Cannibal Girls - Der Film mit der Warnglocke (1973) [Anolis]
Clifford (Eugene Levy) und Gloria (Andrea Martin) sind erst recht frisch zusammen und freuen sich auf ein gemütliches Bumswochenende in Kanada. Auf dem Weg zu ihrer finalen Destination bleibt ihr Auto liegen, was sie dazu zwingt in dem kleinen verschneiten Ort Farnhamville einen kleinen Zwischenstopp einzulegen. Während jemand liebevoll an ihrem Auto rumschraubt, schrauben die beiden ein wenig aneinander herum. Die Besitzerin des kleinen Motels in dem sie untergekommen sind erzählt ihnen allerdings später von einem Trio kannibalischer Damen, die vor einiger Zeit die Gegend unsicher gemacht haben sollen. Im selben Atemzug erzählt sie den beiden von einem hübschen Restaurant ganz in der Nähe, das von einem gewissen Reverent (Ronald Ulrich) und seinen drei Köchinnen betrieben wird. Zeit diesem ehrvollem Haus mal einen Besuch abzustatten.
Heute kennt man Ivan Reitman als erfolgreichen Hollywood Regisseur angesehener Produktionen wie “Ghostbusters” I + II, sowie… okay, ansonsten hat er nur totalen Dreck wie “Kindergarten Cop“, “Die Super-Ex” oder “Junior” verzapft. Anfang der Siebziger kannte ihn aber noch niemand und er kam grad frisch aus der Filmschule, genauso wie Writer und Produzent Daniel Goldberg (Hangover) und Hauptdarsteller Eugene Levy (American Pie). Auch Hauptdarstellerin Andrea Martin, die darauf in meinem Lieblingsslasher “Jessy - Die Treppe in den Tod” mitspielte wurde über die Jahre zu einem größeren Namen. Die weiteren Darsteller waren damals allerdings ebenfalls Amateure, die es aber nicht wirklich weit gebracht haben im Filmgeschäft. Einzige Ausnahme ist da vielleicht noch Earl Pomerantz, der nicht nur Woody Allens Brillenstil bitet, sondern auch Produzent und Autor einiger Folgen der Bill Cosby Show war.
Durch die paar bekannten Namen konnte “Cannibal Girls“, der Film mit der Warnglocke, sich aber über die Jahrzehnte immer noch im Gespräch halten. Ein wenig hilft sicherlich auch, dass man sich erzählt es handele sich dabei um den ersten kanadischen Horrorfilm. Aber auch davon abgesehen hat das Filmchen einige nette Eigenschaften die für ihn sprechen, auch wenn es insgesamt doch ziemlicher Blödsinn ist. Zwischen Levy und Martin stimmt irgendwie schon die Chemie. Er ist schön süffig, eben ein richtiger Hippie und sie leichtgläubig, naiv, nervig, aber auch total liebenswert. Viel besser wird ihre Rolle noch dadurch, dass sie in der deutschen Version von Hildegard Krekel gesprochen wird. Eine sehr gute Wahl, denn nicht nur das sie ihre Rolle der aus “Ein Herz und eine Seele” recht ähnlich ist, sie sehen sich sogar wirklich ähnlich. Bisher wusste ich noch gar nicht, dass Frau Krekel auch schon mal Synchronarbeiten gemacht hatte.
Die beiden Figuren haben mir jedenfalls viel Spaß bereitet, gerade Clifford scheint ziemlich genervt zu sein, hat sie offenbar aber trotzdem ziemlich gern. Zum anderen wäre da der Humor, der einerseits durch die deutsche Dialogregie besser durchkommt, aber durchaus im O-Ton zu finden ist. Reitman meint den Film als eine Art Parodie aufs Horrorgenre angelegt zu haben, in Wirklichkeit begeht er aber viele der selben Fehler ohne es witzig zu meinen und bewegt sich oftmals unter dem Niveau von dem was er parodiert. Trotzdem sind gerade die Witzchen um den Kannibalismus im Örtchen recht komisch. Dank des sehr offensiven Titel sind nicht nur alle Bewohner des Dorfes, sondern auch die Zuschauer von Beginn an eingeweiht, womit man hier oft kokettiert. So verbietet man in dem Ort das Rauchen, schließlich wolle doch niemand Raucherlunge und ähnliche Witzchen. Zuerst dachte ich noch, der Titel wäre doch zu verräterisch, da man damit aber derartig spielt ist es gar nicht so verkehrt. Den Satirischen Ansatz sehe ich allerdings trotzdem nur marginal, trotzdem sind einige komische und teilweise auch unfreiwillig komische Momente vorhanden. Zu einem Miniknaller wird die Scary Pictures Produktion aber erst durch das Handanlegen durch Matthias Vogel und Michael Geimer, die eine feine deutsche Version gezaubert haben. Während die Dialoge im O-Ton oftmals nur improvisiert wurden, das Drehbuch soll wohl nur eine sehr dünne Angelegenheit gewesen sein, bekommt man auf Deutsch durchaus kesse Sprüche und einiges an Blödsinn. Es gibt zudem noch sehr subtile Witze, die man beim ersten mal im Vorbeigehen schnell übersehen kann und auf Slapstick wird zum Glück gänzlich verzichtet.
Andererseits haben die kannibalischen Damen ebenfalls so ihre Problemchen. Der Aufbau der Story ist total verkorkst. Man wechselt zeitlich einige male, wobei aber nie klar wird was wirklich passiert ist und dann kommen diese vermeintlich nicht wahren Rückblenden, die zudem noch zeitlich nicht fest zu nageln sind, noch der fortlaufenden Geschichte ins Gehege. Mittendrin wird auch ein völlig nutzloser Charakter vorgestellt, der darauf nicht mehr auftaucht, bis er sehr spät von unbeteiligten Figuren umgebracht wird. Bis dahin hat aber schon jeder vergessen was es mit ihm auf sich hat. Nach längerer Betrachtung seiner Szenen wird zwar klar was er darstellen soll, schlecht untergebracht ist er trotzdem und auf dem ersten Blick ergibt seine Figur keinen Sinn. Später wird eine längere Strecke als Traumsequenz vorgegaukelt, nur um dann einen völlig blöden Twist aus dem Hut zu zaubern. Da die Story aber eh unspektakulär und ziemlich egal ist, würde das nicht so viel ausmachen, wäre da nicht das Problem mit dem Tempo der Erzählung. Denn nach guten 45 Minuten sind wir am selben Punkt wie kurz nach Beginn, nur um dann 20 Minuten vor dem Finale am selben Punkt anzugelangen. Ziemlich nervig, stört aber auch nicht zu sehr, solange man sich eine schöne Zeit mit dem Film macht.
Zack! So viel geschrieben und noch kein Wort über die Glocke verloren. Dabei ist sie doch das große Verkaufsargument und das tolle Gimmick des Films. Die Geschichte dahinter ist, dass die Drive-In Experten von AIP den Film gekauft haben (lief dann wohl im Double Feature mit David Cronenbergs “Shivers“) und ihn nicht für stark genug gehalten. Daher musste ganz im Stil des kultigen William Castle ein dolles Gimmick her. Schnell war die Idee geboren jedes Blutvergießen und jede Schmuddelei mit einer schrillen Alarmglocke anzukündigen. Ist das ungehörige Treiben dann wieder vorbei, entwarnt eine weitere Glocke alle Zuschauer, die nicht “das Gemüt eines Fleischerhundes” haben. Beim ersten schauen haben wir die Glocke allerdings schmerzlich vermisst, was daran liegt das der englische, sowie deutsche Ton jeweils mit wie auch ohne Glocke enthalten ist. Zu sehr habe ich mich dann dennoch nicht gegruselt, vielleicht verfüge ich über das Gemüt eines Fleischerhundes, vielleicht sind die Goreszenen aber nicht zu eklig. Nur einer der Kills oder besser was danach von der Person übrig ist sieht fies aus und auch im Bereich Sexytime gezeigt wird, ist für einen Grindhouse Streifen aus den Siebzigern ziemlich prüde.
Anolis, euer liebstes Filmlabel mit ner Echse, hat den Film nun als schickes Mediabook zugänglich gemacht. Mit Cover A ist das Teil 750 mal, mit dem anderen 500 mal erhältlich. Ihr bekommt darin den Film in einer sehr schick restaurierten Version, mit einigen coolen Extras. Da wären die beiden Featurettes “Cannibal Guys” und “Meat Eugene”, ein Audiokommentar von Ingo Strecker und Thomas Kerpen, den deutschen und englischen Trailer, den TV Spot, das US Pressbook und eine Bildergalerie. Im Media Book findet sich noch ein 28-seitiges Booklet und als extra super Extra ist noch eine zweite DVD enthalten, auf der ihr den Film in der unrestaurierten Grindhouse Version bekommt. Ganz stilecht mit einem oldschooligem Vorprogramm mit alter Kinowerbung und einigen sehr coolen Trailern. Und auch auf der normalen Disc befinden sich noch ein paar Easter Eggs, wie man es von Anolis gewohnt ist. Super Release eines milde unterhaltenden Films.
6 von 10 Damen die ihr Trallala haben