Das Kastell (Festa)
Wehrmachtskommandant Wörmann bezieht mit seinen Soldaten in einem verlassenen Bollwerk Stellung, das von den einheimischen Rumänen nur „das Kastell“ genannt wird. Anscheinend gibt es keine verlässlichen Informationen darüber, wer er erschaffen hat und wann und zu welchem Zweck. Es geht das Gerücht herum, dass es im Mittelalter im Auftrag eines Papstes erbaut wurde, um einen Schatz zu verstecken. Die Vermutung scheint gar nicht so weit hergeholt, sind in die Mauern des Kastells doch Unmengen an gold und silbern schimmernder Kreuze eingelassen. Nur sind die Kreuze eigenartig verzerrt. Als in den ersten Nächten die ersten Soldaten sterben – ihre Kehlen wurden zerfetzt und ihre Körper des Blutes erleichtert, sendet Wörmann ein Telegramm an das Oberkommando: „Erbitte Befehl zum sofortigen Standortwechsel. ETWAS ermordet meine Männer“.
Die Antwort ist allerdings kein Befehl zum Abrücken, sondern ein SS-Sturmbannführer, der auf seiner Durchreise – er soll den Rumänen beim Bau eines Konzentrationslagers helfen – den Dingen auf den Grund gehen soll. Seiner Vermutung nach kann es sich nur um Partisanen handeln und mit denen weiß er umzugehen. Leider muss er schon recht schnell feststellen, dass auch er bei diesem unbekannten Gegner an seine Grenzen stößt. So zwingen die Deutschen einen Professor, der ein Experte bezüglich der Feste und zu allem Überfluss auch noch Jude ist, inklusive jungfräulicher Pflegerin/Tochter in das Kastell zu kommen. Und dann ist da auch noch ein geheimnisvoller rothaariger Hüne...
Nicht schlecht. Das Buch ist wirklich ein Wechselbad der Gefühle. Ich weiß noch gar nicht so recht, wo ich am Ende des Reviews stehen werde. Ich bin selber gespannt, wie ich das Buch letztendlich empfunden habe. Denn, das muss ich gestehen, ich habe mehrmals mit dem Gedanken gespielt, dem Chef zu sagen, dass ich das Buch nicht mehr lesen will.
Woran lag das? Zum einen muss man festhalten, dass F. Paul Wilson wirklich großartig schreibt, wenn es z.B. um die Unheimlichkeit des Kastells oder das Wegnaschen der Nazis geht. Das wird alles sehr eindringlich erzählt und erzeugt eine wohlig gruselige Stimmung. Zum anderen allerdings sind die Charaktere zu Beginn wirklich flach und brauchen extrem viel Zeit, um ein wenig an Tiefe zu gewinnen. Da hilft es dann auch nicht, jeden einzelnen Gedanken – sei er noch so offensichtlich – äußerst theatralisch vorzubringen und so zu formulieren, dass es derart hölzern und bemüht klingt, dass ich mich an vielen Stellen, ohne Scheiß, an Helge Schneider erinnert fühlte. Das hat mich wirklich hart angenervt. Ich mag es, wenn Sprache in ihrer Gänze genutzt wird und nicht immer wieder die gleichen Phrasen verwendet werden. Aber hier ist es halt so, dass versucht wurde, Sachverhalte treffsicher zu beschreiben, dabei aber der Lesefluss unterbrochen und ich Schwierigkeiten bekam, das Buch ernstzunehmen. Ob dies ein Problem der Übersetzung ist, kann ich nicht sagen, das Original lag mir bisher nicht vor.
Naja. Als ich die 200-Seiten-Marke endlich durchbrochen hatte, nahm die Geschichte so an Fahrt auf, dass meine bisherigen Differenzen mit dem Werk in den Hintergrund traten. Es wurde sich langsam aber sicher von den Standards gelöst und wurde nur noch durch eine etwas übertriebene Passage unterbochen, in der die jungfräuliche Tochter das erste Mal vom rothaarigen Hünen in die Welt der fleischlichen Liebe eingeführt wird...und sofort von ewiger Liebe spricht und bla – das hätte auch durchaus aus einem Groschenroman für sexuell unterversorgte Hausfrauen stammen können. Was noch als recht seichtes Nazischnetzeln anfängt, liebkost eine Weile ganz offensichtlich und gewollt „Dracula“ und fängt dann an vieles durcheinanderzumischen und einen Kampf zwischen Gut (oder auch nicht ganz so Böse) und Böse heraufzubeschwören.
Schön ist auch, dass zwischendurch – wirklich nur für sehr kurze Momente – mal der sonst herrschenden Theatralik der Rücken gekehrt wird und ein sehr dunkler Humor zu Tage tritt. Wenn z.B. der „Vampir“ Rasalom den Professor davon überzeugen will, dass der Rothaarige einer von den Bösen ist und vernichtet werden muss. Er redet ihm im Prinzip den gleichen Müll ein, den die Nazis auch über die Juden sagten – dass der Rothaarige zu einem Geheimbund gehört, der hinter allem Schlechten steckt, was ihm und den anderen Juden passiert ist oder passieren wird; dass dieser Geheimbund sozusagen dafür verantwortlich ist, dass jemand wie Hitler an Macht gelangen konnte. Der Professor glaubt ihm. Vielleicht eine kleine Verbeugung vor der Niedertracht des Menschen, die ganz unabhängig von Religion, Nation oder anderen Abgrenzungswerkzeugen zum Vorschein gebracht werden kann.
Hm. Ich glaube, ich mag das Buch im Grunde meines Herzens, auch wenn die erste Hälfte für mich echt anstrengend war. Zuerst konnte ich mir auch nicht vorstellen, warum jemand Interesse gehabt haben sollte, dieses Material zu verfilmen. Aber im Nachhinein denke ich mir, dass es fast schon dazu einlädt. Ein Review zum Film „Die unheimliche Macht“ wird folgen.
6,8 von 10 eiskalte Händchen