Sonntag, 14. April 2019

Die Verfluchten (1960) [Wicked Vision]


Die Verfluchten (1960) [Wicked Vision]

Nach langem Ritt durch totes Land erreicht Philip Winthrop (Mark Damon) das Anwesen der Usher Familie. Voller Begierde beichtet er dem Diener Bristol (Harry Ellerbe), er sei da, um seine Verlobte Madeline Usher (Myrna Fahey) zu holen und sie mit sich in die Stadt zu bringen. Dagegen hat ihr Bruder Roderick (Vincent Price) aber etwas. Der fahle, kränkliche und hypersensitive Mann berichtet ihm von dem Fluch der Ushers, dieser soll ihn davor abschrecken Madeline mit sich zu nehmen. Als er sich von diesem Vorhaben jedoch nicht abbringen lässt, verstirbt die junge Frau plötzlich. Nun setzt der trauernde Winthrop alles daran, die Wahrheit des Hause Usher ans Licht zu bringen.

Natürlich gab es auch schon vor Roger Corman (Weißer Terror, 1962) so manche Verfilmung der Kurzgeschichten und Gedichte Edgar Allan Poes. Allein bis 1950 wurden Poes Werke über 50 Mal verfilmt. Kein Wunder, denn Filmschaffende können guten (Grusel-) Geschichten, die zudem noch Public Domain sind, nie widerstehen. Doch erst durch Cormans Poe Zyklus  bestehend aus den American International Pictures (AIP) Produktionen „Die Verfluchten“ (1960), „Das Pendel des Todes“ (1961), „Lebendig begraben“ (1962), „Der grauenvolle Mr. X“ (1962), „Der Rabe - Duell der Zauberer“ (1963), „Satanas - Das Schloss der blutigen Bestie“ (1964) & „Das Grab der Lygeia“ (1964)  wurden diese Verfilmungen auf ein neues Level gebracht. Zwar gab es auch schon zuvor Verfilmungen, die gut alterten, wie zum Beispiel Edgar G. Ulmers „Die schwarze Katze“ (1934) mit Boris Karloff und Bela Lugosi in den Hauptrollen. Leider hielten diese Filme sich nur selten an die Vorlage.

Mit „Die Verfluchten“ legte Corman dann aber eine Poe Verfilmung vor, die alles vorweisen konnte: Eine Verfilmung der Vorlage, die so nahe an Poes Erzählung war, wie es bei solch einem Stoff möglich ist, schöne Sets, stimmige Kostüme, eine dichte (sehr neblige) Atmosphäre und mit Vincent Price einen Horrorstar, der den Film durch sein charismatisches Spiel über einige Strecken allein stemmen kann.

Besonders reizvoll empfinde ich auch heute noch die sehr reduzierte Filmgestaltung. Wo Corman sonst gerne atomare oder auch außerweltliche Monster mit tausenden Augen oder Krebsmonster angreifen lies, verlässt er sich hier auf die Stärken der Geschichte und schafft somit ein dichtes Kammerspiel. Abgesehen von einer Szene, die Corman in den Resten eines Waldbrandes in Hollywood drehen lies – allein das beweist einmal mehr wie erfinderisch Corman war – wurde der Film ausschließlich im Studio gedreht. Auch dort gab es für diesen Film nur wenige Sets. Eine Küche, Gänge, Grabkammer, Speisesaal und einige Schlafzimmer. Mehr braucht dieser Film nicht. Dazu gibt es nicht mehr als vier Sprechrollen. Wunderbar ist es, wie Corman es trotz seines gewohnt niedrigen, wenn diesmal auch etwas höheren Budgets. schafft, die Sets mit Leben zu füllen.

Größter Schwachpunkt des Films ist ohne Frage Mark Damon (Sieben Jungfrauen für den Teufel, 1968), der trotz aller Bemühungen in jeder Szene von Vincent Price (Schrei, wenn der Tingler kommt,1959) an die Wand gespielt wird. Damons Performance wird in der deutschen Fassung jedoch sehr durch die ausgezeichnete Synchronisation durch Eckart Dux, einem fantastischen Synchron- und Hörspielschauspieler gerettet, der mittlerweile auf eine über 50 Jahre haltende Karriere zurückblicken kann. Als Madeline Usher ist die früh verstorbene Myrna Fahey (Zorro, 1958) zu sehen. Zuerst wirkt ihr Spiel etwas zu zurückhaltend, was aber ihre finale Rückkehr umso effektiver erscheinen lässt. Zuletzt wäre da noch Harry Ellerbe (Die Folterkammer des Hexenjägers, 1963), als treuer Diener der Familie. Sein Spiel fügt dieser eigentlich recht passiven Figur ein paar Feinheiten hinzu, die den Charakter sicherlich interessanter wirken lassen, als er im Drehbuch scheint.

Abgesehen von Damon wäre mein einziger Kritikpunkt an diesem, einen von Cormans besten Werken, dass es insgesamt etwas langatmig ist. Das Problem kommt natürlich durch die Umsetzung der Buchvorlage. Poe verliert sich gerne in Beschreibungen und Gedanken, vielen Inhalten, die so nicht im Film umgesetzt werden können. Somit besteht der Film aus Dialogen, gefolgt auf Dialogen, lediglich die Zimmer werden immer durch gewechselt. Auch wenn hier eine der Schwächen des Films liegt, wird dennoch deutlich, dass vor allem Floyd Crosbys (Der Seewolf, 1958) lebendige und agile Kameraarbeit den Film davor bewahrt, ins Stocken zu geraten. Ebenso hält der Score von Les Baxter (Voodoo Child, 1970) die Spannung des Films auch in den etwas langsameren Momenten aufrecht.

Haben sich die Zuschauer*innen dieser Schauermärchens erst einmal damit abgefunden, dass in den Mauern des Hauses Usher kein blutrünstiges Monster haust, steht dem Genuss dieses atmosphärisch dichten Poe Klassikers nichts mehr in Wege. Ein schön arrangierter Grusler, mit Vincent Price als verletzlicher Bösewicht und zudem einer deutschen Synchro, die sogar das schlechte Spiel von Damon kaschieren kann.

Die Verfluchten“ sind nun über Wicked Vision als schönes Mediabook auf DVD und Blu-ray erhältlich. Die erstmals zu hörende, verschollen geglaubte Ouvertüre, lässt diese Version zu der weltweit längsten Fassung des Films werden. Dank der neuen Lichtton Abtastung gehört der dumpfe Ton der alten MGM DVD der Vergangenheit an. Auch das Bild wurde digital überarbeitet und lässt keine Wünsche offen. Erneut kann ein Wicked Vision Release durch viele, teilweise exklusive Extras begeistern. Zuerst ist da das 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Dr. Rolf Giesen. Auf den Discs folgt darauf dann der obligatorische Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann. Ein weiterer Audiokommentar kann sogar mit Roger Corman persönlich aufwarten. Des Weiteren bekommt ihr ein deutsches und ein englisches Vorwort von Victoria Price, der Tochter von Vincent Price, ein knapp einstündiges Interview mit Victoria Price, ein knapp einstündiges Audiointerview mit Vincent Price aus dem Jahre 1988, Interview mit Mark Damon, Intro und Outro von Vincent Price, Originaltrailer und eine Bildergalerie.

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