Die Krawatte (1957) [Bildstörung]
Ein junger Mann (Alejandro Jodorowsky) in Paris, tut alles dafür bei seiner Traumfrau anzukommen. Sie ist allerdings nicht gerade von seinen Geschenken angetan und kümmert sich mehr um Süßigkeiten. Auf seinen Körper hätte sie jedoch schon bock, nur sein Gesicht nervt etwas. Um sie doch noch zu erobern, lässt er sich einen neuen Kopf aufschrauben. Während er den jetzt benutzt um die Dame klar zu machen, nimmt die Kopfhändlerin seinen Schädel mit zu sich nach Hause. Dabei entdeckt dieser, dass er vielleicht dem falschen Rock hinterher gejagt hat.
Alejandro Jodorowsky: 1929 in Chile geboren - oder irgendwann zwischen 1928-1931, so genau kann man es nicht mehr rekonstruieren, da das Taufamt seines Heimatorts abgebrannt ist, erarbeitete er seinen Lebensunterhalt ab 1942 als Puppenspieler und Clown in Santiago. Um seinen Horizont als Kleinkünstler zu erweitern zog es ihn nach Europa, wo er von Spanien nach Frankreich reiste und dort Unterricht bei dem legendären Pantomimen Marcel Marceau (Barbarella) bekam und auch mit Maurice Chevalier zusammenarbeitete, der einst selbst seine Karriere zerstörte, da er mit den Nazis klüngelte. Der Gipfel seiner neuen Profession war der 21-minütige Kurzfilm “La cravate”. Dabei handelt es sich um eine äußerst vage Adaption von Thomas Manns “Die vertauschten Köpfe”. Bei ihm spielt die Geschichte allerdings nicht in Indien, sondern in Paris. Es geht immer noch um Liebhaber die nicht zueinander finden, jedoch geraten bei ihm die sozialen Gründe in den Hintergrund und das Verhältnis zwischen die Figuren wird einerseits vereinfacht, andererseits beginnt Jodorowsky, der zugleich auch die Hauptrolle in seinem Stück spielt, hier damit die für ihn typischen grotesken und surrealen Elemente einzufügen.
Zwar hält er sich hier noch ziemlich zurück, jedoch sind schon erste Anzeichen seiner später sehr ausgeprägten Handschrift festzustellen. Hier spielt aber auch noch ein fröhlicher und sehr kindlicher Charme eine große Rolle, der in späteren Werken doch sehr stark unter Psychosexualer Symbolik und krasser Provokation vergraben wird. Hier ist also zum einen noch Marcel Marceaus Einfluss klar zu erkennen, wie auch Jodorowskys rebellische und künstlerisch eigenständige Art. Die Geschichte erzählt auf ungewöhnliche Weise, dass man sich für wahre Liebe niemals verbiegen sollte. Dies wird sehr poetisch, aber auch albern und verspielt rübergebracht. So gehen die 21 Minuten recht schnell rum, was vor allem an den Darstellern liegt, die ihre Rollen sehr gut gelaunt und verspielt ausfüllen können.
Was ganz besonderes sind allerdings auch die meist gezeichneten Kulissen, in die man das Konzept der vertauschbaren Köpfe wunderbar einbettet. “Die Krawatte” ist zwar sehr weit davon entfernt Jodorowskys beeindruckenstes Kunstwerk zu sein und sicherlich sind seine anderen Werke einflussreicher. Andererseits handelt es sich hierbei um einen äußerst unterhaltsamem Kurzfilm, der uns beinahe für immer abhanden gekommen wäre. Kurz nach seiner Fertigstellung ist die einzige Filmrolle nämlich verschwunden und erst 2006 wieder aufgetaucht. Der Pantomime Saul Gilbert, der gleichzeitig der Produzent der Krawatte war, nahm den Film nämlich an sich und verstarb kurz daraufhin an einer Krebs Erkrankung. Daraufhin zog dessen Frau wieder nach Deutschland, wo sie ursprünglich herkam und so landete der Film als Teil ihres Erbes auf dem Dachboden, wo man ihn vor ein paar Jahren wiederentdeckt. So ist uns allen dieses schöne filmische Kleinod wieder zugänglich, das ein halbes Jahrhundert verschwunden und für immer verloren geglaubt war.
“Die Krawatte” ist als Teil der Jodorowsky Filmbox nun auch bei uns erhältlich. Sie wurde digital aufbereitet und sieht nun wieder sehr hübsch aus. Man hat bei der Restauration wirklich viel geleistet und würde auf den ersten Blick nie denken, dass es sich dabei um einen Dachboden Fund handelt der schon so viele Jahre auf dem Buckel hat. Der Ton klingt sauber und da es sich um einen Stummfilm handelt musste man sich um die Lokalisation keine Gedanken machen. In den insgesamt drei Digipacks, die wiederum in einem Schuber kommt - natürlich mit abnehmbaren FSK Umschlag - befinden sich noch 2 umfangreiche Booklets, eines mit einem Interview, sowie dem Indizierungsbeschluß zu
“El Topo”
von damals und ein anderes über Jodorowsky Schaffen. Auf den DVD’s befinden sich außerdem noch die Filme “Fando und Lis”, “El Topo”, “Der heilige Berg”, die Dokumentation ”Die Konstellation Jodorowsky”, sowie Audiokommentare und viele andere Extras. Und dann sind da noch 2 Audio CD's mit den Soundtracks zu “El Topo” und “Der heilige Berg”. Fans des Ausnahmeregisseurs greifen also sehr entschlossen zu dieser tollen Box.
7 von 10 verschmähte Papierblumen