Mittwoch, 18. Februar 2015

Psychedelic Sex (TASCHEN)

Psychedelic Sex (TASCHEN)

Kombiniert man Sex mit LSD, dann kommt dabei Psychedelic Sex heraus. Will man so was vermarkten muss man einfallsreich sein. Die Sexindustrie ist aber sicherlich eine der findigsten und so entstanden in der Hochzeit von 1967-1972 eine Menge Hippie Porn. In verschiedensten Magazinen und Fanzines wie “Way Out”, “Psychedelic Dayz”, “Naked” und “Heads Up” versuchten findige Macher den prüden Normalbürger die sexuelle Revolution als Masturbationsanreiz zu verkaufen. Jedenfalls in den hochwertigen Pornomagazinen. In den, von Hippies selbstverwalteten Heften nutzte man die neue Subkultur der Mods und später Hippies nicht nur um Kohle zu machen, sondern auch für die eigene Agenda. Diese einmalige und teils obskure Mischung aus normaler Sexarbeit, politischem Kampf, sexueller Revolution, einstehen gegen die Rassentrennung, gegen Homophobie und Sexismus wird in TASCHEN’s Bildband “Psychedelic Sex” behandelt.

Etwas über 400 Seiten in einem 20,5x25cm großen, sehr hübsch gestalteten Hardcover erwarten euch hier. Auf mehreren hundert Bildern werden hier Cover Fotos und Illustrationen verschiedenster Pornomagazine gezeigt, aber auch einige Seiten aus dem Innenteil, sowie Filmscreens, Filmposter, Comics, Poster und Anderes. Für sich allein gesehen sind die Bilder zwar interessant, vor allem die Titelstorys mancher Hefte sind der Hammer. Da bleibt von der Orgie im Büro des Dekans, über tolle Sextrips auf LSD und auch mal politische Anspielung nichts zu wünschen übrig, dennoch machen erst die ergänzenden Texte aus diesem Bucht etwas besonderes.

Für den Löwenanteil des Inhalts war Eric Godtland zuständig, der alle Facetten des Hippie Liebesspiels näher beleuchtet. Am interessantesten ist dabei jedoch sein politischer Kommentar. Dabei erinnert er ein wenig an die Aussagen in “A Renegade History of the United States” des nicht ganz unumstrittenen Historikers Thaddeus Russell. So erklärt er uns warum Afro-Amerikaner in Pornos dem weißen Mann dabei halfen ihre Angst vor der schwarzen Schlange zu verlieren und wie der zweite Weltkrieg dabei half vorehelichen Sex salonfähig zu machen. Alles sehr locker und lustig geschrieben, sollte man nur vielleicht nicht alles immer sonderlich ernst nehmen. Gleichzeitig lernen wir dabei einiges über die Bedeutung dieser spannenden Nische der damals noch jungen amerikanischen Pornoindustrie, die damals von Kalifornien aus Begann die übrigen Staaten zu erobern (abgesehen vielleicht von einigen Teilen des Bible Belts). Denn auch wenn ein paar der aufgestellten Thesen zu der Bedeutung etwas weit hergeholt sind, ist die politische Kraft hinter dieser subversiven Art der Pornographie nicht zu unterschätzen. Aber auch kritische Punkte werden angesprochen und hinterfragt, bis zu der Frage hin, ob ein verbrannten Büstenhalter wirklich eine Tat gegen das Patriarchat ist oder ob Frau ihn am Ende nur aus Protest auszieht um gegen die Männer zu kämpfen, die eh nichts anderes wollen als das dieser BH verschwindet.


Weitere Texte behandeln diese Zeit eher auf einer persönlicheren Ebene. Der Journalist Paul Krassner erzählt von seinen Erlebnissen in der damaligen Zeit, von Orgien, Drogen und dem Versuch auch ein wenig von dem Spaß abzubekommen ohne sich zu sehr in das Drogensexgetümmel locken zu lassen. Auf einer noch persönlicheren Ebene erzählt Dian Hanson (Terry Richardson. Terryworld). Von ihr erfahren wir noch deutlich privater Sexeskapaden geschildert, die teilweise einen krassen Lebensweg skizzieren und nicht immer nur schön waren.

Auf den Bildern sehen wir schöne Menschen und solche die Heute, aber auch damals nicht den gängigen Schönheitsidealen angepasst waren. Die abgelichteten Personen haben Makel, wurden oftmals bemalt oder man hat ihnen psychedelische Muster auf die üppige Schambehaarung projiziert. Selten sind sie verführerisch gekleidet, meistens werden ganz simpel Menschen gezeigt die Spaß haben. Vieles scheint nur wenig bis überhaupt nicht gestellt zu sein und die Fotos die gestellt wirken, haben meistens einen höheren künstlerischen Anspruch.

Insgesamt ein sehr schöner, Bildband in der gewohnten TASCHEN Qualität. Erotik trifft Politik und etwas Trash. Kann gefallen!

8 von 10 heulende Tiger