Harvest Moon 3D - Geschichten zweier Städte (Nintendo 3DS)
Seit 26 Jahren schon wächst und gedeiht das Harvest Moon-Franchise. Über 20 Titel sind bisher für so gut wie jede erdenkliche Konsole erschienen. Neben dem SNES-, PSX- und Gamecube-Teilen konnte mich vor allem der Science-Fiction-Ableger für die PSP und Rune Factory, der Fantasy-Ableger auf dem NDS, überzeugen. Nun ist der neueste Harvest Moon-Teil erschienen. Ihr könnt euch wieder um euren Hof kümmern und das sowohl auf dem NDS als auch sogar erstmals in 3D auf eurem 3DS.
Die Mauer muss weg…
…oder besser gesagt der Tunnel. Also wieder begehbar gemacht werden muss er. Denn die Geschichte des Spiels lautet folgendermaßen: Westlich und östlich eines großen Berges befinden sich die beiden Dörfer Bluebell und Konohana. Im europäisch anmutenden Bluebell hat man sich auf die Aufzucht und Pflege von Tieren spezialisiert, während man in Konohana im japanischen Flair Kirschblütenfest feiert und sich mit dem Ziehen von Gemüse über Wasser hält. Damit die Einwohner für den Besuch bei ihren Freunden nicht immer den beschwerlichen Weg über den Berg auf sich nehmen müssen, errichteten sie einen Tunnel, der von Bluebell direkt nach Konohana und andersherum führt. Nach einiger Zeit überwarfen sich die beiden Dörfer aber immer mehr über die Frage, welches Dorf denn die besten Köche hätte. Irgendwann war die Erntegöttin derart genervt von den Streitigkeiten der beiden Parteien, dass sie kurzerhand den Tunnel einstürzen ließ. Seitdem treffen sich die Einwohner der Dörfer nur noch, um Kochturniere abzuhalten, in denen ermittelt werden soll, wer der Beste ist.
Kühe kraulen oder Erdbeeren ernten?
Mitten in diese angespannte Situation zieht ihr nun auf euren Hof. Erstmal entscheidet ihr euch für ein Geschlecht, dann für ein Dorf. Wenn ihr Konohana wählt, bekommt ihr ein weitestgehend veganes Spiel vorgesetzt, in dem ihr euch um die Felder kümmert. In Bluebell geht es hingegen darum, eine große Kuhherde aufzuziehen und einige Hennen zum Eierlegen zu überreden. Dabei müsst ihr aber nicht auf eines von beiden verzichten, denn ihr könnt später nämlich immer wieder umziehen, wenn ihr wollt.
Der Fokus liegt dann natürlich darauf, mit dem Hof möglichst viel Geld zu verdienen, ihn auszubauen und reich zu werden. Aber das ist natürlich nicht alles im Leben. Wichtig ist es, sich auch mit den Dorfbewohnern anzufreunden, was durch stetige Besuche und Geschenke erreicht wird. Wenn euch eine der Personen des anderen Geschlechts besonders gefällt, kann auch gerne geheiratet werden. Selbst mit den Tieren des Bergs kann man sich anfreunden, wenn man sie nicht immer herumwirft und seinen Müll 'rumliegen lässt. Wenn man ihnen dann auch noch was zu Essen gibt und sie immer lieb begrüßt, werden sie euch irgendwann sogar beschenken (und der Bär und die Wildschweine werden euch nicht mehr attackieren). Das große Ziel ist allerdings, die beiden Dörfer wieder zu vereinigen. Dafür müsst ihr immer brav an den Kochwettbewerben teilnehmen und je besser ihr euch dabei anstellt, desto besser werden sich die beiden Bürgermeister wieder verstehen.
Sammeln, ernten, sammeln, streicheln, sammeln, quatschen, sammeln, sammeln, sammeln, kochen!
Willkommen im Bauernalttag. Jeden Morgen wird um 6:00 Uhr aufgestanden und dann heißt es Tiere versorgen oder Pflanzen säen, ernten oder gießen. Das macht ihr dann solange, bis es nichts mehr zu tun gibt oder bis eure Ausdauer fast aufgebraucht ist. Falls ihr noch mehr arbeiten müsst, könnt ihr noch schnell was kochen, um wieder zu Kräften zu kommen (dabei kocht ihr entweder eines der zahlreichen erlernten Rezepte nach oder versucht euch an etwas Neuem), ansonsten geht ihr anderen Dingen nach. Abseits eures Hofes erkundet ihr die beiden Dörfer, freundet euch mit den Bewohnern an und sucht nach heiratswilligem Material. Beim Einkaufen müsst ihr auf die Öffnungszeiten achten. Jeder der Einwohner hat seinen festen Tagesablauf und kann daher nicht immer zuhause gefunden werden. Um euch weiterhin zu beschäftigen - der Tag ist ja noch jung - könnt ihr euch kleine Quests von den anderen Leuten holen. Dafür müsst ihr immer irgendwelche Items zu ihnen bringen und bekommt dafür kleine, feine Geschenke von ihnen und natürlich ihre Freundschaft.
Außerhalb der Dörfer liegt der Berg. Eure übrige Zeit werdet ihr dann vermutlich dazu nutzen diesen zu erkunden. Überall sind nützliche Dinge zu finden - Pilze zum kochen, Gewürze, Steine, die später von euch bearbeitet werden können, wenn ihr einen Hammer bekommt (in diesem Teil sind nicht alle Werkzeuge von Beginn an verfügbar), aus denen ihr dann einen größeren Hof bauen könnt und so weiter. Außerdem ist alles voll mit Käfern, Schmetterlingen und anderem Krabbelzeug, das ihr einfangen könnt. Auch fischen könnt ihr. Zuerst nur im seichten Wasser mit der Hand, später mit einer Angel in tieferen Gewässern. Im Verlauf könnt ihr auch der Erntegöttin Geschenke machen, neue Gebiete des Walds freilegen oder Erz abbauen. Es gibt also immer viel zu tun.
Sucht oder Langeweile?
Wie bei jedem Harvest Moon-Titel wird die Spielergemeinde über Sinn und Unsinn des Games gespalten sein. Man muss sich aber auch klar eingestehen, dass es nicht gerade berauschend klingt, ständig die gleichen Dinge zu machen und das über unzählige Stunden hinweg. Die Events sorgen auch nicht gerade für Abwechslung. Trotzdem gibt es wenige andere Spiele, die derart fesseln können. Man wird einfach sofort süchtig. Man will dann doch noch solange spielen, bis die Kuh ihr Baby bekommen hat, so viel Geld sammeln, damit man sich einen besseren Pferdekarren leisten kann oder einen bestimmten Schmetterling finden. Und wenn das alles geschafft ist, hat man vielleicht auch schon alles, was man braucht, um den Bauernhof zu vergrößern. So geht es dann immer weiter und schon wieder fehlen ein paar Stunden eures Lebens. Vielleicht hat Harvest Moon nicht unbedingt das aufregendste Gameplay, aber es ist simpel und komplex zugleich. Es fordert immer wieder ohne anstrengend zu sein. Wie alle Spiele, in denen man Dinge anhäuft, ist auch dieses hier sehr befriedigend.
Gut gelungen ist es, diesen Teil auch für noch junge Spieler und Harvest Moon-Einsteiger leicht zu gestalten. Man wird nicht sofort mit allen Optionen dieses freien Spiels erschlagen, sondern bekommt kontinuierlich neue Spielfeinheiten dazu. Hierbei wäre aber ein „Pro“-Modus oder ähnliches ganz nett gewesen, damit erfahrene Bauern gleich zu Beginn aus dem Vollen schöpfen können. Neue Features gibt es aber auch ein paar. Zum ersten Mal können (unheimlich süße) Alpakas gezüchtet werden und ihr könnt euch auch als Imker betätigen. Desweiteren ist es möglich, mit einer zahmen Eule von Dorf zu Dorf zu fliegen. All das verändert das Spielgefühl nicht wirklich stark, daher ist fraglich, ob wirklich jeder Fan jeden Teil der Serie braucht.
Grafik, Sound, 3D?
Die Grafik ist knuddelig und durchaus zweckmäßig. Da würde natürlich einiges mehr gehen. Dafür ist die Berglandschaft und die Ausstattung der Dörfer aber üppig und detailverliebt und überall wuselt etwas herum. Die Farben sind auch schön bunt und so hat das Auge wenigstens immer daran zu arbeiten, den Zucker zu verdauen. Der 3D-Effekt kommt allerdings überhaupt nicht zum Tragen. Tiefe ist nur in Gesprächen zu erkennen. Dabei hebt sich dann die Texttafel etwas vom Hintergrund ab und, wenn ihr per Touchscreen eure Tiere streichelt, wirkt es ganz minimal dreidimensional. Man kann also auch ohne Weiteres auf die NDS Version zurückgreifen, macht keinen wirklichen Unterschied. Was aber richtig ärgerlich ist, sind die zu häufig vorkommenden kleinen Ruckler. Stört zwar nicht so stark, ist bei der Grafik aber völlig unnötig und vermeidbar. Zum Sound gibt es nicht viel zu sagen, ziemliche Katastrophe. Extrem monoton und uninspiriert. Der von Harvest Moon auf dem Super Nintendo war im Vergleich ein Meisterwerk. Ich musste ihn auch nach einer halben Stunde ausstellen, da er nur langeilig und repetitiv klingt.
Bauer on Tour!
Wer ungern alleine spielt, kann entweder per Streetpass Items mit anderen Spielern tauschen oder ab einem bestimmten Zeitpunkt an ein Multiplayer-Feld bewirtschaften, um das man sich dann mit Freunden kümmert. Beides nett und sicherlich auch nötig für ein aktuelles Spiel, trägt aber leider nicht wirklich zum Spiel bei und kann nur als kleines Extra angesehen werden. Die Motivation online zu spielen wurde jedenfalls bei mir nicht geweckt.
Fazit:
Das Spielprinzip von Harvest Moon funktioniert und wird es auch immer tun. Sammeln und ernten bleibt ungemein befriedigend und wirkt zudem noch beruhigend. Einfach mal den Gurken beim Wachsen zusehen, was kann es Schöneres geben? Ball spielen mit dem Hund und dann einer Kuh die Nase kraulen, die man gerade erst liebevoll Pupsi getauft hat. Eine schöne harmonische Welt, kein Stress und mächtige Melonen. Viel mehr kann man eigentlich nicht verlangen. Vielleicht ist diese Art von unaufgeregtem Gameplay nicht mehr zeitgemäß, zumindest ist es nicht hip. Aber Fans der Reihe wird es immer geben und auch ich verstehe den Reiz sehr wohl. Kritikpunkte sind hier allerdings der unnötige 3D-Modus, der schlechte und langweilige Sound. Ein Online-Modus, der mehr bietet als anderen Leuten ein bestelltes Feld zu überlassen, wäre auch interessant gewesen.
Ich kann die „Geschichten zweier Städte“ allen Fans der Reihe weiterempfehlen. Es muss aber jeder selbst entscheiden, ob die kleinen Neuerungen einen erneuten Kauf rechtfertigen, wenn ihr schon andere Teile im Regal stehen habt.
7 von 10 ausgebüchste Hühner