Seconds ist die neuste Graphic Novel des Scott Pilgrim Autoren Bryan Lee O'Malley, der nach langer künstlerischer Pause nun mit einer neuen, erwachseneren Geschichte zurückkehrt. Hier erzählt er von der 29 jährigen Katie, die magische Kräfte missbraucht um die Probleme ihres Lebens zu korrigieren und dabei letztlich nur weitere erschafft.
Katie Clay ist die Gründerin und Chef-Köchin eines der beliebtesten Restaurants in einer nicht näher genannten Stadt - dem Seconds. Obwohl sie selbst nicht mehr mit dem Tagesgeschäft betraut ist bewohnt sie ein kleines Apartment direkt über dem Restaurant. Eines Nachts wird sie von einem mysteriösen, weißhaarigen Mädchen namens Lis aus dem Schlaf geholt. Lis überlässt Katie einen Notizblock, einen einzelnen Pilz und eine Kurzanleitung für den "Versuchs-nochmal"-Zauberspruch.
Dieser soll es Katie ermöglichen einen vergangenen Fehler zu korrigieren.
Lis besteht jedoch darauf ,dass es nur einen Pilz pro Person gibt, doch als Katie unter dem Dielenboden der Vorratskammer weitere Exemplare entdeckt, ignoriert sie diese wichtige Regel. Sie nutzt ihren neuen Pilzvorrat um Probleme beim Bau ihres neuen Restaurants zu beheben, um ihre Beziehung mit ihrem Ex-Freund wieder herzustellen und ihr Leben dadurch perfekt zu machen. Doch jede Änderung der Realität erzeugt als kausale Reaktion immer mehr neue Probleme, so dass letztlich die ganze Realität in Gefahr gerät.
Zu Beginn der Erzählung fällt es einem leicht mit Katie zu sympathisieren, da sie ein normaler mit jeder Menge menschlicher Probleme behafteter Mensch ist. Ihr großer Traum vom zweiten Restaurant stockt. Die Beziehung zu ihrer großen Liebe zerbrach und auch alles andere will einfach nicht so richtig klappen. Durch die fantastische Komponente um den Hausgeist Lis und die Möglichkeit vergangene Fehler zu korrigieren wird die Geschichte etwas von der Realität gelöst und befasst sich trotzdem mit recht alltäglichem Wahnsinn. Leider wird die Protagonistin (ob beabsichtigt oder nicht) im Laufe der Lektüre zunehmend unsympathischer, da sie sich mehr und mehr dem Missbrauch der Kräfte hingibt und mit zunehmender Verzweiflung darum ringt die Dinge perfekt zu machen.
Dabei agiert sie sehr rücksichtlos besonders Lis gegenüber, welche besonders davor gewarnt hatte zu viele Änderungen vorzunehmen, aber Katie ignoriert das eiskalt. Würde darauf ein Pfad der Läuterung folgen, auf dem Katie als eigenständigem Charakter bewusst wird, was sie getan hat und rechtzeitig realisiert das Menschen nun mal Fehler machen, hätte die Erzählung einen angenehm klimatischen Bogen. Doch stattdessen treibt sie es fast bis zu ihrem eigenen Ende um dann grade noch einen rettenden Einfall zu bekommen.
Die Moral der Geschichte, die es auf den wenigen verbleibenden Seiten der Novelle gibt, ist dadurch etwas verwässert und weniger deutlich als es ein Prozess der Selbstreflektion gewesen wäre.
Sehr schön hingegen ist die Erzählperspektive gelungen. Es gibt einen allwissenden Erzähler, der uns durch die Geschichte führt, Panels kommentiert und Katies Innenleben beschreibt. Dabei scheint immer wieder durch das es sich bei diesem Erzähler um Katie selbst handeln könnte, was aber nicht abschließend geklärt wird. Besonders viel Spaß hatte ich daran, dass es Momente gibt in denen die Handlungsebene direkt mit der Erzählebene verschmilzt, so dass Katie dem Erzähler trotzig wiederspricht oder direkt mit ihm interagiert. Eine Art "forth wall break" innerhalb der Geschichte. Außerdem sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass es ähnlich wie in Scott Pilgrim wieder die ein oder andere modern, popkulturelle Referenz innerhalb der Welt gibt.
Das visuelle Bild entspricht O'Malleys Stil aus füheren Werken mit einer Mischung aus japanischem Manga, besonders im Bereich der Proportionen, einem cartoonesken Minimalismus, breiten Outlines und einer kräftigen Farbpalette, mit einer Tendenz zu Rottönen.
Seconds ist eine sehr schön gestaltete Graphic Novel, die sich auf fantasievolle Weise mit der Fehlerhaftigkeit des Lebens auseinandersetzt und uns das menschliche Verlangen näherbringt das Leben nach dem eigenen Willen zu gestalten.