The Golden Age of DC Comics (TASCHEN)
Dem Menschen war es lange nur über Worte möglich, sein Erlebtes oder ausgedachte Geschichten weiterzuverbreiten oder zu konservieren. Erst durch die ersten Höhlenmalereien konnte der Mensch seine Erinnerungen und sein Erlebtes für die Nachwelt hinterlassen. So wurden nicht nur zum ersten Mal Geschichten ohne Worte erzählt, sondern auch Kunst geschaffen. Bis daraus das entstehen sollte, was wir heute Comics nennen, sollten einige Jahre vergehen. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts haben sich Bilder und Worte angenähert. Die ersten Comicstrips kamen in Amerika 1896 auf, schon ein paar Jahre vorher existierte mit “Max und Moritz” in Deutschland eine Art Vorreiter der Comics. Im Gegensatz zu den ersten amerikanischen Zeitungsstrips fehlten dabei aber noch Sprechblasen und die Aufteilung in Panel. Einige Jahre später hatten sich Comicstrips schon relativ gut etabliert und der findige Geschäftsmann Max Gaines wollte das Medium auf die nächste Stufe hieven.
Zuerst fertigte er nicht nur Strips, sondern auch kleinere Sammlungen von Funnies in Heftform an. Teilweise sogar in Farbe. Diese verkaufte er an Geschäftsleute, die diese als Werbegeschenke zu anderen Artikeln weggaben. Da dieses Geschäft so gut lief, versuchte er es einfach mal ohne Mittelmänner. Er klebte Preisschilder auf ein paar Hefte, ließ sie an einem Kiosk auslegen und am Abend waren alle Comics verkauft. Es bestand also wirklich Nachfrage. Dies beobachtete der exzentrische Pulpautor Malcolm Wheeler-Nicholson, der sich auch noch lange nach seiner Militärkarriere mit Major ansprechen ließ und weiterhin gerne seine Uniform in der Öffentlichkeit präsentierte. Kurz darauf gründete er National Allied Publications und veröffentlichte unter diesem Label im Februar 1934 das erste amerikanische Comicheft mit dem Titel “New Fun: The Big Comic Magazine #1”. Dies war der Anfang einer Erfolgsgeschichte, die immer wieder von schweren Zeiten unterbrochen wurde, aber bis heute anhält.
Schon wieder überrascht der TASCHEN Verlag mit einer ausgezeichneten, sogar mit einem Eisner Award prämierten, Veröffentlichung. Nachdem man mit “75 Jahre DC Comics. Die Kunst moderne Mythen zu schaffen” schon einen Überblick über die gesamte Historie des DC Verlags erschaffen hat, legt Paul Levitz (als Comicwriter gerade mit seiner Huntress Miniserie positiv aufgefallen) ein Mammutwerk über das goldene Zeitalter der DC Comics vor. Auf 416 Seiten in der Größe 23,8 x 32,4 cm im stabilen Hardcover erzählt der erfolgreiche Comicautor von den Höhen und Tiefen des Verlags in den Jahren 1935-1956, womit das gesamte Golden Age abgedeckt wird. Eröffnet wird der wissenswerte Wälzer nach einem Vorwort von Levitz durch ein locker geführtes Interview mit DC Urgestein Joe Kubert (Hawkman).
Angereichert mit den besten, bemerkenswertesten oder auch manchmal einfach nur ulkigsten Covern der Anfangstage, skizziert Levitz auf den folgenden 40 Seiten die ersten 21 Jahre des Verlags. Dabei finden nicht nur die wichtigsten Reihen Erwähnung wie Detective Comics, Action Comic, All-Star Western, die selbst heute noch zu den Eckpfeilern des Labels gehören, sondern auch heute lang vergessene Artefakte wie Adventure Comics, Movie Comics, Star Sprangled Comics und so weiter. Man lässt wirklich nichts aus. Ebenso werden die wichtigsten Autoren und Zeichner vorgestellt und auch auf einzelne Höhepunkte und Tiefen der DC Geschichte wird eingegangen. So werden unter anderem auch die Comicverbrennungen während der McCarthy-Ära eingegangen. Löblich ist dabei, dass nicht verschwiegen wird, dass nicht die Comics oder die Gewaltdarstellung darin das Problem waren, sondern eher, dass die Führungspositionen bei DC meist von - für damalige Zeiten - sehr liberalen Männern besetzt war, die zudem oft Juden waren. Man hat den Comics des Unternehmens also durchaus politische Einflusskraft auf die Leser eingeräumt. Im weiteren wird genauer auf die Entstehung der wichtigsten Figuren wie Batman und Superman eingegangen und auch die erneute Kontroverse durch die erste Horror Reihe Tales from the Crypt, die zwar künstlerisch und inhaltlich das Medium auf eine neue Stufe hieven konnte, andererseits aber die Moralapostel einmal mehr aufgescheucht hat. Woraus die elendige Selbstzensur entstand, die sich Comic-Code nannte und erst vor gar nicht so langer Zeit abgeschafft wurde. Auch die große Depression und die penetrante Kriegshetze sowie Werbung für den Erwerb der Staatsanleihen kommen zur Sprache. Nicht zu vergessen die langen Gerichtsverhandlungen wegen den Plagiatsvorwürfen an Fawcett Comics wegen ihrem Charakter Captain Marvel.
Dies sind unheimlich viele Informationen für so wenige Seiten, die zudem noch stark bebildert sind. Ein paar der Themen hätten daher ohne Frage etwas tiefergehend besprochen werden können. Die Informationsdichte sorgt andererseits aber auch dafür, dass es nie öde wird und man immer konzentriert bei der Sache bleibt, um bloß nichts zu verpassen. Auf den übrigen Seiten werden teilweise etwas wild durcheinander Cover, Archivbilder, Comicauszüge, Werbemittel und alles andere, was ihr euch vorstellen könnt, gezeigt. Es werden die Einflüsse der Künstler aufgezeigt und ein rechtlückenloser Überblick über die Comics des behandelten Zeitraums gewährleistet. Neben den Genres Krimi, Western, Funnies, Superhelden, Science-Fiction, Horror, Romance und so weiter bekommen eine Reihe von bedeutenden Künstlern und deren Werke gesonderte Aufmerksamkeit.
Diese wären:
- Die Superman-Erfinder Jerry Siegel & Joe Shuster
- Batman-Erschaffer Bob Kane
- Der wichtigste Feminist des Unternehmens William Moulton Marston, der mit Wonder Woman nicht nur für die Gleichberechtigung der Frau kämpfte, sondern auch geschickt seine Bondage-Vorlieben in die prüden Comics einfließen ließ
- C.C. Beck, Fawcett Künstler der ersten Stunden und geistiger Vater Captain Marvels
- Joe Simon & Jack Kirby, die es als erste schafften, die noch jungen Superhelden zu revolutionieren
- Das unbestrittene Zeichenwunder Will Eisner
- Der Betreuer der Funnies Sheldon Mayer
- Meister des optischen Gags Jack Cole
- Initiator des MAD Magazines Harvey Kurtzman.
Zu jedem gezeigten Bild gibt es ein paar Infos wie zum Beispiel Jahr, Autor und Zeichner. Es kommen aber eben nicht nur die vielen, vielen Comics vor, sondern auch die Superman Radiohörspiele kommen zur Sprache. Es gibt sogar Auszüge aus den Hörspieldrehbüchern zu sehen, genauso wie Concept Zeichnungen der Superman Fleischer Cartoons und seltene Fotos von den Sets der Batman Serials. Interessant zu sehen, ist wie oft Flash Gordon Einfluss auf die frühen DC Designs hatte. Verblüffend ist auch wie dynamisch und gut gealtert die Cover von zum Beispiel Sheldon Moldoff oder natürlich auch Will Eisner sind. Neben vielen wirklich extrem albernen Zeichnungen - man sehe sich nur die Eröffnungssplashpage aus Superman #48 an, in der Lex Luthor die Sonne stiehlt - ist es schön die ganz besonders tollen Kunstwerke zu sehen. Erst recht in der tollen und oftmals auch restaurierten Qualität, in der man sie sonst nirgendwo sehen kann. Ich habe jedenfalls viel gelernt. Da wären unter anderem die frühen Ashcan Comics, die nicht wie Heute als Promo auf Conventions benutzt wurden, sondern um etwas vorweisen zu können, wenn das Patentamt damit droht, die Rechte an bestimmten Figuren auslaufen zu lassen. Diese Ashcan Editions wurden teilweise nur in einer einstelligen Auflage gedruckt - totaler Wahnsinn.
Und da sind noch… Ach, es gibt noch so viel zu erwähnen und zu sehen. Wenn ihr also Interesse am DC Universum habt und einen umfangreichen und möglichst lückenlosen Überblick über die frühen Tage haben wollt, solltet ihr diesen wunderschönen und lehrreichen Superband unbedingt in eure Sammlung aufnehmen.
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