Das Stanley Kubrick Archiv (TASCHEN)
Stanley Kubrick ist ohne Frage ein Meister seines Fachs. Zwar muss man auch als Fan zugeben das er nicht immer genau wusste wie man eine Geschichte vernünftig erzählt, nach eigener Aussage war ihm dieser Punkt aber meist auch nicht so wichtig, wie Atmosphäre aufzubauen und Gefühle zu vermitteln. Somit kann man einige seiner Werke sicherlich als prätentiös einstufen, aber im Gegensatz zu anderen Regisseuren die gerne schöne Bilder einfangen (Terrence Malick wäre aktuell als abschreckendes Beispiel zu nennen), war bei ihm immer Substanz vorhanden. Als Kind sah ich erstmals “2001” ein Film der mich heute noch genauso beeindruckt wie damals, wenn auch auf andere Art. Damals war diese epische Reise einfach toll, die Affen zu Beginn, die tollen Shots im All, alles so aufregend wenn man klein ist. Heute als Erwachsener ist der Film immer noch sehr anregend und bleibt eine fantastische Reise. Shining war später eine großartige Entdeckung für mich und Clockwork Orange und Dr. Stranglove sind immer noch zwei meiner liebsten Filme aller Zeiten. Und da es über Kubricks Kunst viel zu sagen gibt, konnte man beim TASCHEN Verlag ein großartiges Buch, nämlich “Das Stanley Kubrick Archiv”, mit wundervoll vielen Infos zu seinem Schaffen füllen.
Kubrick hat epische Werke erschaffen. Da muss so ein Archiv auch etwas hermachen. Es sind 544 Seiten in einem massiven, sehr schön schlicht gehaltenen Hardcover mit Prägedruck. Die Ausmaße sind 32,7 x 24,5 cm und durch das dicke hochwertige Glanzpapier wiegt der Koloss knapp vier Kilogramm. Sieht also schick aus, passt nur schlecht ins Regal. Der erste Teil des Buchs, also die ersten 266 Seiten werden ausschließlich mit Screenshots von Kubricks Filmen gefüllt. Von “Killer’s Kiss” bis hin zu “Eyes Wide Shut” werden alle seine Filme anhand von Bildern von Anfang bis Ende gezeigt. Darunter sind viele großartige Bilder, einige davon sicherlich mit die schönsten, die jemals auf Film gebannt wurden. Dabei fällt erneut auf, Kubrick funktioniert auch völlig ohne Worte und trotzdem kommen die Emotionen beim Konsumenten an.
Darauf folgen etwas über 200 Seiten in denen wir zu jedem Film ab “Killer’s Kiss” mindestens ein Essay, meistens von Gene D. Phillips oder Rodney Hill verfasst, zu lesen bekommen, aber auch einige der essentiellsten Kubrick Interviews zu den jeweiligen Filmen, Essays von Kubrick selbst und jede menge Fotos. Bei den Bildern ist eigentlich alles dabei, was man sich vorstellen kann. Fotos, Requisiten, Poster, Illustrationen, Set-Designs, Skizzen, Briefe, Dokumente, Drehbücher, Entwürfe, Notizen und Drehpläne. Dadurch werden tiefe Einblicke in die Entstehung der Filme ermöglicht und die Informationsdichte ist wirklich bemerkenswert. Auch seine frühen Kurzfilme werden nicht vergessen und ich vermute mal ganz schwer, dass es kein wirklich informativeres Machwerk über Kubricks Schaffen gibt. Durch die anfängliche Flut an Informationen, fand ich es zuerst etwas schwer in die Essays hineinzukommen, aber nach kleineren Anlaufschwierigkeiten liest sich das Buch ganz grandios. Schön ist auch das man Interviews zusammengetragen hat, in denen Kubrick sehr offen ist und auch so manchen Fehler zu gibt. “2001” hat man ein wenig mehr Platz eingeräumt, was ich nicht ganz so toll finde, da man über diesen Film eigentlich schon so gut wie alles weiß, weil er doch der meistdiskutierte seiner Filme ist. Dafür habe ich noch viel neues über “Dr. Strangelove” erfahren können und auch über seine Anfangstage wusste ich bisher so gut wie nichts.
Schließlich könnt ihr in den Anhängen noch ein wenig über Kubricks nie realisierte Projekte erfahren. Da wären “Napoleon”, “A.I” und “Aryan Papers”. Alle drei Projekte plante Kubrick schon seit den Siebzigern, doch bis auf “A.I” das nach Kubricks Tod von Spielberg verfilmt wurde, wurde aus ihnen nie etwas. Über “Napoleon” wusste ich schon bescheid, doch “Aryan Papers” war mir neu. Scheinbar hat Stanley sein ganzes Leben lang nach einer Geschichte über den Holocaust gesucht die er verfilmen könnte, dazu kam es aber nie. Ein großes Highlight sind dabei die Skizzen von Chris Foss und Chris Baker zu “A.I.” wirklich fantastische Bilder. Darauf folgen dann ein paar weitere Essays zu Kubrick, die nicht an einen bestimmten Film gebunden sind, sondern einfach nur an ihn selbst oder sein gesamtes Schaffen und abgeschlossen wird dieses große Werk mit einer chronologischen Auflistung der Stationen seines Lebens.
Für enthusiastische Cineasten und Kubrick Fans ein klares muss und ein unheimlich interessantes Nachschlagwerk. Das Buch selbst wurde im englischen Original nach Deutschland gebracht, die meiste Zeit über ist es sprachlich aber nicht so schwer das man mit relativ okayen Englischkenntnissen nicht durchkommen sollte. Dem Buch liegt aber noch ein etwas kleineres Büchlein bei, das den gesamten Text auf deutsch, aber ohne Bilder enthält. Also ist es nicht so schlimm wenn ihr euch nicht sicher seit ob euer Englisch gut genug ist. Die Übersetzung war soweit wie ich in rein gelesen habe auch wirklich gut, trotzdem bin ich lieber beim Original geblieben.
8,7 von 10 Amateurfilme