Jazz Covers (TASCHEN)
In “Jazz Covers” präsentieren Joaquim Paulo und Julius Wiedemann auf insgesamt 560 Seiten in zwei Bänden die besten Jazz LP-Cover von den Vierzigern, bis zu den frühen Neunzigerjahren. Neben den abgebildeten Covern bekommt ihr zur jeder Platte eine Infobox mit dem Namen der Musiker, dem Albumtitel, Entstehungsjahr, Label, Designer und gegebenenfalls dem des Künstlers. Zu vielen Platten gibt es zudem noch Zitate von Künstlern oder Kritikern oder auch nähere Infos zur Entstehung des Artworks. Abgerundet werden die Bände durch Interviews mit bekannten und wichtigen Jazzgrößen Zum Abschluss dürfen noch zwölf hoch angesehene Jazz DJ’s ihre 10 Liebsten Platten aufzählen und ein paar Worte zu ihnen verlieren. Es gibt also viel zu begutachten. Dann mal ran an den Speck!
Als allererstes fällt erneut die tolle Verarbeitung auf. Die beiden Bände kommen in einem sehr stabilen Schuber, der durch sein schlichtes, aber stilvolles Design ein toller Hingucker im Regal ist. Beide Bände kommen als äußerst stabile Hardcoverausgaben mit dicken Seiten und einer tollen Druckqualität. Die Maße betragen dabei 30 x 30 cm. Durch diese Größe können die Cover beinahe in Originalgröße abgebildet werden. Das dies bei Paulos Folgewerk Funk & Soul Covers nicht der Fall war, war damals ja fast mein einziger Kritikpunkt. Hier hat man also alles richtig gemacht. Volume I enthält drei Interviews und die Cover A bis K, während ihr in Volume II erneut drei Interviews und die Cover der Künstler von L bis Z, sowie die 12 Top Ten-Listen der Discjockeys bekommt.
Zuerst wären da also die Interviews. Diese führte Paulo mit dem Art Director des CTI Labels Bob Ciano, Fred Cohen, dem Besitzer des Jazz Record Center Plattenladen in New York, dem Blue Note Records Produzenten Michael Cuscuna, dem Tontechniker Rudy van Gelder, Musikkritiker Ashley Kahn und Creed Taylor, dem Gründer von Impulse! Gemeinsam sprechen sie über die Bedeutung von Jazz, dessen visueller Komponente und generell viel von damals. Dabei fallen die Interviews aber nicht verklärt nostalgisch aus, sondern können durchaus auch dank ihrer Reflektiertheit überzeugen. Creed Taylor zum Beispiel ist ein wahnsinnig spannender Mann, der als Gründer von Impulse! auch sicherlich zu den wichtigsten Menschen hinter den Kulissen des Genres gehört. Auch das jemand von Blue Note Records dabei ist wird ganz besonders die Plattensammler freuen, denn innerhalb des Genres geht nur wenig über Blue Note Records und mit Rudy van Gelder ist zudem noch der wohl bedeutendste Tontechniker der Musikgeschichte mit dabei. Er hat nicht nur seine alten Aufnahmen für die Re-Releases von Blue Note neu gemastert, sondern war damals auch der erste Tontechniker, der auf dem Artwork einer LP vermerkt wurde.
Weiter geht es mit einer unüberschaubar hohen Anzahl an Plattencovern und dazu einer großen Flut an interessanten Informationen und kleinen Anekdoten. Man hat sich aber nicht nur auf amerikanische Releases beschränkt, sondern auch Platten aus aller Welt, wie zum Beispiel “The Australien Jazz Quartet” oder dem deutschen Pianisten Wolfgang Dauner, der übrigens ein ziemlich heftiger Rocker war und gerne mal Live sein Klavier demolierte.
Auch sehr skurrile Platten finden Erwähnung, wie zum Beispiel eine deutsche Aufnahme einer tschechischen Big Band unter der Leitung von Gustav Brom. Interessant anzusehen sind aber auch Miles Davis Vorliebe für die Farbe Gelb, denn nicht nur auf seinen Covern war die Farbe oft dominant, sondern er fuhr auch einen gelben Ferrari. Neben der damals trendigen Playboy-Ästhetik gibt es viele der typischen Band Promofotos, aber auch interessante Collagen. Sehr cool sind ebenso die psychedelischen Cover der Acid Jazz-Künstler sowie des kultigen Free Jazzers Sun Ra. Meine absoluten Highlights sind einmal das sehr sozialkritische Cover von Ornette Colemans “Skies of America”, gezeichnet von Ed Lee und das von Thelonious Monks “Underground”. Letzteres ist ein unglaublich cooles Foto des Pianisten, das sogar von der deutschen Doom Band Totenmond für ein Coveralbum nachgestellt wurde. Auch mit der Auswahl der Cover bin ich also vollkommen zufrieden. Große Künstler wie Miles Davis, John Coltrane sind natürlich vertreten, aber auch kultige Künstler wie Sun Ra oder auch einige unbekanntere Musiker werden erwähnt. Ein toller Rundblick durch das Genre!
Abgerundet wird der zweite Band durch die zwölf Top Ten-Listen der DJ’s aus aller Welt. Ein schönes Ende für ein wunderschönes und zugleich sehr informatives Werk, an dem man lange Freude haben wird. Wer was mit dem Genre anfangen kann oder irgendwie an Coverkunst interessiert ist, kann hier nichts falsch machen.
8,3 von 10 monochrome Fotos