Gänsehaut, Schaudern, Abwehr und jede Menge Ungewissheit. Franz Kafkas „Die Verwandlung“ erschien erstmals in Buchform im Dezember des Jahres 1915 und zählt in der heutigen Zeit zu einem der bedeutendsten Werke der Weltliteratur, so gut wie jeder Schüler ist in seinem Leben mindestens einmal mit den Werken des gebürtigen Pragers (damals noch Österreich-Ungarn) konfrontiert worden. Kafkas Hang zur Vermischung von Realismus und Surrealismus in einem zu meist düsteren unter ständiger Bedrohung leidenden Umfeld, brachte dieser besonderen Art der Darstellung die Bezeichnung – kafkaesk ein.
Eines Morgens erwacht der Handlungsreisende Gregor Samsa aus dem Schlaf um eine schreckliche Feststellung zu machen, er ist eine Schabe. Seine eigene Familie und seine Kollegen reagieren mit Abscheu. Getrieben durch diese Ablehnungen zieht sich Gregor in seine Kammer zurück in der er sich versteckt. Innerlich noch immer der Selbe junge Mann der er einst war wandeln sich seine Triebe immer mehr zum tierischen hin. Die Familie sieht sich einer zu großen Belastung durch dieses „Ding“ ausgesetzt, als das sie in ihrer ohnehin ärmlichen Lage, einen anderen Ausweg fänden. So kommt es wie es kommen muss.
Der französische Graphic-Novel-Autor Eric Corebeyran und der Comiczeichner Richard Horne haben die alptraumartige Welt von die Verwandlung, als Graphic Novel neu interpretiert. Literatur dieser Größenordnung in ein visuelles Medium, sei es Film oder Comic, zu verpacken birgt große Risiken, können doch wichtige Elemente durch den Transfer verloren gehen oder gar Bedeutungen verquer dargestellt werden. Den Künstlern ist es hierbei allerdings gelungen durch eine sehr große Nähe zum Originaltext eine Ergänzung zur Novelle zu schaffen, die großen Respekt vor ihrer Vorlage wahrt. Die melancholischen Zeichnungen in düsteren Farben und die starke Überschattierung schaffen es meiner Meinung nach wirklich, kafkaesk zu wirken und geben dem Text eine zusätzliche Dimension.
Die Deutung der Botschaft ist bei einem derart literarischen Text eine mehr als anspruchsvolle Aufgabe, hat doch jeder Rezensent von Max Brod (religiöse Sicht) bis Vladimir Nabokov seinen ganz eigenen Blick auf die tiefere Bedeutung von Kafkas Worten. Ich persönlich bin ein Anhänger, des psychologischen Ansatzes, da ich mich selbst mehr in den Geisteswissenschaften ansiedele. So ist für mich die Verwandlung, die Projektion der gequälten vom übermächtigen Vaterbild unterdrückten Seele Kafkas in ein tierisches Motiv, welches auf Grund seiner Andersartigkeit so abgestoßen wird, wie Kafkas Hang zur Literatur von seiner eigenen Familie. Viel wichtiger ist allerdings und so sehe zumindest ich die Sache, dass jeder für sich ganz persönlich aus dem Fundus eigener Erfahrungen und Emotionen sein ganz privates Bild davon erschaffen kann, was die Verwandlung ist und genau darin liegt die Brillanz dieses Werkes.
Eine wirklich werkstreue Adapation eines großen Klassikers der „hohen“ Literatur in sanfter Symbiose mit dem modernen Medium Comic. Ein klares Muss für alle Kafkaliebhaber und jene, die es noch werden wollen.
9.1 von 10 missverstandene Wesen
Als kleiner Service hier das mittlerweile durch das "Project Gutenberg" kostenlos angebotene eBook zu die Verwandlung: Project Gutenberg