wieder. Jede der zirka
50-Minuten langen Folgen behandelt ein anderes unheimliches Thema,
wobei von satanistischen Kulten, Werwölfen, Voodoo bis hin zu
Serienkillern und bösen Wissenschaftlern alles dabei ist, was das
Horrorherz begehrt. Ein kleiner Wehrmutstropfen ist, dass alle Folgen
in der heutigen Zeit spielen. Klassischer Gothic-Horror wird hier
daher leider nicht geboten, auch wenn einige Episoden durchaus
Anleihen aus klassischen Stoffen wie Frankenstein und Dracula
aufweisen können. Schuld hierfür trägt sicherlich das schmale
Budget, mit dem Hammer hier für den britischen TV-Sender ITV
produziert hat. Die Geldprobleme machen sich vor allem dann bemerkbar, wenn man ein paar der Episoden gesehen hat und mittlerweile alle
Drehorte wiedererkennt. Als Hauptquartier wählte Skeggs Hampden
House, ein in Great Hampden gelegenes, ehemaliges Mädcheninternat.
Das Intro und Teile vieler Episoden wurden dort gedreht, oftmals
einfach nur mit anderen Kameraperspektiven um die wiederholten Orte
zu kaschieren. Der Rest wurde in der Umgebung und einigen
naheliegenden Häusern und Orten gedreht.
In
jedem Fall eine intelligente Art um Kosten zu sparen, für manche
aber ein Störfaktor, immer die selben Drehorte wieder zu erkennen.
Ich selbst habe bei den wiederkehrenden Kulissen eher ein wohliges
Gefühl. Dadurch wird aus der Serie eine kleine Welt, deren Orte und
Umgebung man im Verlauf immer besser kennenlernt. Mir gefällt auch, das Gefühl zu haben, dass all die schrecklichen Dinge in der gleichen
Gegend geschehen. Das Gefühl macht alles noch etwas gruseliger. Und
außerdem erinnert es an die goldenen Zeiten des Hammerstudios, als
die schönen Studiokulissen zum Beispiel sowohl für „Blut für
Dracula“ (1966) und dann im Anschluss auch für „Rasputin - Der wahnsinnige Mönch (1966)“ genutzt wurden.
Das
modernere Herangehen macht sich nicht nur durch die kontemporären
Erzählungen bemerkbar, sondern auch durch den Umgang mit Sex und
Gewalt. Beides setzen die Macher*innen hier sehr bewusst und vor
allem viel freizügiger ein als in ihren vorhergegangenen Filmen. Ein
paar der Folgen verlieren dadurch etwas an Charme und verwirken mit
der plakativen Machart ein wenig an Atmosphäre, letztlich kann man
dem Studio in seinen sehr schweren Zeiten wohl nicht zu sehr
vorwerfen, dass sie sich ein wenig an die moderner Horrorwelle
annähern wollten. Für die blutigen Effekte war hier Ian Scoones
(Der Fluch der Mumie, 1966) zuständig. Scoones war zuvor viele Jahre
als Assistent von Les Bowie (Frankensteins Höllenmonster, 1974),
einem der wichtigsten Effektmänner bei Hammer. Einige der tollen
Effekte hier sind ein sehr putziger Werwolf, leider ohne
Transformationssequenz, einige Aufnahmen in der Autopsy und so
mancher blutiger Mord. Auch wenn es zum Großteil keine
atemberaubenden Effektarbeiten sind, so sind die meisten schon
glaubhaft und vor allem fürs Fernsehen Anfang der 80er recht deftig.
So kam es unter anderem auch, dass die letzte Episode „The Mark of
Satan“ in den USA gar nicht und in Deutschland nur geschnitten
lief. Zudem fehlen in einigen Folgen der deutschen Ausstrahlung
einige Szenen. Es wurden jedoch nicht nur Gewaltszenen entfernt oder
gekürzt, sondern zum Teil auch recht wichtige Handlungsszenen
entfernt. In diesem Mediabook ist aber natürlich die ungeschnittene
Fassung der Serie enthalten. Geschnittene Szenen sind im O-Ton und
werden untertitelt.
Mit
„The silent Scream“ und „The two Faces of Evil“ hat Regisseur
Alan Gibson (Dracula jagt Mini-Mädchen, 1972) gleich zwei der meist
gefeierten Episoden der Serie realisiert. Erstere ist ein
ungewöhnliches Kammerspiel in dem Peter Cushing (Die Bande des Captain Clegg, 1962) seine Opfer auf ungewöhnliche Weise zum
Gehorsam konditionieren möchte. Neben Cushing sind hier auch noch
ein bestens trainierter Puma und Brian Cox in den weiteren
Hauptrollen zu sehen. Cox gelangte später noch zu größerer
Bekanntschaft in der Rolle als Dr. Hannibal Lecktor in „Blutmond“
(1986) von Michael Mann und ist bis heute immer wieder in großen
Hollywoodproduktionen wie X-Men 2 (2003) zu sehen. In der anderen
Folge ist Philip Latham zu sehen, der Hammer Fans aus „Blut für
Dracula“ (1965) bekannt sein sollte. Kurios ist vielleicht auch
noch der kurze Auftritt des noch jungen Pierce Brosnan (GoldenEye,
1995), als ekliger Macho, der auch sogleich von einer Serienkillerin
erdolcht wird. Insgesamt sind es aber eher die Menschen hinter der
Kamera und hinter den Kulissen, die wir schon aus anderen Hammer
Produktionen kennen. Neben bekannten Autoren und Regisseuren und der
hauseigenen Effektcrew, stammen auch die Musiken von einem Bekannten,
Philip Martell (Comtesse des Grauens, 1971).
Größter
Schwachpunkt der Serie sind sicherlich die Drehbücher. Jede Folge
verspürt das zwingende Bedürfnis, am Ende mit einem mehr oder
weniger erzwungenen Twist daher zu kommen. Mal ist der Twist den
Zuschauer*innen schon lange vor dem Finale bekannt (The 13th
Reuinion), mal geht es nach einer relativ gelungenen überraschenden
Wende noch viel zu lang weiter (The Mark of Satan). Was aber die
meisten Folgen in diesem Punkt miteinander gemein haben, ist, dass das
Drehbuch sich oftmals zu diesen Wendepunkten hinschlängelt und dabei
die eigentlichen Höhepunkte zu wenig beachtet und sich zugleich in
Widersprüchlichkeiten oder frappierenden Ungereimtheiten
verstricken. Das stößt manchmal etwas sauer auf, stört wirklich
negativ aber insgesamt nur in 2-3 Folgen. Großes Horrorkino darf
hier zwar nicht erwartet werden, dafür aber eine, für ihre Mittel
handwerklich sehr gute Serie, die vor allem dank einiger schrulliger
Ideen und ungewöhnlichen Plotentwicklungen nicht in Vergessenheit
geraten wird. Ich fühlte mich jedenfalls durchgängig gut
unterhalten und das auch bei den Folgen der Serie, die eher etwas
schwächer geraten sind, und da die Serie damals auf 35mm gefilmt
wurde, sieht sie auch heute noch, ganz im Gegenteil zu den meisten
anderen britischen TV-Serien dieser Zeit, auch in HD wunderschön
aus.
Wicked
Vision hat die gesamte Serie auf drei Blu-ray Discs in einem, wie
gewohnt, hochwertigen Mediabook auf den Markt gebracht. Neben den 13
Folgen beinhaltet die Veröffentlichung auch einige kleinere und
größere Extras. Die Folge „Wächter des Höllenschlunds“ ist
auch in Widescreen und nicht wie der Rest nur in 4:3 anwählbar. Dazu
gibt es noch eine umfangreiche Bildergalerie, Archivaufnahmen zu der
Folge „Alptraum ohne Ende", sowie die Einblender für die
Werbepausen. Zusätzlich gibt es noch ein wirklich dickes Extra,
nämlich die gesamte Hammer Dokumentation „Flesh & Blood: The
Hammer Heritage of Horror“ aus dem Jahre 1994 in der 156-minütigen
Extended-Version. Die Doku deckt ausführlich alle Schaffensphasen des Studios ab und wird von keinen anderen als Peter Cushing und Christopher Lee narratiert. Gleichermaßen kommen sehr viele Mitglieder der Hammerfamilie zu Wort. Eine ausführliche und sehr intime Betrachtung von Hammer. Natürlich bekommt ihr auch ein Booklet. Es umfasst
24 Seiten und wurde von Uwe Huber geschrieben. Neben einer kleinen
Einleitung beinhaltet es auch einen Episodenguide.
7,9
von 10 bissige Kinder