Mittwoch, 17. Februar 2016

Ein Ozean der Liebe (Splitter)

Ein Ozean der Liebe (Splitter)

In einer stürmisch kalten Nacht erwacht der alte Fischersmann in seinem kleinen Haus an der Küste aus dem Schlaf. In morgendlicher Routine bereitet ihm seine geliebte Ehefrau das Frühstück und eine Lunchbox, mit den von ihm so gehassten Sardinen in Öl, für den langen Tag auf See vor. Ein letzter liebevoller Kuss und der Fischer entschwindet in der morgendlichen Dunkelheit Richtung Hafen.

Dort sticht er, begleitet von seinem etwas unerfahrenen Helfer, auf dem betagten Fischerboot „Maria“ in See. Die Ausbeute an diesem Tag ist alles andere als erfreulich für die beiden Seebären und grade bei ihrer entspannten Kaffeepause taucht wie aus dem nichts ein gigantisches Megafangschiff am Bug des witzigen Kutters auf. Alle Manöver und verzweifelten Kommunikationsversuche des alten Fischers schlagen fehl. Durchgeschüttelt und mit halber Schlagseite verfängt sich das Boot in einem der monströsen Fangnetze des Stahlkoloss. In einer letzten heldenhaften Geste überlässt der Kapitän seinem Matrosen die einzige Rettungsinsel und verschwindet im Schlepptau der Fischfängers an Bord der Maria, im Schlepptau der Fischfängers am Horizont.
Des Abends, wie jeden Abend warten die Fischersfrauen auf die Heimkehrer ihrer Männer, doch an diesem Abend wartet die Frau des alten Fischers vergebens auf ihren geliebten Ehemann. Den ganzen Tag und die ganze Nacht verharrt sie am Pier in Trauer und stiller Hoffnung, ihr Mann würde bald doch noch am Horizont erscheinen. Für die beiden Geliebten beginnt eine lange, abenteuerliche Reise um einander wieder zu finden.

So traurig und herzergreifend diese Geschichte nun klingt, so gelingt es den beiden französischen Autoren diese mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu erzählen. Und das gelingt ihnen ohne ein einziges Wort, denn „Ein Ozean der Liebe“ ist eine Graphic Novel, die sich komplett der Ausdruckskraft ihrer Bilder hingibt. Die karikierten Charaktere werden von Zeichner  Grégory Panaccione in einer malerisch, mit Aquarellstiften erweckten, Landschaft platziert die sowohl düstere Traurigkeit als auch Hoffnung ausstrahlt. Auf den teils riesigen über zwei Seiten verlaufenden Panels vermischen sich Bilder von weiten ungebändigten Ozeanen mit den kleinen Details in den Gesichtern der Menschen und ermöglichen eine erstaunliche Immersion in die Gefühlswelten der handelnden Figuren. Die dadurch erzählte Geschichte ist eine von Liebe und Hoffnung aber auch von Angst und Schrecken, da der Autor Wilfrid Lupano die Darstellung des Meeres nutzt um moralisch relevante Themen, wie die Überfischung oder die erschütternde Verschmutzung der Meere, direkt und sehr visuell für den Betrachter erfahrbar zu machen.

Gekleidet ist das künstlerisch wertvolle Buch in einen nicht weniger wertigen Einband, der in seiner Gestaltung jener in der Geschichte selbst häufig auftauchenden Sardinendose ähnelt die der Fischersmann so sehr verabscheut. Auf der Rückseite verziert ein Klappentext den Hardcover-Einband, der auf Grund seiner kreativen Art die nochmals den Humor der Künstler wiederspiegelt, besondere Beachtung verdient. Es handelt sich um eine, zu einer Sardinendose passenden und vollkommen wörtlich zu nehmenden Inhaltsangabe des Buches (der Dose) in der die Zutaten der Handlung  zusammen mit ihrem Abtropfgewicht dargestellt werden.

„Ein Ozean der Liebe“ schafft es mit reiner Bildsprache viele moralische Probleme und menschliche Gefühle zu benennen für die so mancher nicht mal die Worte finden würde.


8.9 von 10  Sardines à l'huile