Stieg Larsson: Verblendung #1 (Panini)
Gepierct, tätowiert und eine Meisterhafte Hackerin. Nach außen wirkt Lisbeth Salander wie eine unheimlich starke und erfolgreiche Frau. Doch in Wirklichkeit hat sie nichts in ihrem Leben wirklich im Griff, am wenigsten sich selbst und ihre Erinnerungen an früher. Im Moment arbeitet sie an einem Fall, dessen Ergebnisse einen Skandal der Vanger Familie aufdecken könnte, den die reichste Familie Schwedens seit Generationen zu verdecken versucht. Zur selben Zeit erhält der Journalist Mikael Blomkvist den Auftrag alles über das verschwinden der jungen Harriet Vanger im Jahre 1966 heraus zu finden. Denn ihr Onkel will endlich erfahren was wirklich passiert ist. Während er also diesen Job angeboten bekommt ereignen sich Dinge wegen denen Lisbeth sich mal wieder ein Tattoo stechen lassen muss.
Der erste Roman aus Stieg Larssons Millennium Trilogie wurde nun schon zwei mal verfilmt, es gibt Hörbücher, ein Hörspiel und jetzt auch noch eine Comic Adaption, die Deutschland nur kurz vor der frankobelgischen Version erreicht. Die Frage, ob jemand diesen Comic wirklich braucht darf also gestellt werden. Mit ihren 144 Seiten ist die erste Hälfte von Verblendung aber zumindest unterhaltsam. Denise Mina schafft es den Lesern die beiden Hauptfiguren gekonnt nahe zu bringen. Bei Lisbeth reichen schon ein paar Seiten und schon bemerkt man was für ein vielschichtiger und gebeutelter Charakter sie ist. Man wird jedenfalls schnell warm mit der unterkühlten Hauptfigur. Bei Blomkvist dauert es hingegen etwas länger. Stellenweise wirkt er auch etwas platter als im Buch und ebenso unsympathischer. Dieser Eindruck kann sich im Laufe der grafischen Novelle aber wieder legen. Es gibt aber ein paar Probleme bei der Adaption. Mitunter wirken die Szenen mit dem Journalisten nämlich etwas ungelenk und uninteressant. Viel schlimmer ist aber wie man Lisbeths Vergewaltigung übernommen hat. Die Dialoge sind einfach zu sehr coole Comickost, wodurch diese Szenen ihre Emotionale Wirkung leider recht stark verfehlen. Das andere Problem ist, dass man das Buch in zwei Graphic Novels unterteilt hat. Somit endet dieser Band damit, wie Lisbeth jemanden eine ganz besondere Tätowierung verpasst. Was natürlich dramaturgisch einer der Höhepunkte ist. Allerdings gibt es dabei ein Problem. Schließlich geht es in der ersten Hälfte des Romans eigentlich darum, die beiden Hauptcharaktere vor zu stellen und sie dann zum ersten mal aufeinander treffen zu lassen. Lisbeths Rache ist natürlich ein wichtiger Punkt, aber da man dort aufhört verläuft der dramaturgisches Aufbau dieses Comics nach über 100 Seiten im Nichts. Wenn die Geschichte also irgendwie funktionieren soll, muss man den ersten Band gemeinsam mit dem zweiten lesen, ansonsten verliert der gesamte Handlungsaufbau völlig seine Wirkung. Alles nur weil man an einer krassen Stelle aufhören wollte, anstatt an einer, die auch von der Erzählstruktur Sinn macht.
Am Artwork haben Leonardo Manco und Andrea Mutti mit den beiden Koloristen Giulia Brusco und Paricia Mulvihil gearbeitet. Leonardo Mancos (Driver for the Dead) Stil ist einfach unverwechselbar und immer ein wahrer Hingucker. Neben dem Artwork, das ich von einem Vertigo Titel erwarte, nämlich den düsteren dreckigen Stil mit vielen Schatten und einer unheimlichen, sowie beengten Atmosphäre. Leider sehen einige Szenen mit Blimkvist viel zu brav und sauber aus. Stört die allgemeine Stimmung extrem und holt einen immer wieder aus der Handlung raus. Viel zu freundlich für diese Geschichte. Nahezu perfekt ist dafür die Umsetzung von Lisbeth gelungen. Auch optisch werden alle ihre Charakterzüge sofort offensichtlich. Obwohl sie so ambivalent sind. Ihre zerbrechliche Art, wie unwohl sie sich in der Gegenwart bestimmter Personen fühlt, ihre Ängste, Unfähigkeit beim normalen Umgang mit anderen Menschen, aber auch ihre Stärke, ein nach außen sehr selbstbewusstes Auftreten und eine vollkommen eigene Schönheit. Toll ist auch das man ihr einen eigenen Look gegeben hat. Sie ist zwar extrem schön, aber nicht einfach nur eine Comicschönheit, der man ein Punkshirt ne ausgefallene Frisur, ein paar Nieren und Buttons verpasst, sondern eine Person die auf ihre ganz eigene Weise hübsch ist.
Es gibt also sowohl inhaltlich, als auch optisch Probleme bei der Adaption. Genauso wie es auch sehr starke Eigenschaften gibt. Ärgerlich ist letztlich aber doch, dass man es versäumt hat der ganzen Sache etwas eigenes zu verpassen, Dinge zu machen und zu zeigen die nur in einem Comic gehen. Denn natürlich kann man diese Geschichte auch in dieses Medium übertragen, auch wenn es schon so viele andere Varianten des Buches gibt. Man sollte dann aber wissen wie man etwas erschafft, wodurch Fans einen Grund haben sich gerade auch noch diese Adaption ins Regal stellen und diesen Fakt sehe ich leider nicht gegeben.
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