Luchadoras (Avant Verlag)
Alma lebt mit ihrer kleinen Tochter, ihrer Schwester und ihrem Ehemann Romel in einem kleinen Häuschen in der nordmexikanischen Millionenstadt Ciudad Juárez. Romel ist Mitglied einer kleinkriminellen lokalen Gang, den “Los Rebeldes” und schreckt auch nicht innerhalb der Familie vor Gewalt zurück. So kommt es das Alma immer wieder mit dem einen oder anderen blauen Auge auf der Arbeit in einer örtlichen Bar erscheint. Doch im Gegensatz zu vielen ihrer Leidensgenossinnen, möchte sie für eine besseres Leben für sich selbst, aber auch ihre Tochter kämpfen. So holt sie sich Hilfe vom Sozialendienst, aber so richtig hilft ihr eigentlich erst der junge Tourist Jean, mit dem sie eine Affäre beginnt. Wenn die beiden erwischt werden, wäre das sicherlich ihr Tod, doch wenn Alma ein wenig Glück hat, könnte Jean ihr Weg aus ihrem Gewaltvollen Leben sein.
In ihrem Deutschlanddebüt macht die französische Comicautorin und Illustratorin Peggy Adam auf den anhaltenden Femizid in Mexiko aufmerksam und erzählt dazu eine Geschichte die auf fiktive Einzelschicksale eingeht, die aber allesamt an wahre Begebenheiten angelegt sind, die sich so oder so ähnlich täglich in dem Ort abspielen. Als Außenstehender weiß man so gut wie nichts über die große Stadt Ciudad Juárez. Zweifelhaften Ruhm erlangte die Metropole in Norden des Landes lediglich durch ihr hohes aufkommen von schrecklichen Verbrechen. Gangs und die mit ihnen verbundenen Drogenkriege vereinnahmen vollkommen die Außenwirkung. Nur wenige Orte der Welt sind so gefährlich und täglich werden durchschnittlich sieben Menschen dort getötet. Dabei wurden alleine in den letzten 14 Jahren mehr als 400 Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 25 Jahren ermordet worden. Eine Vielzahl von ihnen wurde vorher vergewaltig, gequält und verstümmelt. Den oder die Täter bleiben meistens unerkannt und unbestraft.
Bei solch einer unfassbaren dichte solcher Verbrechen ist es leicht, nach dem ersten Schock wenn man davon erfährt sehr bald abzustumpfen. Letztlich handelt es sich eben doch nur um gesichtslose Zahlen in einer anonymen Statistik. Da sind gerade solche Geschichten wie die hier von Alma und ihren Bekannten wichtig um dem Schrecken ein Gesicht zu geben. Genau das schafft Peggy hier ziemlich gut und zwar ohne Alma als armes Opfer darzustellen, das sich wegen ihres Geschlechts nicht wehren kann. Genauso wenig wird sie aber als wirklich kämpferische Frau dargestellt. Mit anderen Worten sie wirkt ziemlich echt. Nicht perfekt, aber doch versucht sie ihr bestes aus der Situation herauszukommen, macht dabei nicht immer alles richtig, bleibt aber immer Tapfer. Auch Jean, der Tourist, ist bei Weitem nicht der Ritter in schillernder Rüstung, der sie aus allem rausboxt. Am Ende sogar ganz im Gegenteil, viel mehr nutzt sie ihn zuerst als Vorwand um von ihrem Alltag zu fliehen.
Die Charaktere sind dabei allesamt rund und wirken glaubhaft, wie echte Personen. Auf den 92 Seiten kommt es immer wieder zu tragischen Ereignissen, die allerdings nie zelebriert werden. Die Autorin wirft ihren Figuren, wie auch ihren Lesern die schlimmen Taten hin und fordert beide dazu auf damit klar zu kommen, denn genauso wie für die Bewohner der Stadt, wird der Tod für den Leser zum ständigen Begleiter. Viel der Tragik hat auch damit zu tun wie normal all diese Morde nach einiger Zeit werden. Es scheint einfach zum Alltag dazu zu gehören geliebte Menschen zu verlieren.
Optisch befinden wir uns in dem gewohnten Bereich, den jeder kennt, der schon ein paar Graphic Novels gelesen hat, denen eine Comicreportage zu Grunde liegt. Irgendwie bedienen sich alle Autoren dieser Art des selben nicht unbedingt ausgereiften, einfachen Zeichenstils. Wenn ihr wissen wollt wie es aussieht schaut euch das Cover an, genau das bekommt ihr, nur eben in schwarzweiß. Während die Zeichnungen also eher einfach und reduziert erscheinen, ist es durchaus teilweise sehr interessant wie Peggy Adam den Blick der Leser durch die Seiten leitet. Ihre Ideen sind nie Plakativ und werden vielleicht nicht vielen ausfallen, aber die Panel sind teilweise doch ziemlich intelligent, wenn auch nicht spektakulär angeordnet. Fügt sich gut in ihre Erzählart ein. Auch das sie oftmals nur mit wenigen Worten auskommt und der langsame, karge und melancholische Stil wird sehr gut eingefangen. Eine sehr machtlose Stimmung schwingt ständig mit und lässt den Comic auch im nachhinein noch nachwirken. Wer sich also für den alltäglichen Kampf der jungen mexikanischen Frauen interessiert, sollte den “Luchadoras” eine Chance geben.
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