Fair Food (2014) [Tiberius Film]
Billig, billig, billig! Tomaten sind quasi in aller Munde. Und zwar so billig wie nie, nie gab es mehr davon. So ergeht es den meisten Lebensmitteln und die schier endlosen Neuveröffentlichungen von Büchern über gesunde Nahrung oder Shows ums kochen gaukeln uns so etwas wie ein Konsumbewusstsein vor. In Wahrheit ist es der breiten Masse vermutlich nie so egal gewesen woher ihre billigen Discount Lebensmittel eigentlich herkommen und unter welchen umständen sie hergestellt werden. Schreckliche Arbeitsbedingungen gibt es in allen Bereichen in denen Güter Produziert werden, hier soll es aber nun nicht nur um die Ausbeutung von Erntehelferinnen generell auf der gesamten Welt gehen, sondern speziell um die Tomatenernterinnen in Florida.
Unter der Produktion von Eva Longoria (Desperate Housewives) widmete sich Sanjay Rawal einer ziemlich guten Dokumentation zu dem Thema Lohndumping bei der Tomatenernte. Generell versucht man das Thema etwas genereller zu halten, zentral geht es jedoch um einen sechstägigen Hungerstreik, den einige Tomatenernterinnen durchstanden, damit die lokale Discounter Kette ihnen eine Lohnerhöhung von einem Cent gewährt, was im übrigen auch nach der Woche voller Proteste und Hungerstreik erreicht wurde. Genauer gesagt waren die Tomaten Aufkäuferinnen nicht mal zu einem Gespräch bereit.
Bei dem katastrophalem Cover und Eva Longoria als Produzentin und auch Interviewpartnerin hatte ich anfänglich sehr starke Zweifel daran, ob sich die Dokumentation wirklich lohnt. Im Nachhinein habe ich zwar nicht unbedingt viel neues dazugelernt, doch die Doku schafft es die Missstände gut aufzugreifen, sie zu reflektieren und daraus dann die richtigen und wichtigen Verbindungen und Schlüsse gezogen.
Alles dreht sich um die schrecklichen Zustände unter denen die Tomatenernterinnen, darunter viele “illegale” aus Südamerika ihrer Tomatenpflücktätigkeit nachgehen müssen. Um die Hintergründe dieses Themas zu beleuchten geht es ein wenig in die Vergangenheit, “Harvest of Shame” findet Erwähnung, genauso wie der damalige Arbeitskampf des Gewerkschaftlers Cesar Chavez. Auf dieser Grundlage wird dann der Arbeitskampf der Pflückerinnen begleitet. Dabei wird dann auch erklärt, dass nicht die Farmer an den Preisen schuld sind, sondern die Aufkäufer die Preise derartig zerstören. Dadurch können die Farmer ihren Arbeiterinnen nicht genug zahlen und teilweise sogar ihre Ernte zerstören, da der Kaufpreis weniger ist als die Weiterverarbeitung kosten würde.
Von dort aus könnte man jetzt halbherzig an die Verbraucher appellieren, dann würden alle teurere Tomaten kaufen und hätten ein wohliges Gefühl. Geholfen wäre den Menschen damit vermutlich aber nicht. Stattdessen werden die Zusammenhänge zwischen rassistischer Migrationspolitik, der Marginalisierung von Einwanderinnen und deren sklavenähnliche Dasein beleuchtet. Denn immer nach dem die Sklaverei verboten wurde, fanden sich Gruppen von Menschen, denen es derartig schlecht ging, dass sie teilweise unter schlimmeren Verhältnissen schufteten als einst die Sklaven. Durch diese Entrechtung einer gesamten Einkommensschicht sorgt man auch dafür das speziell Frauen durch die Machtposition von Aufsehern bedroht werden und oftmals auch sexuelle Gewalt ertragen, nur um ihre Arbeit nicht zu verlieren und ihre Familien ernähren zu können.
Durch genau diese Punkte denkt diese Dokumentation einige Schritte weiter als viele Andere aus der gleichen Sparte. Hier werden Probleme zu Ende gedacht und beleuchtet welche weiteren Aspekte man noch in solche Gleichungen einbeziehen muss. So ist “Fair Food” vielleicht keine sehr kritische Dokumentation oder hat zu viel neues zu bieten, trotzdem war ich sehr positiv darüber überrascht wie weit die Macher dann doch gedacht haben. Die Machart ist hochwertig und lockert den Hauptteil, durch leicht nachvollziehbare Lehrcartoons werden technische Details geklärt und auch ansonsten ist der Filmstil zwar nüchtern und wenig überladen, aber dennoch optisch nicht langweilig oder altbacken. Besser als erwartet, sogar sehr viel besser.
Die DVD von Tiberius Film hat ein gutes Bild, aber ein etwas nerviges Voice Over. Der O-Ton ist hier ganz klar eine klare Empfehlung, gerade dank Forest Whitaker (Battlefield Earth), als Erzähler.
8 von 10 verrottende Tomaten