Crossed #2: Familienbande (Panini)
Der zweite Crossed Sammelband von Panini, enthält die Hefte Crossed: Family Values #1-7.
In North Carolina steht eine kleine, gepflegte Ranch. Auf ihr leben und arbeiten gleich mehrere Generationen des Pratts Familienklans. Unter anderem bestehend aus den beiden Elternteilen und ihren 10 Kindern. Unter ihnen ist auch die 18-jährige reit begeisterte Addy. Im Gegensatz zu den anderen Familienmitgliedern, ist sie scheinbar die einzige die bemerkt, dass einiges nicht stimmt in ihrer Familie. Man kann sagen, dass es für sie nicht das schlimmste ist als die Zivilisation durch die gekreuzigten unter geht. Denn ihr Vater stellt sich als pädophilier heraus, der schon seit Jahren ihre kleinen Schwestern vergewaltig. Doch der Weltuntergang schweißt die Familie erneut zusammen und in der Not, fasst sie sogar erneut vertrauen zu ihrem Vater. Gemeinsam fliehen die überlebenden der Ranch zu einem abgelegenen Ort in der Nähe von Salt Lake City wo sie fernab der alten Zivilisation eine neue Ranch errichten. Lange Zeit sind sie dort sicher, doch langsam zeigt sich erneut wie Addys Vater tickt. Mittlerweile hält er sich für einen Gott gesandten Messias, der nach Gottes Willen gegen die wahnsinnigen Kämpft und seinen heiligen Samen an seine Töchter weitergibt. Nun erst wird Addy klar, dass egal ob mit oder ohne Weltuntergang, ihr Vater war schon vorher ein schrecklicher Mensch und ist immer noch viel schlimmer als es die sadistischen Infizierten jemals sein könnten.
Nach den ersten zehn Ausgaben war Garth Ennis eigentlich fertig mit Crossed. Er hatte erzählt was er erzählen wollte, doch bei Avatar Press verlangteman nach einer Fortsetzung des Erfolgs. Da Ennis selbst keine Idee und/oder Lust hatte, reichte er den Stab vertrauensvoll an David Lapham weiter, der damals gerade mit seinen Kull Comics beschäftigt war. Wer könnte auch besser dazu geeignet sein diesen Wahnsinn weiter zu führen und das Crossed Universum auszudehnen. Lapham setzt an einer anderen Stelle an und zwar bei anderen Leuten an einem anderen Ort. Auf den ersten Seiten etabliert er das Familiengeflecht zeigt wie sie leben und widmet sich dann schon relativ schnell ihrer dunklen Seite. Addy traut sich endlich ihren Vater auf die Vergewaltigungen anzusprechen und versucht ihn aufzuhalten. Dieses Szenario wird jäh durch die Wahnsinnigen gestört, die viele Mitglieder der Familie töten und die Ranch zerstören. Die Eltern und ein paar der Kinder überleben und reiten an einen neuen Ort wo sie eine neue Ranch errichten. Nach kurzer Eingewöhnungszeit geht das treiben dort genauso weiter wie zuvor. Wieder vergewaltigt der Vater seine jüngeren Töchter und außer Addy sehen alle Weg. Doch auch Addy bekommt nicht viel davon mit, da sie nur selten auf der Ranch ist. Meistens ist sie auf Erkundungstouren die sie im Auftrag ihres Vaters erledigt.
Trotz der laufenden Apokalypse kann Addy nicht verdrängen was in ihrer Familie vorgeht. Derweil ist ihr Vater eine Art Sektenführer geworden, der behauptet in Gottes Willen zu handeln. Mittlerweile sind auch einige neue Überlebende zur Ranch hinzugekommen, aber niemand, auch Addys Mutter sagt etwas zu den schrecklichen Dingen, die im Verborgenen geschehen. Doch Addy entscheidet sich zu handeln. Obwohl die Handlung fortlaufend erzählt wird, hat sie schon einen sehr episodenhaften Charakter. Jedes der sieben einzelnen Hefte hat eine relativ abgeschlossene Handlung und erzählt eine komplette Etappe in Addys Überlebenskampf. Interessant ist dabei der Ansatz aufzuzeigen das sich durch die gekreuzigten nicht sonderlich viel geändert hat. Die Menschen waren schon vorher wahnsinnig, brutal, erbarmungslos und sadistisch. Auch Addy spürt in sich immer wieder das Böse. Nach dem Tod ihres Vaters führt sie schließlich die Gruppe an und verspürt immer wieder den Wunsch alle zurückzulassen um selbst leichter überleben zu können. Das Böse ist also in Allen, doch nur wenige können es zurückhalten und sich gut verhalten, was besonders während des Weltuntergangs nicht immer einfach ist.
Der Zweite Teil der Geschichte handelt dann von Addys Mutter, die nach ihrem Vater zur Antagonistin wird. Sie hatte sich geopfert um ihren Mann zu töten, nachdem Addy ihr ins Gewissen geredet hat. Nun gehört sie aber zu den Infizierten und sucht ihre Kinder. Spannend ist dabei zu sehen, wie neben dem normalen Verhalten eines Infizierten, bei ihr immer wieder Muttergefühle durchkommen. Diese zeigen sich zwar meistens durch für Crossed typische Gewaltexzesse, doch unterschwellig scheint sie nur gut machen zu wollen, was sie ihr Leben lang als Mutter falsch gemacht hat. Auch wenn es in ihrem Fall bedeutet ihre Kinder fressen zu wollen.
Jedenfalls versteht Lapham es ohne Frage mit dem Universum umzugehen. Viel geändert hat er nicht. Die Infizierten sind nun ein wenig redseliger, aber ansonsten bleibt er Ennis Muster treu. An dem Grad der Gewalt hat sich ebenfalls nichts geändert. Wer auch nur ein wenig empfindlich ist bei expliziter Gewaltdarstellung, vulgären Dialogen und völlig verrohten Moralvorstellungen, wird angewidert und beleidigt sein vom Inhalt. Wer so etwas aber verkraftet und ein wenig zwischen den Zeilen liest findet eine radikal erzählte Horrorgeschichte, die immer wieder Tabus verwirft und gewollt Grenzen überschreitet. Gleichzeitig fungiert dieser Comic aber auch als durchgedrehte und blutige Parabel auf unsere Gesellschaft.
Fürs Artwork wurde Javier Barreno verpflichtet, der hiermit sein Comicdebüt feiert. Der arme Mann. Ob er wohl wusste was ihn erwartet? Na ja jedenfalls startete er auf diese Weise wenigstens mit einem großen Knall. Nur wenige Künstler starten bei einem großen Label wie Avatar und zeichnen dann gleich in ihrer ersten Reihe so viele abgebissne Pimmel, abgetrennte Gliedmaßen und kopulierende Zombies. Optisch ist das Ganze dann auch relativ nett geworden. Er liefert die gesamte Brandbeite der nötigen härte und überrascht immer wieder mit neuen unfassbaren Dioramen des Schreckens. Es sind besonders die großen Schreckenscollagen die überzeugen können, sowie die Momente in denen der Horror auf intime Weise nahe an den Leser herantritt. Insgesamt betrachtet, sind aber auch einige Seiten dabei die nicht sonderlich spektakulär oder auch toll aussehen. Gerade wenn es darum geht Emotionen durch Mimik und Gestik zu zeigen brauch Barreno noch ein wenig mehr Übung. Ein weiterer Kritikpunkt sind die fehlenden Geräusche. Insgesamt tragen sie zum realistischeren Stil der Reihe bei, auch wenn das eigentlich nicht unbedingt nötig wäre, da die Gewalt eh ziemlich Cartoon mäßig rüberkommt. Zudem werden ein paar der Actionsequenzen durch die fehlenden Geräusch nicht unbedingt leicht zu verfolgen. Zumindest einmal musste ich mir eine Seite öfter anschauen, weil mir nicht klar war ob jetzt geschossen wurde oder nicht. Das größte Problem ist aber das digitale Inking. Auf den Covern hat man es recht gut hinbekommen. Sieht gut aus und so sollte es auch innerhalb des Trades aussehen. Dort werden aber zu oft große Flächen mit einer Farbe eingekleistert oder was noch schlimmer ist, es werden schon fertige Blutmuster und flecken über Menschen und Orte gelegt. Sieht einfach nicht gut aus und wirkt immer wieder irritierend.
Von ein paar kleineren Makeln im Artwork abgesehen, gefällt auch die zweite Crossed Miniserie sehr gut. Noch mal danke an Panini, die sich mutig dazu entschieden haben Crossed auch auf deutsch zu bringen.
7,6 von 10 warme Plätzchen