Weisse Wölfe: Eine grafische Reportage über rechten Terror (Correct!v)
Egal ob Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), Blood and Honour, Combat 18 oder Hammerskins, all diese rassistischen Vereinigungen vereint der Terror gegen Menschen, die in ihren Augen minderwertig sind. Auch vor Morden schreckten sie allesamt bisher nicht zurück. Derweil schaut der Verfassungsschutz gerne und stetig weg, schützt TäterInnen die zugleich InformantInnen sind und behauptet im selben Moment, es gäbe gar keinen rechten Terror in diesem Land. Aber auch wenn der Staat es gerne totschweigen würde, ändert dies nichts an den täglichen Angriffen auf Synagogen, Moscheen, Flüchtlingsunterkünfte und alles und jeden Anderen, der nicht ins Bild der “echten Deutschen” passt. Dieser Comic handelt von der fiktiven Figur Albert S., deren Taten vom real existierenden Journalisten David Schraven (und Autor dieses Comics) aufgedeckt werden. Die Taten dieser fiktiven Person decken die Verbindungen zwischen Dortmunder Zellen, dem NSU, europäischen rechten Terrorzellen, ebenso wie Weltweitem Naziterror auf.
Rechter Terror wird gerne totgeschwiegen und genauso oft zusätzlich noch verharmlost. Auch während ich dies hier schreibe ist es nicht anders. In Dresden greifen PEGIDA AnhängerInnen ein Refugee Protestcamp vor der Semperoper an. Während es keinen Zweifel gibt, dass hier Faschistischen ihren Feind entdeckt haben und gegen ihn in den Kampf ziehen, sprechen Medien von Neonazis, die gemeinsam mit vereinzelten PEGIDA AnhängerInnen Flüchtlinge attackieren. Selbst wenn PEGIDA direkt Menschen angreift macht es sie in den Augen von Medien und Staat noch nicht zu Faschisten. Auf Twitter schreibt der Fernsehsender Pro 7, man sei angeekelt von diesen Angriff, allerdings schreibt man dies in einem sehr lapidaren Ton und im selben Moment laufen die gleichen bescheuerten Sitcoms in der zigsten Wiederholung.
Ich lasse mich aber mal wieder ablenken von dem, worüber ich eigentlich schreiben wollte. Doch passt diese Einleitung recht gut zum Inhalt von “Weisse Wölfe: Eine grafische Reportage über rechten Terror” aus dem Recherchebüro Correct!v. Der Comic versucht Verbindungen zwischen dem NSU und anderen neofaschistischen Terrorzellen herzustellen. Verbindungen die der Staat bis Heute verheimlicht, Verbindungen die vertuscht werden und denen die Obrigkeit selbst aktuell im Gerichtsaal der NSU-Prozesse wenig bis gar keinen Raum geben will. Die Medien waren dabei sehr lange keinen Deut besser und verhöhnten die Opfer erneut, indem die Mordserie landesweit als “Döner-Morde” und “Mordserie Bosporus” bekannt wurden.
Aufklärung tut Not, Aufklärung ist wichtig und daher erzählt Schraven uns hier auf gut 200 Seiten die Geschichte einer fiktiven Figur, die allerdings eine recht typische Lebensgeschichte hat. Ein junger Mann, Punk affin, ohne Platz im Leben und gefestigte politische Einstellung entdeckt die rechte Szene als neue Heimat und als Rebellion gegen seinen Vater. Angelockt von harter Musik, einem aufregenden Männlichkeitsbild und dem Wunsch auch mal der stärkere zu sein wird er Teil der faschistischen Subkultur. Von selbstgebauten Rohrbomben, Prügeleien und Anschlägen auf Flüchtlingsheime geht es recht nahtlos weiter zu rechten Terrornetzwerken wie Blood and Honour. Dabei hat die Handlung des Comics unverkennbare Parallelen zur Vita eines gewissen Sebastian Seemann, der sich später als V-Mann herausstellte, der trotz seinen Aktivitäten und Verbindungen zu Dortmunder Terrorzellen und dem NSU ohne weitere Repressionen davon kam.
Am Rande werden viele Details erwähnt, wie zum Beispiel der faschistische, dreifache Polizistenmörder Michael Berger oder auch der Mord an dem “Schmuddel” genannten Punk findet hier Platz. Der Mord an Schmuddel wurde im Übrigen auch versucht als tragischer Vorfall unter Jugendlichen abzutun. 2005 wurde er von einem Mitglied der Skinheadfront Dortmund-Dorstfeld auf offener Straße erstochen, nachdem Schmuddel seinen späteren Mörder wegen rassistischer Äußerungen zur Rede stellen wollte. Das Gericht sah in der Tat keinen neonazistischen Hintergrund.
Drei Dinge kann dieser Comic sehr gut rüberbringen. Zum einen wäre da die kontinuierliche Beharrlichkeit, mit der in Deutschland Rassismus und rassistisch motivierte Straftaten runtergespielt und zugleich vertuscht werden sollen. Opferschutz spielt keine Rolle, diese werden gerne sich selbst überlassen und zudem durch das Verhalten des Staats nachträglich verhöhnt. Informanten werden geschützt und rechte Täter nicht als solche betitelt um den Standort Deutschland nicht in Verruf zu bringen. Zum anderen leistet Schraven gute Arbeit darin Verbindungen zwischen Gruppen herzustellen, die so zwar teilweise bekannt sind, aber nicht wahrgenommen werden. Vor allem das angepeilte Publikum im Teenageralter wird hier sicherlich einiges lernen können, ohne dass es sich jedoch wie trockene Antifa-Recherchearbeit liest. Gerade dafür sind Comics als Medium sehr gut geeignet, zumindest dann, wenn die LeserInnen nach dem Comic noch ein wenig mehr zum Thema lesen um ihr Wissen zu den erwähnte Sachverhalten zu vervollständigen. Der dritte sehr gelungene Punkt an diesem Comic ist wie deutlich gezeigt wird, welche Kraft Musik hat. Die Rolle von Musik als politisches Agitationsmittel darf niemals unterschätzt werden und ist in den meisten Fällen der Grund warum Jugendliche in die Szene finden. Zu diesem Thema äußert sich dann im Nachwort auch noch Thomas Kuban, der ja vor kurzer Zeit erst recht viel Aufmerksamkeit bekam als er seine Recherchen innerhalb der neofaschistischen Musikszene in seinem Buch “Blut muss fließen - Undercover unter Nazis” öffentlich machte. Der Reiz wird auch optisch gut rübergebracht und spielt ausgiebig mit der Ästhetik und dem Machismo der rechten Szene. Verbunden werden die Kapitel durch Einträge aus den “Turner-Tagebüchern”, die als ideologische Schnittstelle zwischen Naziterroristen des NSU, dem US-amerikanischen Timothy McVeigh und dem Skandinavier Anders Breivik fungiert.
Gleichzeitig ist der Comic zwar nett anzusehen, dennoch überzeugt die Optik nicht. Leider handelt es sich bei den Panels meist nur um übermalte Fotografien und wenn Jan Feindt mal etwas völlig Freihand zeichnet, dann wirken die Figuren nicht mehr real genug um mit dem Rest des Inhalts mithalten zu können. Inhaltlich hatte ich einige male das Problem, die Darstellung der Dinge könnte den Inhalt teilweise glorifizieren. Einiges werden auch Nazis total geil finden können. Erinnert mich dabei irgendwie an den Film “American History X”, der ja auch eine sehr klare antifaschistische Botschaft hat, dennoch von vielen Faschos toll gefunden wird, da sie sich am krassen Männerbild aufgeile das reproduziert wird. Schlimmer wird dieser Punkt dann aber durch das gezeigte Frauenbild. Denn in “Weisse Wölfe” haben Frauen nur ganz am Rand Platz. Sie dürfen Infos weitergeben, Sachen abliefern oder sind für das Bett da. Nicht nur ein sexistischer Blickwinkel, der natürlich in der Szene sehr weit verbreitet ist, sondern auch im Kern ziemlich relativierend, denn letztlich spielt man die Taten und die Gefahr von weiblichen Faschistinnen somit runter und verharmlost sie.
Ein interessanter Comic, der zwar an einigen Stellen kritisierbar ist, in seiner Gänze aber einen wichtigen Dienst verrichtet und hoffentlich viele Personen aufklären kann.