Frankreich Privat: Sex-Casting mit Jean-François (2014) [Neue Pierrot Le Fou]
Der französische Filmemacher Jean-François Davy hat in den Siebzigern und Achtzigern einige Dokumentationen mit schlüpfrigen, teils aufklärenden Charakter gedreht. Auch ein paar ganz normale Kinofilme stammen von ihm. Mitte der Achtziger verschwand er dann jedoch von der Bildfläche und filmt erst seit ein paar Jahren wieder aktiv. Seine neueste Dokumentation “Sex-Casting mit Jean-François”, (Originaltitel “Transgression”) ist eine Art Filmtagebuch, dass ihm beim Pornocasting zeigt. Dabei schwafelt er dann was über Kunst und Tabus.
Anbeglich schockiert dieser Film mit seiner deutlichen Bildsprache. Auch ist die Rede davon, Davy würde Grenzen des Films überschreiten. Ganz mutig alles. Jaja. Philosophische Gedanken über Verlangen und Lust sollen ausgetauscht werden. Wie gesagt alles total mutig.
Meine Meinung fällt dann doch etwas anders aus. Erstmal stellt sich die Frage, wie hier wirklich die Möglichkeiten des Mediums ausgelotet werden. Alles was gezeigt wird sind Leute beim Ficken. Man sieht jedoch nichts außer Brüste, alles andere wird geblurred falls es mal ins Bild kommen wollte. Da würden mir jetzt aus dem Stehgreif zig große Kinoproduktionen einfallen, die Sex sehr viel krasser inszeniert haben und wirklich alles gezeigt haben. Dokumentationen genauso. Überhaupt stellt sich dabei die Frage wie mutig es ist einen Film Hardcore zu drehen und dann Softcore zu vertreiben. Explizit gezeigter Sex ist einen Knopfdruck entfernt, dafür braucht niemand diese Doku.
Jedoch ist auch das gezeigte nichts künstlerisch Anspruchsvolles, intimes, emotionales oder sonst was. Wir sehen einen alten, grobschlächtigen, teilweise herablassenden und arroganten Filmemacher, der sehr undynamisch einen Haufen Frauen abgreift. Und abgreifen ist durchaus das richtige Wort, denn alles an diesem Film wirkt so, als wolle der alte Sack noch einmal umsonst an möglichst viele Frauen kommen. Wenn er die Damen eh bezahlt, dann kann er es ja auch einfach filmen, später aus dem Off pseudoliberalen und angeblich feministischen Quatsch reden und das dann als Kunst auf DVD pressen. Zu den Sachen aus dem Off kommen wir noch, erstmals aber noch mal zur Optik.
Zu sehen ist kaltes, gefühlloses Geficke. Mechanisch, langweilig, unerotisch. Es passiert immer an kahlen Räumen und da der Akt ja nicht gezeigt wird, müssen wir dabei meist in Davys emotionsloses “alter geiler Sack” Gesicht schauen. Kunst ist das dann irgendwie schon. Mühe hat sich dabei aber keiner gemacht und gut finden muss ich es auch nicht. Viel schlimmer ist aber wie alles mit der Handkamera verwackelt “authentisch” gefilmt wurde und dann noch so unglaublich amateurhaft Szenen mit etwas Transparenz übereinander gelegt wurden. Wirkt dann ein wenig wie die Kabel 1 Softpornos aus den Achtzigern, gepaart mit dem Schulprojekt einen jungen Menschen, der zwar nur rudimentäre Filmbearbeitungskenntnisse besitzt, aber schon weiß, irgendwann mal “irgendwas mit Medien” machen zu wollen. Kreativ geht anders, gut auch, tiefsinnig ebenso und naja… ist halt nicht gut.
Auch wenn ich darauf verzichten könnte einem sehr unattraktiven Mann (ich finde mich selbst nicht viel weniger hässlich, was aber vermutlich ein Grund ist warum ich mich nicht nackt vor der Kamera zeige) 90 Minuten lang beim Sex zuzusehen, so finde ich es noch schlimmer ihm dabei zuzuhören wie er Bullshit aus dem Hintergrund verbreitet. Er spricht dabei einige Male über die Selbstbestimmung der Frauen. Es sei progressiv was er tut, denn schließlich nehmen die Frauen ihr Schicksal so selbst in die Hand. Ansonsten bekämen sie eh nur einen Bürojob bei dem der Chef mit ihnen schliefen wollten. Dann doch lieber gleich zum Porno und sich fürs Ficken ordentlich bezahlen lassen. Da hat er natürlich recht, hat viel mit Selbstbestimmung zu tun, wenn man aufgrund des angeborenen, gesellschaftlich definierten Geschlecht, keine andere Möglichkeit sieht als Pornos zu drehen. Ich sehe es durchaus so, dass Menschen sich sogar durch die Arbeit an Pornos emanzipieren können oder einfach ihre Freude an dem Job haben können. Für viele handelt es sich dabei aber um einen prekären Job wie ihn die meisten Menschen haben, nur eben in einem außergewöhnlichen Milieu. Für genauso viele handelt es sich aber um eine Arbeit, die sie körperlich und seelisch auffrisst und zu dem sie durch unglückliche persönliche oder gesellschaftliche Umstände gezwungen sind. Vor allem da der werte Herr ja selbst extra nach Osteuropa reist, da die “Darstellerinnen” dort billiger sind, kann er nicht sagen, dass er nicht versteht das gerade dort extrem viel Zwang zur Arbeit dazu gehört. Widerlicher Typ. Überhaut, wenn es ihm wirklich um die Rolle der Frau im Pornogeschäfft gehen würde, dann hätte er selbst vielleicht besser mal die Klappe gehalten und die Frauen selbst reden lassen sollen. Stattdessen hält er ihnen nur den Pimmel vor die Nase und hält ihre Köpfe fest.
Und dann wird das Gebumse auch noch andauernd mit Musik untermalt, wie man sie von Liebesszenen in der Sesamstraße oder einer Kindermärchensendung erwarten würde. Horror! Wie toll er sich dabei auch noch immer fühlt. Selbstverliebt und so zufrieden mit seinem weltbewegenden Werk.
Bild und Ton der DVD sind gut, die deutsche Synchro ist dafür aber unterirdisch und abgsehen von einigen Trailern gibt s auch kein Bonusmaterial.