Montag, 29. April 2013

Blut an den Lippen (1971) [Bildstörung]

Blut an den Lippen (1971) [Bildstörung]

Die frisch vermählten Valerie (Danielle Ouimet) und Stefan (John Karlen) sind mit dem Zug auf dem Weg zu ihrem Schloss. Sie machen einen Zwischenstopp in Ostende, wo die beiden von einer Mordserie erfahren. In der letzten Zeit wurden nämlich immer wieder junge, gutaussehende Frauen tot und vollkommen blutleer aufgefunden. Sie machen halt in einem luxuriösen Hotel wo sie zuerst die einzigen Gäste sind. Kurz nach den beiden treffen allerdings eine mysteriöse Gräfin und ihre Sekretärin Ilona (Andrea Rau) ein. Stefan ist sofort von der Aura der Gräfin fasziniert, aber als der Portier (Paul Esser) ihren Namen erfährt wird klar, dass etwas nicht stimmen kann. Denn Gräfin Bathory (Delphine Seyrig) war schon vor 40 Jahren Gast in diesem Hotel, doch seitdem ist sie nicht einen Tag gealtert…

Von vielen zu hoher Kunst hochstilisiert ist “Blut an den Lippen” eigentlich ein recht einfacher Film. Feiner Eurotrash aus einer Sexploitation, Vampirhorror und Giallo Mischung. Doch im Gegensatz zu einem normalen Sexploitation Streifen wirken die Sexszenen nicht billig, der Vampirhorror kommt fast ohne Vampirklischees aus und auch die brutalen Gewaltszenen machen mehr einen erschreckenden Eindruck als einen mülligen.

Harry Kümel hat mit dieser französisch-belgisch-italienisch-US-amerikanisch-kanadisch-deutschen multinationalen Produktion stilistisch äußerst sicheren und handwerklich ausgezeichneten Edeltrash erschaffen. Die Handlung hat ihre blöden Momente, aber meist ist dabei auch ein Augenzwinkern oder eine sympathische Selbstverständlichkeit zu bemerken. Kümel hat offensichtlich sehr viel Wert auf die Optik gelegt und sein Bestes gegeben dem Auge stets zu schmeicheln. Die Farben sind immer sehr schön zusammengestellt und er benutzt gerne auch mal christliche Motive in seinen Sexszenen. Auch seine Symbolik ist nicht gerade subtil und sorgt durchaus für den einen oder anderen Lacher.


Faszinierend gut wurde Gräfin Bathory von Delphine Seyric (Der diskrete Charme der Bourgeoisie) gespielt, aber auch Andrea Rau (Bumsfallera in Kitzelhausen) ist überraschend gut und das obwohl sie vorher nur deutschen Sexklamauk gespielt hat. Nur in ein paar Szenen überzeugen kann John Karlen (Trilogy of Terror), der den bisexuellen Ehemann spielt, der im Verlauf der Geschichte immer mehr zum Spielball der Vampirinnen und seiner Lust wird. Dafür ist Danielle Ouimet nur schwer zu ertragen und wirklich nur in sehr wenigen Szenen keine Qual. Mit Paul Esser ist ein weiterer Deutscher zu sehen. Vor allem wird er als Blom bei Pippi Langstrumpf bekannt geworden sein. Hier kann er damit punkten, dass seine Rolle englisch spricht, obwohl er kein Wort dieser Sprache konnte. Trotzdem klingt es im O-Ton nicht zu albern.

Wer seinen Vampirtrash oder seine Nackidei Filme etwas anspruchsvoller haben möchte findet in “Blut an den Lippen einen würdigen Kandidaten. Kümel ist ein wirklich talentierter Mann, der ein optisch berauschenden Film abgedreht hat. Inhaltlich gibt es ein paar nicht unbedingt runde Momente, schlecht oder langweilig wird der Streifen aber zu keiner Sekunde. Nur der Soundtrack ist etwas durchwachsen und passt nur manchmal. An anderen Stellen ist er etwas drüber oder auch mal kitschig.


Die Veröffentlichung von Bildstörung ist wie alle vorherigen wieder vorbildlich geworden. Ihr bekommt eine Amarayhülle mit wundervollem Design in einem stabilen Pappschuber, der wiederum einen Umschlag verpasst bekommen hat, der abgenommen werden kann, damit ihr den FSK Flatschen loswerden könnt. Auf der ersten DVD gibt es den Film in exzellent restaurierter Qualität im englischen O-Ton und auf deutsch. Da der Film aber zum ersten Mal unzensiert auf deutsch erscheint, sind einige Szenen nur im O-Ton mit Untertiteln verfügbar. Daher wird empfohlen den Film einfach gleich auf englisch zu sehen, lohnt sich eh allein für Delphine Seyrigs Performance. Außerdem enthält die Disc noch einen Audiokommentar des Regisseurs, der sogar auf deutsch geführt wurde. Wie Kümel gleich am Anfang sehr sympathisch erklärt hat er ein paar Probleme bei “Mir” und “Mich” ansonsten ist sein Deutsch aber ziemlich gut. Lustig ist er, der Audiokommentar. Am besten gefällt mir wie er Ingmar Bergmann als Dieb und langweiligen Regisseur für Priester beschimpft. Informativ ist der Kommentar aber auch und der Mann hat einige amüsante Annekdoten auf Lager. Ein wenig muss ich dann aber doch an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln, schließlich ist er der Meinung das Dark Shadows Remake von Tim Burton sei ein schöner und guter Film. Wenn ein Regisseur so was behauptet der eigentlich selbst weiß wie man einen gutaussehenden Film macht, schmerzt das doch schon etwas.

Ebenfalls enthalten ist eine zweite DVD, auf der die deutsche Schnittfassung des Films enthalten ist. Diese ist zwar ganz klar nicht so gut wie die Originalfassung, aber doch durchaus interessant. Ein paar der wichtigen Dialogszenen wurden entschieden verändert, nicht immer unbedingt zum Schlechteren, dann wurde das Ende an den Anfang gesetzt, der Epilog wurde rausgenommen, genauso wie ein paar Nackidei Szenen und etwas Gewalt. Am schlimmsten an der deutschen Version ist aber, dass man Stefans Mutter (Fons Rademakers) und somit auch alle Hinweise auf seine Bisexualität herausgeschnitten hat. Zu dieser alternativen Fassung kommen noch ein Interview mit Harry Kümel, eine Bildergalerie mit seinem Kommentar dazu, der Titelsong der US-Fassung, US-Radiospots, einen Trailer und zu all dem bekommt ihr noch ein prallgefülltes Booklet. Perfekt!

7,4 von 10 krasse Farbkontraste