La Bête - Das Biest (1975) [Bildstörung]
Mathurin de l'Esperance (Pierre Benedetti) soll die frischgebackene Millionenerbin Lucy Broadhurst (Lisbeth Hummel) heiraten. Dazu muss er jedoch erstmal blitzgetauft werden. Nachdem sein Vater ihn also erstmal eine Rasur und eine Waschung verpasst hat, kommt schon der Job des Herrn Priesters (Roland Armontel), der die jungen Knaben die ihn begleiten nur zu sehr lieb hat. Die umgehende Taufe durch den Priester freut vor allem den Marquis Pierre de l'Esperance (Guy Tréjan), das Familienoberhaupt eines schändlich verarmten Landadels der sich durchs Einheiraten in die Broadhurst Dynastie ein gesichertes Leben erhofft. Kurz darauf treffen schon Lucy und ihre Tante Virginia (Elisabeth Kaza) im Herrenhaus ein. Nur Großonkel Duc Rammendelo De Balo (Marcel Dalio) ist gegen die anstehende Hochzeit und tut alles um sie zu verhindern. Er ist nämlich der Meinung das ein alter Familienfluch Mathurin schon in der Hochzeitsnacht dahinraffen wird.
Angefangen als Lithograph und Maler designte der polnische Künstler Walerian Borowczyk zu Beginn seiner Karriere noch Poster für Filme. Später erschuf er selbst einige angesehene Animationskurzfilme. In den Sechzigern zog er dann nach Frankreich wo er mehr und mehr Live-Action Filme realisierte, die vor allem wegen seiner expliziten Darstellung erotischer Szenen bei seinen Fans für Aufregung und den Kritikern für Ablehnung sorgte. So konnte dann auch die katholische Filmkritik sein umstrittenstes Werk “La Bête” leider nur von einer Sichtung “abraten”.
Die Bestie, wie der Film bei uns betitelt wurde, bezieht sich inhaltlich auf die Gemälde “Szał uniesień” des polnischen Künstlers Władysław Podkowiński und “Escargot de Vénus”, Freuds berühmten Fall “Der Wolfsmann” und natürlich schlummert in der Bestie auch noch viel der archaischen Sage um “Die Schöne und das Biest” lange vor der verdisneyisierung des Märchens. Erstmals erschien ein Teil des Films, nämlich die berühmte Traumsequenz ein Jahr zuvor in der, ebenfalls von Walerian Borowczyk erschaffenen, 1974 erschienen Erotikanthologie “Unmoralische Geschichten”. Da die sehr expliziten Szenen in “Die wahre Geschichte der Bestie von Gevaudan”, mit einem ununterbrochen ejakulierenden Werwolf, der Zensur dann doch etwas zu viel war, verschwand dieses 15-minütige Kapitel dann recht schnell aus der Kinoauswertung der unmoralischen Geschichten. Damit sein Biest dennoch die Aufmerksamkeit bekommen sollte, die es sich verdient hatte, wurde es Kurzerhand die Klimax, durchaus im doppeldeutigen Sinne, ihres eigenen Films.
Auch in dieser Form erschien die Geschichte erst 1981 bei uns in den Kinos, natürlich geschnitten und trotzdem landete die Schnittgleiche VHS Fassung 1984 auf dem Index und das trotz der damals Salonfähigkeit von Schmuddelstoffen und großen Welterfolgen von Streifen wie “Emmanuelle” und “Deep Throat”. Vermutlich war die Welt noch nicht bereit für einen Mann in einem haarigen, wild um sich herum ejakulierenden Wolfskostüm. Das war sie dann leider auch viele Jahre später noch nicht, bis zum Anfang eines neuen Millenniums. Fernsehsender Arte klärte auf, dass “Das Biest” Kunst ist und konnte ihn somit sogar im Free-TV in glorioser voller Länge präsentieren, also den Film sowie den ausfahrbaren Wolfschniepi. Darauf folgte dann später eine wunderschöne DVD und nun auch Blu-ray Auswertung durch die feschen Filmfanatiker von Bildstörung.
Oberflächlich betrachtet handelt es sich über lange Zeit um eine recht schmucklose und teils klamaukige Sozialsatire. Der arme Landadel, natürlich nur bestehend aus alten oder unfähigen Männern, holt sich eine junge Dame ins Haus um an ein dickes Erbe zu kommen. Recht platt bekommen wir so eine leicht feministische, antimonarchische und durchaus auch religionskritische Komödie der sehr verschrobenen Art geboten. Der Pfarrer wird nämlich schnellstens einberufen um den baldigen Ehemann noch im letzten Moment von seiner heidnischen Lebensweise zu entheben. Als wäre es nicht schon lächerlich genug, wird nur zu offensichtlich auf seine Neigung zur Schändung seiner Schutzbefohlenen hingewiesen. Dann noch zu zeigen, dass er die Taufe nur für eine neue, prächtigere Kirchenglocke vollzieht ist ein letzter, unnötiger, aber gerngesehener Seitenhieb.
Soweit jedoch nichts allzu spektakuläres, vor allem aber total spannungslos. Borowczyk scheint stellenweise gar keine Lust zu haben eine Geschichte zu erzählen. So plätschert vieles dahin und nur die Erotik reizt ein wenig. Verblüffend ist dabei jedoch, dass der Film zu keiner Sekunde langweilt. Irgendwie konnte er mein Interesse trotzdem bis zum Ende aufrecht erhalten und am Ende kommt es dann ja eh nochmals ganz dicke. Über den Inhalt des letzten Aktes möchte ich nicht viel mehr verraten als eh schon alle wissen. Es gibt eine sehr lange Vergewaltigungsszene mit einer Wolfsbestie, viele sehen darin eine eklige Männerfantasie. Doch diesmal geht es nicht darum, die Szene ist nicht so zu verstehen, wie sie zu sehen ist, sondern als Symbolik. Das Monster ist die Verklemmtheit, das sexuelle Tabu und dagegen und für ihre sexuelle Erwachung kämpfen hier Clarisse De l'Esperance (Pascale Rivault) sowie Lucy. Am Ende nehmen sie somit dem Patriarchat einiges an Macht über sie und befreien so nicht nur ihre Sexualität, sondern auch sich selbst. Schaut man dabei noch genauer hin, ist die Symbolik den gesamten Film über sehr ständig greifbar und präsent. Tiefsinn und Pornographie treffen auf Trash und Arthouse. Klasse.
Neben dem starken Ende, dem mehrschichtigen Inhalt und Witz, sowie Erotik ist auch noch die Kameraarbeit sehr positiv hervorzuheben. Der französische Wald wird malerisch in Szene gesetzt, das alte Herrenhaus ist sehr verstaubt und lässt eine ganz eigene merkwürdig antiquierte, dennoch moderne Atmosphäre entstehen. Die Szenen mit den Pferden wurden übrigens auch noch weitere Male eingesetzt und zwar im Historienporno “Caligula und Messalina” und in Erwin C. Dietrichs Sexkomödie “Julchen und Jettchen, die verliebten Apothekerstöchter”. Auch die musikalische Untermalung ist bestens gewählt und wird noch lange in den Ohren nachhallen. Die Darstellerischen Leistungen, vielleicht mal abgsehen von Pascale Rivault, die einiges durchmacht, sind nichts weltbewegendes und oftmals sehr stark overacvted, wodurch der Film mitunter einen sehr theatralisch, melodramatisch kitschigen Eindruck macht.
Für Freundinnen und Freunde des besonderen Film sicherlich eine Anschaffung wert. Weitab von Sehgewohnheiten unterhält die Bestie auf ihre ganz eigene Art und ist mit nur wenigen anderen Titeln vergleichbar. Die Blu-ray von Bildstörung ist dann auch gleich die beste Art, wie ihr euch das Teil ins Haus holen könnt. Gute Bildqualität, die zwar etwas besser sein könnte und eine Tonspur die zwar nur Monoton wiedergibt, dafür aber sehr sauber klingt. In der limitierten Version zudem auch noch vollgepackt mit tollen Extras.