Alice, sweet Alice (1976) [Paragon Movies]
Kurz vor ihrer Kommunion wird die kleine Karen (Brooke Shields) brutal erdrosselt und mit einer Kerze in Flammen gesetzt. Der oder die Täter*in war klein, zierlich und in einem gelben Regenmantel gekleidet, außerdem trug der*die Mörder*in eine unheimliche Frauenmaske. Auch wenn ihre Eltern nicht daran glauben wollen, gerät Karens Schwester, die 12-jährige Alice (Paula E. Sheppard) ins Visier der Polizei. Indizien gibt es dafür jedenfalls zu genüge. Denn auch sie hat, genauso wie alle anderen Schüler*innen der katholischen St. Michael’s Parish Girl’s School, einen solchen Regenmantel wie der Killer ihn an hatte. Außerdem wurde Alice in der Zeit vor dem Mord öfter mit eben dieser Maske entdeckt. Als dann noch ihre verhasste Tante Annie (Jane Lowry) ebenso mit einem Messer attackiert wird scheint der Fall für die Polizei klar zu sein. Auch die psychischen Gutachten lassen Alice nicht gut dastehen.
“Alice, sweet Alice”, “Communion - Messe des Grauens” oder wie der Film im TV hieß “Holy Terror”, stand schon lange auf meiner Watchlist. Die Tage trudelte der nur wenig bekannte Klassiker dann endlich bei mir ein und ich muss sagen, mein warten wurde belohnt und meine hohen Erwartungen gänzlich erfüllt. Von der ersten Sekunde an fühlt der Film sich an wie ein hochklassiger Giallo. Eine kunstvolle Kameraführung und die deutliche Handschrift des Regisseurs Alfred Sole (Freitag der 713.) erinnert nie an einen billigen US-Slasher sondern wirkt wie ein anspruchsvoller Giallo, wenn auch nicht ganz so virtuos und bildgewaltig, wie zum Beispiel die Arbeiten von Argento oder Bava. Dazukommt, dass der Film über lange Strecken auch ohne Horror auskommt und das Familiendrama ganz allein eine dichte und unangenehme Atmosphäre erzeugen kann.
In der Hauptrolle brilliert die sehr junge Paula E. Sheppard, die außer diesem Film nur noch “Liquid Sky” beehrt hat. Sie schafft es abwechselnd wunderbar ätzend, dann aber wieder vollkommen verletzlich und verzweifelt zu sein. Hinzu kommen den ganzen Film über immer wieder beunruhigende Anspielungen auf Kindesmissbrauch innerhalb der Familie, der katholischen Gemeinschaft und dem Vermieter Mr. Alphonso. Letzterer wird ebenso überzeugend, wie widerlich von dem berüchtigten Gay Bar Türsteher Alphonso DeNoble (The Incredible Torture Show) gespielt, der bald nach den Dreharbeiten verstorben ist. Mit Brooke Shields (The Midnight Meat Train) ist unter den Akteur*innen sogar ein heutiges Hollywoodsternchen, das hier als erst 11-jährige ihr Filmdebüt hinlegte. Nicht weniger glaubhaft ist auch Jane Lowry, die merkwürdiger Weise keine weiteren Filmarbeiten gemacht hat. Linda Miller schafft es ebenfalls gerade die dramatischen Familienszenen rüberzubringen. Starkes Line-Up für solch eine Art von Film. Hätte ich nicht mit gerechnet.
Auch wenn alles Drumherum so gut ist, heißt das nicht, dass die Kills zu sehr in den Hintergrund geraten. Beiweilen kann Alice zu einem ziemlich harten Erlebnis avancieren. Zwar wird nicht gesplattert, aber die Kaltblütigkeit der Morde geht deftig an die Eingeweide. Im Verlauf der Geschichte gewinnt eben diese immer mehr an Tiefe und Substanz, bis hin zu einem Ende, das vermutlich nicht alle völlig überraschen wird. Dennoch hat das Drehbuch genug Energie und Intelligenz um die wenigen dümmeren Momente zu überschatten. Zurück bleibt ein durchgehend guter Eindruck, der sich sehen lassen kann.
Anspruchsvolle Slasher Fans und auch die, der europäischen Spielart des Genres dürften sich gut unterhalten fühlen. Kleiner aber feiner Tipp!
Die DVD von Paragon Movies hat leider nur bescheidene Bild und Ton Qualität zu bieten und es gibt auch absolut keine Extras.
7 von 10 ergaunerte Oblaten