Donnerstag, 18. Oktober 2012

Chaos auf Deponia (Daedalic Entertainment)



Chaos auf Deponia (Daedalic Entertainment)

Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, seit wir das erste Mal die Möglichkeit hatten, gemeinsam mit dem etwas tollpatschigen aber herzensguten Rufus auf ein Abenteuer zu gehen. Bereits das Ende von Deponia, spätestens aber die nicht mal eine Woche nach Release des ersten Teils herumgehende Pressemeldung, verrieten, dass es einen weiteren Teil der Saga geben würde. Die Adventure-Liebhaber der Hamburger Innovationsschmiede Daedalic Entertainment haben zu ihrem Wort gestanden veröffentlichten am 12. Oktober, pünktlich zum beginnenden Spieleherbst, den zweiten Teil dieser besonderen Reihe: Chaos auf Deponia.

Ein echter Held



Rufus hasst sein Leben auf dem öden Planeten voller Schrott mit den Leuten, die ihn nur für einen verrückten Spinner halten, statt sein wahres Genie zu erkennen. Das war auch der Grund gewesen, weswegen er überhaupt nach Elysium entkommen wollte - doch dann traf er Goal und alles kam anders, wie der erste Teil der Trilogie zeigte. Nachdem Rufus entkommen und Goal wieder bei ihrem hinterhältigen Verlobten weilte, gab es für den Helden weiterhin nur ein Ziel: zurück nach Elysium zu gelangen und die durch den Organon drohende Zerstörung von Deponia zu verhindern - und natürlich ganz nebenbei und völlig uneigennützig die Gunst von Goal zurück zu erlangen.
Ein Bastelgenie wie Rufus kann natürlich nichts aufhalten und so stellte er mit viel Glück und einigen Berechnungen (diese Formeln die einem im Schlaf einfallen) eine interstellare Schleuder her, mit der er sich an ein Sägeblatt gekettet nach Elysium katapultieren will. Der Plan geht, um es freundlich zu sagen, ordentlich in die Hose, und durch das vom Schicksal geleitete Unglück, welches unseren Protagonisten stets zu begleiten scheint, trifft er bei dieser atemberaubenden Aktion die Aufstiegsgondel von Goal und Cletus (dem Verlobten von Goal), die angeblich gerade auf dem Weg nach Elysium gewesen war, um die bevorstehende Sprengung des Müllplaneten zu verhindern.


Rufus, der im letzten Teil bereits von Cletus bösartigen Absichten erfahren hatte, glaubt hiervon kein Wort und in dem Kampf der beiden Streithähne, in dem einer sturer ist als der andere, reißt das Halteseil der Aufstiegsgondel, sodass Goal und Rufus im freien Fall ins rostrote Meer von Deponia stürzen. Glücklicherweise werden sie von ihren bekannten Freunden Bozo und Doc aufgelesen und zum schwimmenden Schwarzmarkt gebracht. Durch den Aufprall hat sich Goal dieses Mal schwer verletzt und musste zu einer Notoperation in Docs Praxis gebracht werden. Dieser stellt fest dass ihre Datasette (ein Gehirnimplantat, dass ihre gesamte Persönlichkeit und alle Erinnerungen enthält) irreparabel beschädigt wurde. 
Doc ist es nur Möglich die Daten auf ein neues Implantat zu übertragen, wofür er aber eine neue und möglichst hochwertige Datasette benötigt. Durch ungünstige Umstände (die in Zusammenhang mit einem kostenlosen Lutscher stehen) bringt Rufus allerdings lediglich die günstigere Variante des optischen Mediums zurück ins Labor, wodurch die anschließende Operation nicht wie geplant verläuft. Goals Bewusstsein wird in drei Teile gespalten und auf unterschiedlichen Datasetten abgelegt. Rufus muss nun dafür sorgen, dass Goals Persönlichkeit komplett wiederhergestellt werden kann und zusätzlich noch die Zerstörung seiner Heimatwelt verhindern – was für ein Abenteuer!

Vom Rätsellieben und Mäuseschieben



Choas auf Deponia ist, wie die meisten vom nördlichsten Spieleentwickler kreierten Werke, ein klassisches Point’n’Click Adventure. Ein Genre, das grade Anfang des letzten Jahrzehnts auf Grund der immer mehr aufkommenden Actionspielwelle nicht selten für tot erklärt wurde. Doch andere Firmen, darunter auch Daedalic Entertainment, hatten immer Vertrauen darin, dass Erlebnisse wie sie einst „Monkey Island“ oder „Day of the Tentacle“ boten auch heute noch viele begeistern können, die auf gute Geschichten und Gehirnschmalz stehen. Eben dieser Schmalz ist es, der ein leckeres Adventure erst so bekömmlich macht. Auch in ihrem neusten Spiel mussten sie sich hier einiges einfallen lassen und gehen dabei teilweise auch unkonventionelle Wege. Die Rätsel in Chaos auf Deponia bedienen eine sehr große Bandbreite aus dem Bereich der Knobel- und Ratespiele; es gibt logische Kombinationsaufgaben, kontextbasierte Dialogrätsel und lange Rätselketten. All diese Varianten sind in genau dem richtigen Maß eingesetzt und bieten durch ihre Durchmischung ein großes Maß an Vielfalt und Abwechslung.


Einen neuen Weg gehen die Entwickler hier mit den sogenannten Minispielen. Diese gab es zwar bereits in vergangen Werken vereinzelt, finden hier jedoch deutlich vermehrt Anwendung. Minispiele sind kleine Rätsel- oder Geschicklichkeitspassagen, die zum einen für Abwechslung sorgen, weil sie sich etwas vom regulären Spielverlauf ablösen, und zum anderen wirklich kniffelig gestaltet sind. Beispielsweise muss Rufus an einem Schnabeltier-Imbiss solange sein Menu (bestehend aus Softdrink, Burger und einem Glückskeks) hin und her tauschen bis er am Ende nur den Glückskeks umsonst bekommt. Die negative Seite an solchen Kopfnüssen ist ihr teilweise hohes Frustpotenzial, je nachdem wie geduldig oder ungeduldig der jeweilige Spieler ist. Hierfür hat Daedalic eine elegante Lösung gefunden. So blendet das Spiel nach einer gewissen Anzahl von Versuchen oder einer bestimmten Zeit eine Schaltfläche ein, die es einem ermöglicht das Minispiel zu überspringen und mit dem normalen Spielfluss fortzufahren. Eine klasse Lösung, wie ich finde, bietet sie für Veteranen den Ansporn sich durchzubeißen, und für Anfänger die Möglichkeit, das Spiel frustfrei erleben zu können.


Wie eingangs erzählt, haben wir hier ein Zeig- und Klick-Spiel der alten Schule, was im Bereich der Steuerung grade bei Zwei-Dimensionen-Spielen relativ unspektakulär daherkommt. Mit der Maus wird gezeigt und auf die Maus wird geklickt, die Spreu trennt sich allerdings vom Weizen, wenn man ein Auge auf das Interaktionsinterface wirft. Hier verfolgt Daedalic schon lange eine sehr erfolgbringende Strategie: Die Belegung der linken Maustaste verhält sich dynamisch, je nachdem um was für einen Gegenstand es sich handelt. Es wird durch ein kleines Symbol am Mauszeiger unterschieden, welche Aktionen grade möglich sind. Die rechte Taste hingegen ist für die erkundungsfreudigen Spieler: Sie bietet jederzeit die Möglichkeit, alles genauer unter die Lupe zu nehmen, was sich in den meisten Fällen auch wirklich lohnt, da Rufus immer einen charaktertypischen Spruch auf den Lippen hat. Beim Inventar setzt man auch beim zweiten Teil der Trilogie auf das neu eingeführte Rolldown-Menü. Diese komfortable Funktion, die ich bereits bei Deponia lobend erwähnt hatte, ermöglicht es, das Inventar durch einfache Drehung des Mausrades auszuklappen und wieder verschwinden zu lassen. Eine wirklich großartige Sache, die den Wechsel zwischen Objektauswahl und Interaktion deutlich beschleunigt.

Full-HD aus dem Atelier



Visuell kann keiner dem Spiel etwas vormachen, es beinhaltet genau die Art von wundervoll gezeichneten Hintergründen, die man aus den meisten Titeln von Daedalic kennt. Die farbenfrohe Gestaltung und der ganz eigene Comicstil, der das gesamte Erscheinungsbild prägt, sind zu einem absoluten Aushängeschild geworden, die Grafiken sind gestochen scharf und lassen sich mit entsprechender Hardware sogar auf Full-HD Pracht und einem entsprechenden Bildschirm/Fernseher bewundern. Die Umgebung kann ihre ganze Wirkung aber nur entfalten, wenn die Welt in sich stimmig wirkt, und damit man sich nicht wie in einem Bilderbuch fühlt, gibt es eine ganze Menge Detail-/und Hintergrundanimationen, die eine gute Atmosphäre erzeugen. 
Bei diesem Fest für die Augen gibt es aber immer noch einen kleinen Schönheitsfleck und das sind die Animationen der Spielfiguren. Keinesfalls schlecht gestaltet fehlt ihnen allerdings manchmal noch das ein oder andere Bild mehr, um wirklich rund zu wirken. Klar sind sie weit von den hakeligen Anfangstagen des Adventures entfernt, doch fallen diese Animationen an manchen Stellen schon noch auf.

Dü dada düdü da – Ruufuuusss


Die Musik und Soundkulisse ist eine absolute Bereicherung und neben dem unglaublichen Humor, den das Spiel versprüht, das absolute Highlight des Spieles. Beim letzten Mal hatte ich diese bereits positiv erwähnt, doch was dieses Mal an einer Kombination von Elektro-, Synthie- und leichter E-Gitarren Musik zusammengestellt, wurde ist wirklich klasse. Abgerundet wird das Ganze durch die vom Mastermind und Chefgamedesigner Jan Müller Michaelis selbst eingesungenen Liedern zwischen den einzelnen Akten, mit herrlich unharmonischen Zwangsreimen macht es einfach Spaß das nächste Kapitel zu erleben. Bei diesem Soundtrack ist es umso erfreulicher, dass es auch dieses Mal wieder in der Erstauflage des Spieles die komplette musikalische Untermalung auf CD obendrauf gibt.


Der erwähnte Humor und die unnachahmliche Art des egozentrischen Chaosgenies Rufus wird besonders durch eine tadellose Vertonung sämtlicher Sprechrollen erzeugt. Besonders Monty Arnold, der die meisten Schlüsselrollen des Spiels zum Leben erweckt, gibt dem Ganzen genau den richtigen Schliff.

Fazit



Chaos auf Deponia ist ein wirklicher Adventure-Hit. Es beginnt bei den sehr abwechslungsreichen und teileweise ziemlich skurrilen Aufgaben, geht über die klasse Grafik bis hin zum ohrenschmausartigen Soundtrack. Besonders hat mir aber der Charakater und die Art und Weise, wie Rufus sich auf unglaublich naive aber dennoch vollkommen eingebildete Art für das Beste hält, was der Welt passieren konnte. Trotz oder gerade deswegen kann man eine wirklich tolle Verbindung zu ihm aufbauen. Die meiste Zeit amüsant oder sogar heiter, aber auch an einigen Stellen des Spiels traurig und tragisch, macht das gesamte Spiel einen ausgezeichneten Eindruck, der nicht nur zu einer absoluten Empfehlung sondern auch zur Hoffnung auf einen dritten Teil führen darf. (Büüütttee, büüütttee!)

9.2 von 10 Schnabli-schnabli-Schnabeltieren