Fuck for Forest (2012) [good!movies]
Die Menschen
verlieren immer mehr den Bezug zur Natur. Gierige Kapitalisten
zerstören die Natur und aufgrund gesellschaftlicher Konventionen
werden wir in unseren Körpern eingesperrt, so dass wir weder frei
noch im Einklang mit der Natur leben können. Dies sind Grundannahmen
der NGO "Fuck for Forest". In seinem Dokumentarfilm
begleitet Michał Marczak die Gruppe in ihrem Alltag, aber auch beim
Versuch, ein 800 ha großes Stück Urwald in Brasilien zu bewahren.
Denn der Name ist Programm - sie bieten im Internet erotische
Fotografie und Amateurpornographie gegen Bezahlung an, um Geld zu
erwirtschaften, das in Umweltschutzprojekte investiert werden soll.
Viel zu lange lag
dieser Dokumentarfilm, der immerhin schon im November letzten Jahres
in Deutschland erschien, nun schon auf meinem Schreibtisch. Bereits
zuvor las ich über diese ominöse Gruppierung und ihr Anliegen.
Zudem gab es vor einer Weile eine Episode "Schulz in the Box",
in der Olli Schulz ein paar Tage mit der Kerngruppe in Berlin
verbrachte. Letztlich entstand dadurch ein Bild von recht aggressiven
Neo-Hippies, die allen, die nicht konform mit ihren Idealen gehen,
Prüderie und Desinteresse an Naturschutz unterstellen. Die Fähigkeit
gesellschaftliche Restriktionen, was Sexualität angeht, zu erkennen,
in Frage zu stellen und diese eventuell bewusst zu akzeptieren, weil
sie der gewählten Lebensweise entsprechen, wird Mitmenschen generell
abgesprochen.
Aber jetzt konnte
ich mich endlich mal von diesen ersten Eindrücken frei machen, in
der Hoffnung eine Doku zu sehen, die die Inhalte der NGO beleuchtet
und nicht irgendeine Spiegel.TV-Schockreportage aus dem Thema macht.
So fängt der Film
auch erstaunlich feinfühlig an. Eines der Gruppenmitglieder, Danny,
besucht seine Familie in Norwegen. Schnell wird klar, dass die
Familie Dannys Lebensweise nicht gutheißt - die Mutter hat für die
Dauer seines Besuchs sogar ihr Zuhause verlassen. Danny wird als
junger Mann dargestellt, der mit kindlichem Gemüt, ständig
verträumt nur wenig Bezug zur Realität hat. Bekleidet mit dem, was
er im Müll findet, steht er oft verloren da und kann auch nach
eigener Aussage nicht gut mit Menschen.
Ähnlich sieht es
bei den anderen Gruppenmitgliedern aus. Zumeist wird von einer
schweren bzw. komplizierten Kindheit gesprochen. Ihre Erzählungen
sind gerne mal durcheinander bzw. sind von einer geistigen
Abwesenheit geprägt, die ihre Ursache auch gerne in den eingenommen
findet. Dem Gründer der NGO, Tommy, wird zudem die Entführung
Kajaals "angehängt". Kajaal ist dann später freiwillig
bei der Gruppe geblieben, wurde im Gegenzug jedoch von ihrer Familie
verstoßen und enterbt.
Es wird viel Zeit
darauf verwendet, Gründe für das Verhalten der Mitglieder zu geben
und die Leute nach Möglichkeit recht verpeilt darzustellen. Das
führt zu einigen interessanten und auch eigentlich witzigen Szenen,
wenn sie zum Spendensammeln aus ihrer Parallelwelt heraus ins
"normale" Berlin schreiten.
Überhaupt ist es
interessant zu sehen, wie gut die Gruppe ohne Geld in Berlin
klarkommt. Auch, wenn sie über ihre Website ordentlich Asche machen,
geben sie nämlich kaum Geld davon für sich selbst aus.
Bestehen die
ersten zwei Drittel des Films hauptsächlich aus kleineren Episoden aus
dem Alltag der Truppe, konzentriert sich der Rest auf den Kauf eines
Stücks Urwald. Bis dahin ist die Idee hinter der NGO nur durch
zusammenhanglose und teils planlose Statements einzelner Mitglieder
zu erahnen. Das Bild einer etwas trotteligen, realitätsfremden
Gruppe wird dann im Urwald vollendet. Als sie ihre Beweggründe zum
Kauf den Ureinwohnern erklären, verstehen diese ihr Anliegen so gar
nicht, haben kein Vertrauen in sie und möchten nicht, dass "Fuck
for Forest" in ihr Land investiert. Deprimiert und
desillusioniert verstreut sich die Gruppe danach vorerst in alle
Winde, um später (nach dem Film) wieder zusammenzufinden.
Das Ganze ist zwar
eine schöne Geschichte über das grandiose Scheitern mehrerer
Idealisten an der harten Realität, vermittelt aber kaum deren Ideen
und wirkt zuweilen arg konstruiert und frech geschnitten. Obgleich
einige unangenehme Szenen einfach nicht zu leugnen sind - z.B. wenn
Tommy beim Anblick einer Minderjährigen geifert und davon spricht,
sie gerne mitnehmen zu wollen - so wird die Dokumentation doch den
Grundsätzen und Botschaften von "Fuck for Forest" wohl
nicht gerecht. Was such der Grund sein dürfte, warum die Gruppe
sich auf ihrer Website von der Doku distanziert und den Regisseur
Lügen straft.
Man mag von "Fuck
for Forest" halten, was man will. Ein wirklich gut gemachter
Einblick in Inhalte der Gruppe und Gedanken der Mitglieder wäre
schon interessant gewesen. In wenigen Momenten kann der Film auch
entsprechend liefern, doch die meiste Zeit geht es eher darum,
eine Geschichte zu erzählen. Das mag auch auf den 86 Minuten
unterhalten, bietet aus dokumentarischer Sicht jedoch recht wenig.
5 von 10
Blut-und-Sperma-Cocktails