Donnerstag, 26. Mai 2016

Vanessa del Rio - Fifty Years of Slightly Slutty Behavior (TASCHEN)

Vanessa del Rio - Fifty Years of Slightly Slutty Behavior (TASCHEN)

1974 drehte Ana Maria Sanchez unter dem Pseudonym Vanessa del Rio im Alter von 22 Jahren ihren ersten Porno mit dem Titel “China Doll”. Ihre Karriere als Pornodarstellerin endete nach 12 Jahren und mehr als 100 Filmen im Jahre 1986. Darunter bekannte X-Rated Filme des Golden-Age of Porn wie “Babylon Pink” (1979), “Dracula Exotica” (1981) für den sie einen CAFA Award bekam & “The Devil in Miss Jones 3: A new Beginning” (1986). Außerdem war sie in vielen, heute teilweise verschollenen 16mm Loops und einer Vielzahl von Erotikmagazinen zu sehen. Dian Hanson, bei TASCHEN für die schmutzigen Tatsachen zuständig, verbindet eine langjährige freundschaftliche und geschäftliche Beziehung, die nun mit dem biographischen Interviewbuch “Vanessa del Rio - Fifty Years of Slightly Slutty Behavior” Früchte getragen hat.



In neun Kapiteln führt fragt sich Dian Hanson quer durch Vanessas bewegtes Leben. Auf eine kleine Einführung und der Vorgeschichte des Buches beginnt die Erzählung mit Vanessas Kindheit in Harlem. Vanessa ist die Tochter eines Immigranten Ehepaars, ihr Vater, der die Familie für andere Frauen bald wieder verließ, kam aus Kuba, ihre Mutter aus Puerto Rico. Von ihrer Mutter bekam sie eine strenge, prüde katholische Erziehung, was die beiden aber nicht davon abhielt gemeinsam in den Kinos der berüchtigten 42nd Street Schmuddelfilme, wie zum Beispiel die mit Isabel Sarli. Sarli war die erste Lateinamerikanische Schauspielerin die sich völlig nackt zeigte, was damals wohl auch Vanessa als Teenagerin darauf brachte eine “Schlampe” zu werden wenn sie mal groß ist. Viele negative Erfahrungen mit sadistischen Nonnen in einer katholischen Privatschule festigten sie in ihrer Lebensplanung. Darauf folgten kleine Jobs als Kellnerin, Bardame, Tänzerin und schließlich arbeitete sie auch auf dem Straßenstrich und als Escort. Da sie mit der Sexarbeit gute Erfahrungen gemacht hatte und mit Filmen mehr Geld zu machen war drehte sie bald darauf ihre ersten Filme und gleich beim ersten Dreh wollte sie zeigen was sie konnte und ist somit die Erfinderin der Double Penetration (anal und vaginal mit zwei Typen gleichzeitig).

Diese und ähnliche Anekdoten sind  der Grund warum sie auch bis Heute noch eine der wichtigsten Darstellerinnen des Genres war und ist. Auch heute noch ist sie in ihren Erzählungen eine Person die Menschen in ihren Bann ziehen kann und wenn man ihren Erzählungen glauben darf war es der beste Job den es für sie geben könnte. Vor allem da die Dinge in den Filmen wohl noch die braveren ihrer Sexkapaden waren. Während also das erste Kapitel den Bogen von ihrer Kindheit bis zu ihrem ersten Porno spannt, konzentriert sich Chapter 2 auf die ersten Loops und kleineren Rollen. Kapitel drei handelt von ihrem Privaten Sexleben, das ebenso ausschweifend, extravagant und ungezügelt wie ihre Onscreen Rolle war, zudem enthält es ein Essay über ihre Liebe zu Oralsex. Im vierten Kapitel wird ihre Rolle im Mainstream Porno behandelt, dabei geht es auch um Rassismus innerhalb der Pornoszene, der als Grund gilt weshalb sie nie die großen Rollen bekamen, die viele weiße Darstellerinnen hatten, die weder als Darstellerin noch von der Fanbase her an sie heranreichen konnten. Auch um die vielen ethnisch stereotypen Rollen die sie spielen musste geht es. Kapitel fünf handelt von ihrer Arbeit mit ihrem “Meister” Reb Stout, was direkt zu Kapitel sechs überleitet. Hierbei geht es um ihre Arbeiten im S/M bereich und den zahlreichen Roughies (harte Pornos mit Gewalt und dazugehörigen Rollenspielen, die im Gegensatz zu den meisten S/M und Bondage Fetischfilmen nicht auf gezeigten Sex verzichten). Im achten Kapitel geht es dann um das Ende ihrer Karriere, die Angst vor Aids lies sie ihre Arbeit beim Film beenden und sie stürzte sich in ein Leben als Bodybuilderin, inklusive Steroide Missbrauch. Das letzte Kapitel lässt sie dann auf ihre Karriere zurückblicken, was eine zufriedene, sehr coole alte Dame zeigt, die nichts bereut und für ihren Weg wohl nichts falsch gemacht hat, auch wenn einige Sachen auf mich als Außenstehenden befremdlich oder auch einfach zu krass wirken.

Wie gewohnt führt Dian Hanson das Interview auf gewohnt gekonnte Art und Weise. Das die Beiden sich schon länger kennen war sicherlich sehr hilfreich und sorgt für eine sehr lockere Atmosphäre. Vanessa erzählt von Beginn an sehr freizügig und ungeschönt und zudem immer sehr pointiert und mit viel Witz und Charme. Dian schafft es immer wieder Vanessa zurück zu holen wenn sie zu sehr abschweift, lässt ihr aber auch immer den Raum für spannende Anekdoten. Gleichzeitig hakt sie in den richtigen Momenten nach oder bringt Vanessa in die Realität zurück, wenn diese davon erzählt, das ihr Verhalten damals ja ganz normal gewesen sei und Frauen aus den 70ern das ja kennen würden.

Aufgelockert wird der Text mit mehreren hundert Bildern auf den knapp 400 Seiten. Darunter Fotos aus Magazinen, Familienfotos, Stills aus den Filmen und Archivaufnahmen aller Art. Dazu private Notizen, sowie Auszüge aus den Skripten der Pornos und ähnliches.

Das Buch ist komplett in englisch gehalten am Ende gibt es aber noch eine deutsche und eine französische Übersetzung. Als Bonus liegt dem Buch noch eine DVD bei, auf der sich über zwei Stunden Material befinden. Ein Großteil davon sind Ausschnitte aus den Interviews, die die Grundlage für dieses Buch waren und viele Ausschnitte und Szenen aus Vanessas Filmen. Enthalten sind aber auch einige dokumentarische Parts, die weder in ihren Filmen zu sehen waren, noch in dem Buch zu finden sind. So hat Dian Vanessa zum Beispiel auf eine Porno Convention begleitet und die Beiden schlendern durch Harlem um sich einige der Orte aus ihren Erzählungen anzuschauen. Handwerklich ist die Doku sicherlich keine Schönheit, dafür das es aber nur ein Bonus ist, bekommt ihr mit der DVD eine Menge neuen Inhalt geboten und für Fans den Kauf schon allein wegen den teilweise sehr schwer zu findenden Filmausschnitten wert.

“Vanessa del Rio - Fifty Years of Slightly Slutty Behavior” ist ein gewohnt hochqualitativer Bildband, mit vielen Fotografien die nur exklusiv hier zu finden sind. Auch das Interview liest sich sehr spannend und lässt eine der schillernsten und spannendsten Personen der Pornoszene zu Wort kommen. Auch deshalb wieder eine exzellente Veröffentlichung, die nicht nur Vanessa del Rio Fans als Zielpublikum haben sollte.

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