Chaos auf Deponia (Daedalic
Entertainment)
Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, seit wir das
erste Mal die Möglichkeit hatten, gemeinsam mit dem etwas tollpatschigen aber
herzensguten Rufus auf ein Abenteuer zu gehen. Bereits das Ende von Deponia,
spätestens aber die nicht mal eine Woche nach Release des ersten Teils herumgehende Pressemeldung, verrieten, dass es einen weiteren Teil der
Saga geben würde. Die Adventure-Liebhaber der Hamburger Innovationsschmiede
Daedalic Entertainment haben zu ihrem Wort gestanden veröffentlichten am 12.
Oktober, pünktlich zum beginnenden Spieleherbst, den zweiten Teil dieser
besonderen Reihe: Chaos auf Deponia.
Ein echter Held
Rufus hasst sein Leben auf dem öden Planeten voller
Schrott mit den Leuten, die ihn nur für einen verrückten Spinner halten, statt
sein wahres Genie zu erkennen. Das war auch der Grund gewesen, weswegen er
überhaupt nach Elysium entkommen wollte - doch dann traf er Goal und alles kam
anders, wie der erste Teil der Trilogie zeigte. Nachdem Rufus entkommen und
Goal wieder bei ihrem hinterhältigen Verlobten weilte, gab es für den Helden
weiterhin nur ein Ziel: zurück nach Elysium zu gelangen und die durch den
Organon drohende Zerstörung von Deponia zu verhindern - und natürlich ganz
nebenbei und völlig uneigennützig die Gunst von Goal zurück zu erlangen.
Ein Bastelgenie wie Rufus kann natürlich nichts
aufhalten und so stellte er mit viel Glück und einigen Berechnungen (diese
Formeln die einem im Schlaf einfallen) eine interstellare Schleuder her, mit
der er sich an ein Sägeblatt gekettet nach Elysium katapultieren will. Der Plan
geht, um es freundlich zu sagen, ordentlich in die Hose, und durch das vom
Schicksal geleitete Unglück, welches unseren Protagonisten stets zu begleiten
scheint, trifft er bei dieser atemberaubenden Aktion die Aufstiegsgondel von
Goal und Cletus (dem Verlobten von Goal), die angeblich gerade auf dem Weg nach
Elysium gewesen war, um die bevorstehende Sprengung des Müllplaneten zu
verhindern.
Rufus, der im letzten Teil bereits von Cletus
bösartigen Absichten erfahren hatte, glaubt hiervon kein Wort und in dem Kampf
der beiden Streithähne, in dem einer sturer ist als der andere, reißt das
Halteseil der Aufstiegsgondel, sodass Goal und Rufus im freien Fall ins
rostrote Meer von Deponia stürzen. Glücklicherweise werden sie von ihren
bekannten Freunden Bozo und Doc aufgelesen und zum schwimmenden Schwarzmarkt
gebracht. Durch den Aufprall hat sich Goal dieses Mal schwer verletzt und
musste zu einer Notoperation in Docs Praxis gebracht werden. Dieser stellt fest
dass ihre Datasette (ein Gehirnimplantat, dass ihre gesamte Persönlichkeit und
alle Erinnerungen enthält) irreparabel beschädigt wurde.
Doc ist es nur Möglich die Daten auf ein neues
Implantat zu übertragen, wofür er aber eine neue und möglichst hochwertige
Datasette benötigt. Durch ungünstige Umstände (die in Zusammenhang mit einem
kostenlosen Lutscher stehen) bringt Rufus allerdings lediglich die günstigere
Variante des optischen Mediums zurück ins Labor, wodurch die anschließende
Operation nicht wie geplant verläuft. Goals Bewusstsein wird in drei Teile
gespalten und auf unterschiedlichen Datasetten abgelegt. Rufus muss nun dafür
sorgen, dass Goals Persönlichkeit komplett wiederhergestellt werden kann und
zusätzlich noch die Zerstörung seiner Heimatwelt verhindern – was für ein
Abenteuer!
Vom Rätsellieben und Mäuseschieben
Choas auf Deponia ist, wie die meisten vom
nördlichsten Spieleentwickler kreierten Werke, ein klassisches Point’n’Click
Adventure. Ein Genre, das grade Anfang des letzten Jahrzehnts auf Grund der
immer mehr aufkommenden Actionspielwelle nicht selten für tot erklärt wurde. Doch
andere Firmen, darunter auch Daedalic Entertainment, hatten immer Vertrauen
darin, dass Erlebnisse wie sie einst „Monkey Island“ oder „Day of the Tentacle“
boten auch heute noch viele begeistern können, die auf gute Geschichten und
Gehirnschmalz stehen. Eben dieser Schmalz ist es, der ein leckeres Adventure
erst so bekömmlich macht. Auch in ihrem neusten Spiel mussten sie sich hier
einiges einfallen lassen und gehen dabei teilweise auch unkonventionelle Wege.
Die Rätsel in Chaos auf Deponia bedienen eine sehr große Bandbreite aus dem Bereich
der Knobel- und Ratespiele; es gibt logische Kombinationsaufgaben,
kontextbasierte Dialogrätsel und lange Rätselketten. All diese Varianten sind
in genau dem richtigen Maß eingesetzt und bieten durch ihre Durchmischung ein
großes Maß an Vielfalt und Abwechslung.
Einen neuen Weg gehen die Entwickler hier mit den
sogenannten Minispielen. Diese gab es zwar bereits in vergangen Werken
vereinzelt, finden hier jedoch deutlich vermehrt Anwendung. Minispiele sind
kleine Rätsel- oder Geschicklichkeitspassagen, die zum einen für Abwechslung
sorgen, weil sie sich etwas vom regulären Spielverlauf ablösen, und zum anderen
wirklich kniffelig gestaltet sind. Beispielsweise muss Rufus an einem
Schnabeltier-Imbiss solange sein Menu (bestehend aus Softdrink, Burger und
einem Glückskeks) hin und her tauschen bis er am Ende nur den Glückskeks
umsonst bekommt. Die negative Seite an solchen Kopfnüssen ist ihr teilweise
hohes Frustpotenzial, je nachdem wie geduldig oder ungeduldig der jeweilige
Spieler ist. Hierfür hat Daedalic eine elegante Lösung gefunden. So blendet das
Spiel nach einer gewissen Anzahl von Versuchen oder einer bestimmten Zeit eine
Schaltfläche ein, die es einem ermöglicht das Minispiel zu überspringen und mit
dem normalen Spielfluss fortzufahren. Eine klasse Lösung, wie ich finde, bietet
sie für Veteranen den Ansporn sich durchzubeißen, und für Anfänger die
Möglichkeit, das Spiel frustfrei erleben zu können.
Wie eingangs erzählt, haben wir hier ein Zeig- und
Klick-Spiel der alten Schule, was im Bereich der Steuerung grade bei
Zwei-Dimensionen-Spielen relativ unspektakulär daherkommt. Mit der Maus wird
gezeigt und auf die Maus wird geklickt, die Spreu trennt sich allerdings vom
Weizen, wenn man ein Auge auf das Interaktionsinterface wirft. Hier verfolgt
Daedalic schon lange eine sehr erfolgbringende Strategie: Die Belegung der
linken Maustaste verhält sich dynamisch, je nachdem um was für einen Gegenstand
es sich handelt. Es wird durch ein kleines Symbol am Mauszeiger unterschieden,
welche Aktionen grade möglich sind. Die rechte Taste hingegen ist für die
erkundungsfreudigen Spieler: Sie bietet jederzeit die Möglichkeit, alles
genauer unter die Lupe zu nehmen, was sich in den meisten Fällen auch wirklich
lohnt, da Rufus immer einen charaktertypischen Spruch auf den Lippen hat. Beim
Inventar setzt man auch beim zweiten Teil der Trilogie auf das neu eingeführte
Rolldown-Menü. Diese komfortable Funktion, die ich bereits bei Deponia lobend
erwähnt hatte, ermöglicht es, das Inventar durch einfache Drehung des Mausrades
auszuklappen und wieder verschwinden zu lassen. Eine wirklich großartige Sache,
die den Wechsel zwischen Objektauswahl und Interaktion deutlich beschleunigt.
Full-HD aus dem Atelier
Visuell kann keiner dem Spiel etwas vormachen, es
beinhaltet genau die Art von wundervoll gezeichneten Hintergründen, die man aus
den meisten Titeln von Daedalic kennt. Die farbenfrohe Gestaltung und der ganz
eigene Comicstil, der das gesamte Erscheinungsbild prägt, sind zu einem absoluten
Aushängeschild geworden, die Grafiken sind gestochen scharf und lassen sich mit
entsprechender Hardware sogar auf Full-HD Pracht und einem entsprechenden
Bildschirm/Fernseher bewundern. Die Umgebung kann ihre ganze Wirkung aber nur
entfalten, wenn die Welt in sich stimmig wirkt, und damit man sich nicht wie in
einem Bilderbuch fühlt, gibt es eine ganze Menge Detail-/und
Hintergrundanimationen, die eine gute Atmosphäre erzeugen.
Bei diesem Fest für die Augen gibt es aber immer noch
einen kleinen Schönheitsfleck und das sind die Animationen der Spielfiguren.
Keinesfalls schlecht gestaltet fehlt ihnen allerdings manchmal noch das ein
oder andere Bild mehr, um wirklich rund zu wirken. Klar sind sie weit von den
hakeligen Anfangstagen des Adventures entfernt, doch fallen diese Animationen
an manchen Stellen schon noch auf.
Dü dada düdü da – Ruufuuusss
Die Musik und Soundkulisse ist eine absolute Bereicherung und neben dem unglaublichen Humor, den das Spiel versprüht, das absolute Highlight des Spieles. Beim letzten Mal hatte ich diese bereits positiv erwähnt, doch was dieses Mal an einer Kombination von Elektro-, Synthie- und leichter E-Gitarren Musik zusammengestellt, wurde ist wirklich klasse. Abgerundet wird das Ganze durch die vom Mastermind und Chefgamedesigner Jan Müller Michaelis selbst eingesungenen Liedern zwischen den einzelnen Akten, mit herrlich unharmonischen Zwangsreimen macht es einfach Spaß das nächste Kapitel zu erleben. Bei diesem Soundtrack ist es umso erfreulicher, dass es auch dieses Mal wieder in der Erstauflage des Spieles die komplette musikalische Untermalung auf CD obendrauf gibt.
Der erwähnte Humor und die unnachahmliche Art des
egozentrischen Chaosgenies Rufus wird besonders durch eine tadellose Vertonung
sämtlicher Sprechrollen erzeugt. Besonders Monty Arnold, der die meisten
Schlüsselrollen des Spiels zum Leben erweckt, gibt dem Ganzen genau den
richtigen Schliff.
Fazit
Chaos auf Deponia ist ein wirklicher Adventure-Hit. Es
beginnt bei den sehr abwechslungsreichen und teileweise ziemlich skurrilen
Aufgaben, geht über die klasse Grafik bis hin zum ohrenschmausartigen Soundtrack.
Besonders hat mir aber der Charakater und die Art und Weise, wie Rufus sich auf
unglaublich naive aber dennoch vollkommen eingebildete Art für das Beste hält, was
der Welt passieren konnte. Trotz oder gerade deswegen kann man eine wirklich
tolle Verbindung zu ihm aufbauen. Die meiste Zeit amüsant oder sogar heiter,
aber auch an einigen Stellen des Spiels traurig und tragisch, macht das gesamte
Spiel einen ausgezeichneten Eindruck, der nicht nur zu einer absoluten
Empfehlung sondern auch zur Hoffnung auf einen dritten Teil führen darf.
(Büüütttee, büüütttee!)
9.2 von 10 Schnabli-schnabli-Schnabeltieren