Die
Verfluchten (1960) [Wicked Vision]
Nach
langem Ritt durch totes Land erreicht Philip Winthrop (Mark Damon)
das Anwesen der Usher Familie. Voller Begierde beichtet er dem Diener
Bristol (Harry Ellerbe), er sei da, um seine Verlobte Madeline Usher
(Myrna Fahey) zu holen und sie mit sich in die Stadt zu bringen.
Dagegen hat ihr Bruder Roderick (Vincent Price) aber etwas. Der
fahle, kränkliche und hypersensitive Mann berichtet ihm von dem
Fluch der Ushers, dieser soll ihn davor abschrecken Madeline mit sich
zu nehmen. Als er sich von diesem Vorhaben jedoch nicht abbringen
lässt, verstirbt die junge Frau plötzlich. Nun setzt der trauernde
Winthrop alles daran, die Wahrheit des Hause Usher ans Licht zu
bringen.
Natürlich
gab es auch schon vor Roger Corman (Weißer Terror, 1962) so manche
Verfilmung der Kurzgeschichten und Gedichte Edgar Allan Poes. Allein
bis 1950 wurden Poes Werke über 50 Mal verfilmt. Kein Wunder, denn
Filmschaffende können guten (Grusel-) Geschichten, die zudem noch
Public Domain sind, nie widerstehen. Doch erst durch Cormans Poe
Zyklus – bestehend aus den American International Pictures (AIP)
Produktionen „Die Verfluchten“ (1960), „Das Pendel des Todes“
(1961), „Lebendig begraben“ (1962), „Der grauenvolle Mr. X“
(1962), „Der Rabe - Duell der Zauberer“ (1963), „Satanas - Das
Schloss der blutigen Bestie“ (1964) & „Das Grab der Lygeia“
(1964) – wurden diese Verfilmungen auf ein neues Level gebracht. Zwar
gab es auch schon zuvor Verfilmungen, die gut alterten, wie zum
Beispiel Edgar G. Ulmers „Die schwarze Katze“ (1934) mit Boris
Karloff und Bela Lugosi in den Hauptrollen. Leider hielten diese
Filme sich nur selten an die Vorlage.
Mit
„Die Verfluchten“ legte Corman dann aber eine Poe Verfilmung vor,
die alles vorweisen konnte: Eine Verfilmung der Vorlage, die so nahe
an Poes Erzählung war, wie es bei solch einem Stoff möglich ist,
schöne Sets, stimmige Kostüme, eine dichte (sehr neblige)
Atmosphäre und mit Vincent Price einen Horrorstar, der den Film
durch sein charismatisches Spiel über einige Strecken allein stemmen
kann.
Besonders
reizvoll empfinde ich auch heute noch die sehr reduzierte
Filmgestaltung. Wo Corman sonst gerne atomare oder auch
außerweltliche Monster mit tausenden Augen oder Krebsmonster
angreifen lies, verlässt er sich hier auf die Stärken der Geschichte
und schafft somit ein dichtes Kammerspiel. Abgesehen von einer Szene,
die Corman in den Resten eines Waldbrandes in Hollywood drehen lies –
allein das beweist einmal mehr wie erfinderisch Corman war – wurde
der Film ausschließlich im Studio gedreht. Auch dort gab es für
diesen Film nur wenige Sets. Eine Küche, Gänge, Grabkammer,
Speisesaal und einige Schlafzimmer. Mehr braucht dieser Film nicht.
Dazu gibt es nicht mehr als vier Sprechrollen. Wunderbar ist es, wie
Corman es trotz seines gewohnt niedrigen, wenn diesmal auch etwas
höheren Budgets. schafft, die Sets mit Leben zu füllen.
Größter
Schwachpunkt des Films ist ohne Frage Mark Damon (Sieben Jungfrauen
für den Teufel, 1968), der trotz aller Bemühungen in jeder Szene
von Vincent Price (Schrei, wenn der Tingler kommt,1959) an die Wand
gespielt wird. Damons Performance wird in der deutschen Fassung
jedoch sehr durch die ausgezeichnete Synchronisation durch Eckart
Dux, einem fantastischen Synchron- und Hörspielschauspieler
gerettet, der mittlerweile auf eine über 50 Jahre haltende Karriere
zurückblicken kann. Als Madeline Usher ist die früh verstorbene
Myrna Fahey (Zorro, 1958) zu sehen. Zuerst wirkt ihr Spiel etwas zu
zurückhaltend, was aber ihre finale Rückkehr umso effektiver
erscheinen lässt. Zuletzt wäre da noch Harry Ellerbe (Die
Folterkammer des Hexenjägers, 1963), als treuer Diener der Familie.
Sein Spiel fügt dieser eigentlich recht passiven Figur ein paar
Feinheiten hinzu, die den Charakter sicherlich interessanter wirken
lassen, als er im Drehbuch scheint.
Abgesehen
von Damon wäre mein einziger Kritikpunkt an diesem, einen von
Cormans besten Werken, dass es insgesamt etwas langatmig ist. Das
Problem kommt natürlich durch die Umsetzung der Buchvorlage. Poe
verliert sich gerne in Beschreibungen und Gedanken, vielen Inhalten,
die so nicht im Film umgesetzt werden können. Somit besteht der Film
aus Dialogen, gefolgt auf Dialogen, lediglich die Zimmer werden immer
durch gewechselt. Auch wenn hier eine der Schwächen des Films liegt,
wird dennoch deutlich, dass vor allem Floyd Crosbys (Der Seewolf,
1958) lebendige und agile Kameraarbeit den Film davor bewahrt, ins Stocken zu geraten. Ebenso hält der Score von Les Baxter (Voodoo Child, 1970) die Spannung des Films auch in den etwas langsameren
Momenten aufrecht.
Haben
sich die Zuschauer*innen dieser Schauermärchens erst einmal damit
abgefunden, dass in den Mauern des Hauses Usher kein blutrünstiges
Monster haust, steht dem Genuss dieses atmosphärisch dichten Poe
Klassikers nichts mehr in Wege. Ein schön arrangierter Grusler, mit
Vincent Price als verletzlicher Bösewicht und zudem einer deutschen
Synchro, die sogar das schlechte Spiel von Damon kaschieren kann.
„Die
Verfluchten“ sind nun über Wicked Vision als schönes Mediabook
auf DVD und Blu-ray erhältlich. Die erstmals zu hörende,
verschollen geglaubte Ouvertüre, lässt diese Version zu der weltweit längsten Fassung des Films werden. Dank der neuen Lichtton
Abtastung gehört der dumpfe Ton der alten MGM DVD der Vergangenheit
an. Auch das Bild wurde digital überarbeitet und lässt keine
Wünsche offen. Erneut kann ein Wicked Vision Release durch viele,
teilweise exklusive Extras begeistern. Zuerst ist da das 24-seitiges
Booklet mit einem Essay von Dr. Rolf Giesen. Auf den Discs folgt
darauf dann der obligatorische Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann. Ein weiterer Audiokommentar kann sogar mit Roger
Corman persönlich aufwarten. Des Weiteren bekommt ihr ein deutsches
und ein englisches Vorwort von Victoria Price, der Tochter von
Vincent Price, ein knapp einstündiges Interview mit Victoria Price,
ein knapp einstündiges Audiointerview mit Vincent Price aus dem
Jahre 1988, Interview mit Mark Damon, Intro und Outro von Vincent
Price, Originaltrailer und eine Bildergalerie.
7
von 10 atmende Häuser