Mit seiner brandneuen Horrormangareihe „Dark Walker“ könnte dem jungen Mangaka Mikio Hibino endlich sein Durchbruch gelingen. Gerade hat er seinen Vertrag unterschrieben und sein Manga wird im monalichen Magazin „Young Junk“ erscheinen. Doch noch vor der Veröffentlichung seines ersten Kapitels gibt es mehrere Kritikpunkte an seiner Kannibalengeschichte. Der Chefredakteur bittet ihn darum einige Änderungen vorzunehmen. Die Kannibalen werden zu Zombies umgeschrieben, der Held darf nicht mehr rauchen und insgesamt wird das Level der Gewalt noch mal ordentlich runtergeschraubt. Damit aber nicht genug und trotz der Änderungen will die Säuberungsfront den Manga aus dem Verkehr ziehen. Bals schon wird die Geschichte vom Zensuramt als „schädlich“ eingestuft und das Magazin vom Markt genommen.
In Tetsuya Tsutsuis neuestem Zweiteiler nimmt der Mangaka relativ direkt Bezug auf eine Zensur, die seinen Manga „Manhole“ betroffen hat. In Japan wurde sein Horrormanga 2009 von der „Abteilung für Fragen der Kindheit und Zukunft“ in Nagasaki als schädlich eingestuft. Er selbst hat davon jedoch erst 2013 Erkenntnis erhalten und konnte seine Kunst bis zu diesem Zeitpunkt also gar nicht verteidigen. Wie er selbst im Nachwort dieses Bands erklärt habe das Amt nur anhand der Zeichnungen den Inhalt des Manga beurteilt, ohne je den Text gelesen zu haben. Durch dieses Verfahren wurden durch Unkenntnis des realen Inhalts Vermutungen angestellt und somit auch zum Beispiel eine Szene als schädlich eingestuft in der ein Mann mit Matsch beschmiert durch die Stadt läuft. Die Prüfer*innen hielten diese Szene schlicht für einen blutüberströmten Mann der langsam verblutet. Lesen hätte da geholfen.
Geschockt darüber wie mit ihm und seiner Kunst umgegangen wurde begann er „Poison City“ zu schreiben. Ein in zwei Bänden abgeschlossener Manga, der ein Szenario der nahen Zukunft zeichnet, dass die Leser*innen zunehmend damit konfrontiert wozu zunehmende Zensur führt. Erst sind es nur unliebsame Statuen und Literatur die als „Schund“ deklariert wird, dann wird auch harmloses beanstandet und alles so lange verändert bis es denen passt, die in den Ämtern die Macht haben. Somit verändern sie auch bald was die Menschen sich trauen auszusprechen und schließlich werden so auch die Gedanken der Bevölkerung in eine gewollte Richtung geleitet.
Interessanterweise erschafft er dabei nicht nur ein Mahnmal gegen Zensur und politischen Mechanismen die dahinter stehen und warnt vor ihr, sondern er zieht sogleich auch Parallelen zum Comics Code in den USA, der damals sämtliche Crime und Horror Serien zerstört hat. Dadurch wird aus diesem Manga eine interessante Mischung aus Low-Sci-Fi, Horror und zudem könnt ihr hier noch ein wenig über die Geschichte der Zensur von Comics und Manga lernen. Interessant, spannend erzählt und inhaltlich durchweg clever.
Auf dem selben Level sind auch die Zeichnungen. Tsutsuis Artwork wird dominiert von scharfen Zeichnungen modernem und realistischen Charakterdesigns. Das Setting wird gut umgesetzt und zur gewöhnlichen Darstellung sind einige Seiten auch innerhalb der Manga der Hauptfigur angesiedelt. Somit bekommt ihr noch etwas Endzeit-Optik und auch ein eher klassisches Horrorkapitel. In allem eine interessante Idee, gepaart mit einem gekonnt umgesetzten Look und einer wichtigen politischen Botschaft. Top!
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