Die offizielle Marvel-Comic-Sammlung #22 - Spider-Man: Enthüllungen (Hachette)
Enthält Amazing Spider-Man (Vol. 2) #37-#45.
So viele Jahre lang konnte Peter Parker seine Geheimidentität als Spider-Man geheim halten. Bis zu dem schicksalhaften Tag, an dem ihn der Vampir Morlun beinahe getötet hätte. Nur dank der Hilfe Ezekiel konnte er überhaupt überleben. Kurz vorher dachte Peter allerdings noch, sein Tod wäre unausweichlich und so rief er im letzten Moment seine Tante May an, um sich von ihr zu verabschieden. Erschrocken eilte sie sofort zu Peters Wohnung, wo sie dann wenig später den beinahe tot geprügelten Neffen fand. Mit ihm lag ein zerfetztes Spider-Man Kostüm auf dem Laken. Seitdem weiß sie nun von dem Geheimnis, das Peter so lange vor ihr hüten konnte und sie weiß nicht wie sie darauf reagieren kann oder soll. Ein paar Tage später konfrontiert sie ihn mit dem was sie gesehen hat und zum ersten mal, seitdem Peter auf einem Schulausflug von einer atomar verseuchten Spinne gebissen wurde sprechen sie die Wahrheit voreinander aus. Etwas, dass sie schon lange vorher hätten tun sollen. Denn so können beide einiges von sich reden, was sie lange belastete. Gleichzeitig findet Peter schlimme Sachen über einige seiner Schüler heraus, Probleme die auch kein Superspinnenmutant lösen kann. Außerdem nimmt Mary Jane wieder Kontakt mit May auf und vielleicht bekommt Peter schon wieder eine neue Chance auf ein Leben mit ihr. Und dann taucht auch noch ein alter Feind mit acht Armen erneut auf.
Spider-Man war früher immer einer meiner Lieblingshelden und trotzdem meckere ich hier viel zu oft über seine Comicabenteuer. Eigentlich schade, schließlich ist er eine wirklich sympathische Spinne. Jedenfalls wenn er sich nicht mal wieder unsicher ist, ob er, er ist oder nur einer von vielen Klonen, er nicht von Aliensymbionten besessen ist oder ein unfähiger Autor seine humoristische Ader ins lächerliche abdriften lässt oder ihn als arroganten Idioten darstellt. Auch sein rum Geheule und die kindische Art nerven gerne. Ganz abgesehen davon, wenn er Pakte mit dem Teufel beschließt. Eine andere Geschichte…
“Enthüllungen” ist allerdings ein Arc, der all diese negativen Punkte weitläufig und fast immer erfolgreich umschifft. Die eher schwachen Momente sind jedoch sehr selten und auf der anderen Seite steht ein wirklich gut geschriebener Comic mit vielen emotionalen Highlights. Die Geschichte eröffnet mit Peter als Lehrer an seiner alten Schule der Midtown West. Dort sorgt er sich gerade um seine Schülerin Jennifer, die zwar intelligent ist, aber stetig schlechtere Noten schreibt. Als er sich bei ihr Zuhause nach den Gründen dafür erkunden will, muss er feststellen, dass New York nicht nur viele Super Schurken aufzuweisen hat, sondern auch unendlich viele soziale Missstände aus denen weder Spider-Man noch ein wirklich engagierter Lehrer helfen kann. Diese ernste, trotzdem aufgeweckte, aber führsorgliche Art von Peter steht der Figur unheimlich gut. Hätte J. Michael Straczynski hier wie viele andere einfach nur den platten Sprücheklopfer geschrieben, wäre die Story etwas gänzlich anderes geworden, etwas minder wertvolles. Trotzdem verzichtet JMS keineswegs auf flache Witze und dumme Schnacks. Er weiß allerdings wann und wo diese zu platzieren sind.
In der Ausgabe danach steht dann das Gespräch zwischen Neffe und Tante an. Die gesamte Ausgabe ist nur ein einziges langes Gespräch zwischen den beiden, bei dem einige Altlasten von der Seele geredet werden. Emotionale, teilweise vielleicht einen ticken zu melodramatische Ausgabe, die es aber versteht mit den Figuren umzugehen weiß.
#39 geht dann eine ganz anderen Weg. Ganz ohne jegliche Textblasen erzählt John Romita Jr. Artwork die Geschichte. Sehen, können wir hier, wie Spider-Man, Peter, Tante May und MJ ein paar Tage ihres Lebens leben. Peter versucht seiner Tante wieder näher zu kommen, MJ zerbricht an ihrer Einsamkeit und Sehnsucht nach Peter, Spider-Man muss ein paar kleine Ganoven verhaften und Tante May versucht Spider-Mans Ruf bei der Presse etwas zu verbessern. Eine mutige und sehr starke Ausgabe, in der man sich gänzlich auf Romita verlassen hat. Jeder schwächere Künstler hätte es wohl nur schwer geschafft dieses Heft interessant zu gestalten. Aber genauso wie bei allen Heften dieses Sammelbands oder viel mehr hier besonders, sind seine Zeichnungen lebendig, emotional, manchmal temporeich, oft melancholisch, aber trotzdem auch irgendwie leicht beschwingt und so bunt und cartoonig wie es bei Spidey nun mal sein muss.
In den weiteren Ausgaben musste JMS scheinbar wieder kommerzieller und verwertbarer arbeiten. Der Drama Anteil, die Auseinandersetzung mit dem schwachen Sozialmilieu gerät immer mehr in den Hintergrund, emotionale Probleme ebenso. Stattdessen kommen neue und alte Feinde auf die Bühne, die Schreibe wird mehr so, wie man sie schon aus hunderten Superheldencomics kennt. Die zweite Hälfte des Handlungsbogens ist keinesfalls schlecht, aber im vergleich zum intelligenten Start, der sich vor vielen der gängigen Konventionen drücken konnte, fehlt dann doch das Besondere. Da macht Romita aus der Sache auch kein Meisterwerk mehr. Spider-Man Fans bekommen allerdings in jedem Fall einen großen Arc, hätte man auch die zweite Hälfte so einzigartig wie die Erste gestalten können, dann wäre dies hier ein Meisterwerk geworden.
Wie alle anderen Hardcover Bände aus der Hachette Collection kommt auch dieser hier mit einem Vorwort, ein kleiner Text bringt unerfahrene Leser auf den aktuellen Stand und im Anschluss an die Geschichte wartet noch ein wenig Bonusmaterial. Dieses setzt sich aus einem Text über JMS, Hintergründe zu allen Liebschaften die Peter in den vielen Jahrzehnten einging und ihr bekommt eine Galerie mit den verschiedenen Designs und Version des Dr. Octopus.
8 von 10 formschöne Brandnarben