Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen - 2009 (Panini)
2009: Zur Zeit ist Orlando männlich und als britischer Soldat an der Front des, völlig aus dem Ruder geratenen Kriegs in Q'mar. Er soll eine Medaille bekommen, da er als einziger ein schreckliches Massaker überlebt hat und dann als Kriegsheld nach Hause geschickt werden. Vor seiner Abreise gesteht er aber noch einem, ebenfalls unsterblichen Kameraden, dass er Amok gelaufen und an dem Massaker schuld ist. Er kehrt in eine dystopische Version Londons zurück wo er in der völlig verlassenen Basis der Liga der außergewöhnlichen Gentleman wieder zur Frau wird. Bald wird sie dort von Prospero aufgesucht, der ihr sagt, dass in England der Antichrist geboren wurde und aufgehalten werden muss bevor die Welt zerstört wird.
Alleine kommt sie dabei aber nicht weit. Daher begibt sie sich zu den Freimaurern, wo sie mit der neuen M sprechen möchte, die sich als Emma Night vorstellt. Im Tausch gegen das Unsterblichkeitsserum ist sie dazu bereit Orlando zu verraten wo Mina sich aufhält. Auf dem Weg in die Psychiatrische Anstalt von Rosa Coote, trifft sie auf ihren alten Wegbegleiter Allan Quartermain, der mit den Erinnerungen an die Kämpfe die er in der Liga gefochten hat und mit seiner Unsterblichkeit nicht mehr klar kommt und nun Heroinsüchtig geworden ist. Auch Mina ist keine Hilfe, da sie seit 1969 in der Klinik unter Drogen gestellt wurde. Sie holt Mina aus der Klinik und setzt ihre Tabletten ab. Bald erinnert sie sich daran, dass nur Norton weiß wo man den Antichrist findet. Dieser führt sie zu einem unsichtbaren Bahnsteig, über den man zu einer unsichtbaren Zauberschule kommt in der, der Antichrist ausgebildet wurde und eines Tages seine Mitschüler erbarmungslos hinrichtete.
Die Dinge spitzen sich zu. Der Antichrist hat scheinbar seinen Erzfeind Haddo geköpft und seinen noch lebenden Kopf mit sich genommen, Mina und Orlando kommen sich körperlich wieder näher und Prospero befiehlt ihnen Excalibur zu nehmen um damit Verstärkung zu rufen. Eine magische Frau fällt vom Himmel und Allan kauft sich eine Waffe um Selbstmord zu begehen. Kann die Welt noch vor dem Untergang bewart werden?
Oh man, ich habe wirklich lange versucht die Zusammenfassung des neuesten Liga Bands kurz zu halten, aber selbst wenn man die Handlung dieses Comics nur anreißt kommt so ein Text wie der da oben dabei raus. Dabei sollte man eigentlich zu den Comics der außergewöhnlichen Gentlemen gar keine Rezensionen lesen. Entweder sie sprechen euch an und ihr entdeckt sie selbst oder ihr werdet vermutlich sowieso niemals Zugang zu Alan Moores wahnsinnig komplexen Universum finden. Denn mal wieder treibt er es hier auf die Spitze. Die Sache ist nämlich das man bei anderen Comics, wie zum Beispiel von denen eines Grant Morrisons vielleicht die gesamten Backstorys einiger Charaktere kennen muss, aber bei den Gentlemen muss man nicht nur wissen was in dieser Comicreihe passiert ist, sondern man muss auch historisch, politisch und nicht zuletzt in allen erdenklichen popkulturellen Dingen sehr belesen und rundum informiert sein.
Natürlich versteht man auch so einiges, aber um Moores komplexe Visionen zu verstehen sollte man sich darauf einstellen auch diesen Band einige male zu lesen um neue Hinweise zu entdecken und einiges wird man auch extern nachlesen müssen um herauszufinden was es mit allen Figuren, Ereignissen, Anspielungen, Parabeln, Doppeldeutigkeiten und so weiter auf sich hat. Alles hat sich mir auch nicht ganz erschlossen aber der Hauptplot und viele der wichtigsten Dinge sind doch recht offensichtlich. Letztlich lässt sich die Geschichte ganz grob so beschreiben:
Die letzten Überbleibsel der Liga bekämpfen mit der Hilfe von Marry Poppins, die der biblische Gott ist, gegen Harry Potter, der als Antichrist die Welt zerstören möchte.
Klingt erstmal merkwürdig, ist leider zum Ende hin etwas antiklimatisch, fügt sich aber im Endeffekt doch perfekt in diese extrem merkwürdige Comicreihe. Zu den altbekannten Charakteren kommen in diesem Band also Harry Potter, Lord Voldemort und Marry Poppins. Die drei werden wohl jedem offensichtlich sein. Kryptischer wird es bei Emma Night, die als M (aus dem James Bond Universum) für die Freimaurer arbeitet. Bei ihr handelt es sich um Emma Peel aus der britischen Agenten Serie “The Avengers”. Eine frühe feministische Figur, in der TV-Serie von Diana Rigg und im Kinofilm von Uma Thurman gespielt. Dann wäre da noch Rosa Coote, eine fiktive Domina, die immer wieder in viktorianischen Erotikgeschichten vorkam. Soweit aber nur die offensichtlichsten Charaktere, der Rest muss dann von euch selbst entdeckt werden. Viel Spaß und viel Erfolg.
Die etwas dünne Geschichte des vorherigen Bands wird wieder etwas aufgefüllt. Diesmal geht es weniger um die umstände der dargestellten Epoche und mehr darum eine relativ nachvollziehbare Geschichte zu erzählen. Bei der Darstellung des Gefühlsleben seiner (geliehenen) Figuren, beweist Moore abermals viel Feingefühl und ein gutes Händchen für starke Emotionen. Wenn ihr den Gentlemen bisher treu wart, gibt es auch mit diesem Band keinen Grund nicht nach England zurück zu kehren.
Ebenso wie beim letzten mal ist Kevin O'Neill fürs Artwork zuständig gewesen. Er hält an seinem Stil fest und fügt selbst noch einige clevere Anspielungen zu anderen Werken hinzu. Die Detailldichte ist erneut fabelhaft, insgesamt sind die Zeichnungen diesmal aber Bodenständiger, schon allein weil dieser Band fast vollkommen frei von Drogentrips ist. Dafür betreten Mina und Orlando aber Fantasie Dimensionen Englands die optisch recht aufregend aussehen.
Zum Schluss gibt es ebenso wie in den beiden vorangegangenen Bänden auch hier wieder ein Kapitel des fiktiven Science-Fiction Roman “Minions of the Moon” der im im Stile der Science-Fiction der Sechziger geschrieben ist. Auch hier wimmelt es nur so vor Anspielungen auf Baron Münchhausen, Geschichten von H.G. Wells, Jules Verne oder sogar Marvels Charakter Uatu (der bei den Fantastic Four vorkommt). Abgerundet wird auch dieser Comic wieder mit gefakten Werbeanzeigen.
Ein wunderbarer Comic für Entdecker und alle die sich gerne intensiver mit ihren Unterhaltungsmedien befassen. Nebenher konsumiert werden kann dieses Kunstwerk jedenfalls nicht, war aber auch sicher nicht Moores Ziel.
8 von 10 Gräber in guter Gesellschaft