Vor vielen Jahren durchstreifte ein weit bekannter Krimineller die westliche Wüste. Die Menschen nannten ihn El Topo – Der Maulwurf. Nach einer schrecklichen und vor allem brutalen Odyssee fand er die Heiligkeit und lies sie in sich strömen. Seitdem hat er seinen Colt und sein dunkles Gewand abgelehnt und hilft einer Gruppe Verstoßenen. Doch auch sein Lebenswandel rettet ihn nicht davor, dass ihn seine Vergangenheit einholt. Sein erstgeborener Sohn Kain, den er als Kleinkind in der Wüste zurück lies, hat ihm Rache geschworen. Durch die Macht eines Fluches ist es Kain aber nicht möglich, seinen Vater zu töten und so versucht er stattdessen das Leben seines neugeborenen Halbbruders Abel zu beenden.
El Topo ist mein Lieblingsfilm und hat relativ viel damit zu tun, warum es diesen Blog überhaupt gibt. El Topo ist außerdem wirklich kein einfacher Film. Viel mehr ein Film, der inhaltlich durch seine esoterische und philosophisch schwer zu entschlüsselnde Handlung und Botschaft schwer im Magen liegt und zugleich durch die schonungslose Gewaltdarstellung nicht weniger grummeln im Bauch erzeugt. El Topo ist einer der ambitioniertesten Midnight Movies gewesen, der dadurch schnell den Weg aus den Pornokinos in New York hinein in die Welt der Kunstversteher*innen fand. Regisseur Alejandro Jodorowsky gehört auch zu meinen absoluten Lieblingen unter den Kunstschaffenden und begeistert seit jeher nicht nur als Regisseur und Schauspieler, sondern auch als Autor seiner eigenen Filme sowie immer wieder auch verschiedensten Comics.
Da mir El Topo viel bedeutet, war ich nicht nur erfreut über die Ankündigung, dass Jodorowsky über 45 Jahre später eine Fortsetzung seines Films als Comic plant. Nun erscheint dieser die Tage und ich versuche eine Meinung dazu zu haben. Der Comic kommt im Albumformat daher. Zwischen dem schönen Hardcover Einband befinden sich 68 Comicseiten, die ebenso wie der Film mit einer kruden Mischung verschiedenster Dinge gefüllt wurde. Auch der Rachefeldzug von Kain ist ein esoterisch, philosophischer Trip. Gewalt, Sex, Religion und das Absurde sind Mittelpunkt der Erzählung. Religiöse Anspielungen und Querverweise, mal offensichtlich plakativ gehalten, mal sehr gut versteckt - treffen auf historische Referenzen, einen kritischen politischen Kommentar und etwas Nonsens. Genauso wie die meisten seiner Filme ist dieser Comic so gut oder so schlecht wie die Leser*innen ihn machen. Ich kann sehr viel aus dem nicht erzählten lesen und mich daran erfreuen, ich könnte aber auch in einer anderen Stimmung an diesen Comic herangehen und sehr viel weniger von dieser Reise mitnehmen. Die Empfänger*innen zahlen die Rechnung.
Ganz objektiv und nüchtern betrachtet, handelt es sich hier um einen soliden Acid Western, der trotz des Arthouse Feelings durch eine relativ gradlinige und verfolgbare Erzählart nicht unbedingt schwer zu verdauen ist. Subjektiv betrachtet, frage ich mich aber, ob mir das reicht, wobei vermutlich auch noch abgewartet werden muss, wohin uns die Reise mit dieser Comicreihe führt. Noch wäre ich etwas enttäuscht von dem Comic. Visuell schafft es Zeichner José Ladrönn, der übrigens schon 2004 für Jodorowskys „Metal Hurlant“ Kurzgeschichte „Tears of Gold“ das Artwork beisteuerte, den Look des Films einzufangen. Die Kameraperspektiven sind interessant und erwecken einen sehr filmischen Eindruck, der Look ist irgendwie edel, dennoch dreckig und nicht ohne Makel. Was dem Ganzen aber fehlt, ist zum einen inhaltlich mehr Substanz und zum anderen mir persönlich das Feeling eines undurchsichtigen Drogentrips gemischt mit den Gefühlen eines halbwach erlebten Albtraums.
Sehen wir uns den zweiten Band an und schauen ob Jodorowsky seinem eigenen Erbe gerecht werden kann. Der erste Band ist jedenfalls ein guter Anfang, der aber nicht die Klasse des Films erreichen kann.
8 von 10 frivole Klansmänner