Aufzeichnungen aus Jerusalem (Reprodukt)
Überall war Guy Delisle schon auf der Welt. Für seine Arbeit beim Zeichentrick war er in Nordkorea und in Shenzen und mit seiner Frau ist er sogar in Militärdiktatur Birma. Ebenfalls als Begleitung seiner Frau hat er für einige Zeit in Jerusalem gelebt. Während seine Gattin also für Ärzte ohne Grenzen im Westjordanland arbeitet, verbringt er seinen Alltag mit den Kindern in Jerusalem. So entdeckt er Tag für Tag immer mehr Geheimnisse der Stadt, während er mit dem Kinderwagen durch die alten Gassen kurvt. Dabei lernt er den dortigen Alltag und die Menschen kennen, genauso wie die verschiedenen Kulturen und Religionen. Aber zwischen Schutzwall und Raketenangriffen der Hamas und den israelischen Antworten darauf spielt natürlich auch Politik immer wieder eine Rolle. Nebenher sucht er auch nach Stoff für einen neuen Comic und stellt mal wieder fest, er kann gar nichts spannenderes schreiben, als die Dinge die er vor Ort gerade erlebt.
Wieder ein Reisebericht von Delisle oder besser gesagt ein Lebensbericht über seine Zeit in Jerusalem. Großartig ist dabei, wie der Nahostkonflikt als nur eines von vielen Themen unverkrampft und unparteiisch von jemanden betrachtet wird, der nicht sonderlich politisch ist. Guy beschreibt was er sieht, gibt Gespräche mit jüdischen und arabischen Bewohnern Israels wieder und schaut sich einfach mit möglichst großem Interesse um. Dabei bezieht er keine Partei, sondern versucht sich einfach immer nur einen möglichst guten Überblick der Situation zu verschaffen. Dabei sind es kleine Momente, die wie auch im wahren Leben, am meisten Eindruck hinterlassen. So zum Beispiel ein alter Herr im Flugzeug, der mit Guys kleiner Tochter spielt, wobei dieser dann irgendwann die Tätowierung aus dem Konzentrationslager sieht. Oder einfach die alltäglichen Gespräche mit den Bewohnern der Stadt. So ziehen sich viele tolle und denkwürdige Momente durch die gesamt 334 Seiten.
Wer von euch schon mal was von Guy Delisle in den Fingern hatte, wird den Zeichenstil natürlich wiedererkennen. Guy hat einen sehr einfachen Cartoonstil, der aber trotzdem unter denen tausender anderer Zeichner wiedererkannt werden kann. Im Vergleich zu seinen anderen Arbeiten ist diese hier etwas schöner und detailreicher geraten. Vor allem die kleinen farblichen Töne gefallen. Ansonsten war er mal wieder dazu in der Lage, die örtliche Architektur und Natur ziemlich gut einzufangen. Das Treiben auf der Straße wirkt zudem auch sehr lebendig.
Ein weiterer sehr gelungener Reisebericht, der locker und unverkrampft einen intimen Einblick in Kultur und Alltag vor Ort verschaffen kann. Über 300 Seiten in einem etwas größeren Taschenbuchformat.
8 von 10 Eis schleckende Militärpolizisten