Auf den Filmfestspielen in Cannes 2011 debütierte der Österreicher Markus Schleinzer mit seinem äußerst umstrittenen Film „Michael“. Dieser stellt eine literarisch wie filmische Aufarbeitung des Falles von Natascha Kampusch
dar, welche genau wie der Protagonist des Filmes als 10 Jährige in einem schalldichten Keller festgehalten und über Jahre misshandelt und vergewaltigt wurde.
Ein Fall der ganz Österreich erschütterte und der für lange Zeit in den Köpfen vieler Menschen festsitzen wird. Um diesem Gesellschaftstrauma Luft zu verschaffen versucht sich Schleinzer bewusst an dieser sehr komplexen, sich im Randbereich des Vorstellbaren bewegenden Thematik. Hierbei nutzt er das Mittel des Filmes um nüchtern und sehr sachlich den Alltag von Wolfgang und seinem Peiniger Michael darzulegen. Durch diese Distanz verlagert er den Zuschauer in die Position des Pädophilen und man selbst wird Teil der krankhaften Wechselseitigkeit von normalem Alltag und dem „Zusammenleben“ der beiden.
In seinem täglichen Alltag als Versicherungskaufmann hält Michael die Fassade eines absolut normalen Menschen aufrecht, der Freundschaften pflegt und sein geheimes Doppelleben durch mehr oder weniger geschickte Geschichten und Finten zu verheimlichen sucht. Auf der anderen Seite das häusliche Zusammenleben von Michael und Wolfgang, der unter vorgezogenen Gardinen selten den Keller verlassen und nach oben kommen darf. Der Missbrauch selbst wird nie gezeigt bleibt aber jederzeit als Grauen im Hinterkopf präsent. Dadurch kommt der Film nie in die Verlegenheit voyeuristisch oder sensationsheischend zu sein erzeugt aber eine extrem beklemmende Situation, wird doch den allermeisten ein solches Gedankenbild äußerst zu wieder sein, so fühlt man sich durch den Film stark mit eben jenem konfrontiert, wodurch der Zuschauer gezwungen wird eine ernsthafte Auseinandersetzung zu betreiben.
Die Kinokontrovers Reihe ist bekannt für ihre schweren und geistig äußerst anspruchsvollen Thematiken, die sich nicht selten mit unbequemen gesellschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzen. Hier bildet auch Michael keine Ausnahme und so spaltete er, wie man so schön sagt die Gemüter. Die einen finden in brillant ob seiner trockenen und doch zielführenden Darstellung, wird er von anderen für seinen leichtfertigen Umgang mit diesem Themenschwergewicht gescholten.
Die Wahrheit oder zumindest eine Wahrheit liegt, wie sooft dazwischen. Der Film ist nicht perfekt manche Sequenzen wirken etwas zu bemüht und lehnen sich für den sonst klar nüchternen Stil etwas zu sehr ans Kunstkino (à la Arthouse) an. Auch ist die Änderung, dass es sich bei dem Opfer nun um einen Jungen statt um ein Mädchen handelt ein Schritt der möglicherweise ein klein wenig kritikbedürftig erscheint, sind es leider viel häufiger junge Mädchen und Frauen die Opfer solcher Gräueltaten werden. Durch eine zu stark männlich fokussierte Ausrichtung geht dieser gesellschaftliche Fakt leider unter.
Insgesamt ein sehenswerter Film der einen mit dem Abgrund menschlichen Handels konfrontiert.
7.8 von 10 kontroversen Kompensationen