Singapore Sling (1990) [Bildstörung]
Der erfolglose Privatdetektiv Singapore Sling (Panos Thanassoulis), jagd einem Namen hinterher. Dieser lautet Laura, der Name seiner ehemaligen Liebe die angeblich ermordet wurde und verschwunden ist. Seine Ermittlungen bringen ihm aber seine Freundin nicht zurück, sondern nur eine Schusswunde in der Schulter ein. Mit dieser schweren Verletzung landet er vor einer großen ländlich gelegenen Villa. Im Vorgarten sind gerade zwei fahrlässig bekleidete Damen dabei eine Frau zu begraben die sie zuvor ermordet haben. Dabei handelt es sich dann wohl um die gesuchte Laura. Jedenfalls behauptet die Tochter (Meredyth Herold) genau das. Seitdem ihr Vater, der wie sie stolz behauptet sie in frühen Jahren missbraucht hat, verstorben ist, lebt sie mit ihrer Mutter (Michele Valley) allein in dem Haus. Die Tochter erzählt auch von den perversen Rollenspielen die sie gerne mit ihrer Mutter spielt. Sie nehmen den Mann bei sich auf und benutzen ihn als ihr Sexspielzeug. Alles läuft darauf hinaus, dass auch er sterben muss, doch vorher wird er noch unter Strom gesetzt, vollgekotzt und angepisst.
Na, das war doch mal ein erfrischend andersartiger Film. Dieser griechische Midnight Movie von Nikos Nikolaidis ist mein erster Kontakt mit dem Regisseur und schon bin ich ein wenig verliebt in den, leider schon 2007 im Alter von 67 Jahren, verstorbenen Künstler. Wenn uns Nikos aber etwas beibringt ist es, dass man auch Tote lieben kann, daher passt das schon. Das Schaffen des Künstlers ist irgendwo zwischen Arthouse und Exploitation angesiedelt und trifft meinen Nerv damit ziemlich genau auf den Kopf. Nikolaidis hat ganz offensichtlich etwas zu sagen, doch seine Botschaft ist irgendwo versteckt und ist dabei nie platt oder offensichtlich. Genauso scheint er Tabubrüche zu lieben. Aber es scheint eben nur so, denn diese Tabubrüche sind ehrlich und nicht forciert. Jede Szene ist so, weil der Künstler es so möchte und nicht um zu schocken, damit er noch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt. Innerhalb seiner Karriere hat er es zu acht Kinofilmen, einem TV-Film und zwei Shorts gebracht. Hinzu kommen noch ein paar Romane die aus Drehbüchern entstanden sind, die zu aufwendig waren um sie mit seinen beschränkten finanziellen Mitteln umzusetzen.
Auch hier war es nicht anders viel Geld war nicht vorhanden, auch keine großen Darsteller, aber er nahm sich Zeit mit den Akteuren lange zu üben. Es gibt derer ja auch nur drei und als Drehort reichte ihm ein Haus aus. Gerade für Meredyth Herold war es sicherlich keine leichte Zeit, denn erstens wird schnell klar, dass der Herr Regisseur ein ziemlicher Tyrann sein kann wenn er seinen Willen nicht bekommt und zum anderen ist es sicherlich nicht der Traum einer jungen Schauspielerin gleich im ersten Film als die Dame bekannt zu werden, die es sich selbst mit einer Kiwi macht. Insgesamt ist die Kiwi Masturbation doch noch eines der eher harmlosen Ereignisse des Films. Wer also keine große Toleranz hat wenn Sex, Gewalt, schwarzer Humor, Körperausscheidungen aller Art und Fetische aller Formen zusammenkommen, wird mit diesem Film nicht alt werden.
Die Grundstimmung erinnert oftmals an “Eraserhead“, gepaart mit Ekelkram aus den “120 Tagen von Sodom”. Jetzt muss man sich nur noch einen bittersüßen Humor hinzudenken und das Ganze in eine Filmnoir Verkleidung stecken. Manchmal erinnerte mich der Humor ein ganz klein wenig an “Dellamorte Dellamore”, im Grunde sind Vergleiche in diesem Fall aber mühselig und eher erzwungen. Klingt wirr und so sieht es auch aus und so fühlt es sich auch an. Ich werde den Film in den nächsten Jahren sicherlich noch öfter sehen und mich näher damit auseinandersetzen. Bisher habe ich mich noch nicht viel weiter damit beschäftigt und auch mit dem Schaffen des Regisseurs nicht. Ist vielleicht auch gut so, denn so kann noch nicht so viel zerredet werden. Irgendwann versteht man auch so ein sperriges Kunstwerk vollkommen und kann es ganz anders wahrnehmen, aber dieses ganz besondere Gefühl, wenn man einen Film wie diesen hier zum ersten mal sieht erlebt man nur selten.
Es heißt Nikolaidis habe täglich drei Filme geschaut. Auch ich komme durchschnittlich auf die selbe Anzahl. Da hat man einiges gesehen und ist nur selten beeindruckt. Hier war es dann mal wieder so weit und wie bei fast jedem der Bildstörung Drop Outs wird auch dieses Werk einen Ehrenplatz in der Sammlung finden und mich lange Begleiten. Ein großartiger Film, auch wenn ich jetzt erst beginnen werde ihn zu verstehen.
Wo wir gerade bei der exquisiten Auswahl des Labels sind: Die nächsten drei Veröffentlichungen werden nämlich die Frühwerke von Alejandro Jodorowsky (Der Incal) sein. Also “Fando y Lis”, “El Topo” und “Der heilige Berg”. Dazu muss gesagt werden, dass ich ein großer Fan von Jodorowskys Comics und Filmen bin. Es geht sogar so weit, dass es ohne ihn diesen Blog vermutlich gar nicht geben würde. Jedenfalls hätte er sonst einen anderen Namen, denn den Spitznamen El Tofu trage ich erst seitdem ich den Film El Topo einige male hintereinander am selben Abend in einer ranzigen Kneipe gesehen habe. Wer also beschwerden hat, der chilenische Künstler trägt die Schuld an allem. Auf der Bonusdisc ist auch schon ein ausschweifender Trailer zu den drei Filmen enthalten. Ebenfalls enthalten sind Trailer zu den anderen Bildstörung Filmen “Gandu”, “Das 10. Opfer”, “Henry” und “Blut an den Lippen”. Mit “Directing Hell” enthält die Bonus DVD sogar eine Abendfüllende Dokumentation über Nikos Nikolaidis, hinzu kommt noch ein ausgiebiges Interview und ein paar seiner unzähligen Werbespots, die er drehte um über die Runden zu kommen. Faszinierend ist dabei, dass sein verstörender Stil selbst in Werbefilmchen irgendwie mitschwingt und auch seine sexuelle Energie wird nicht versteckt. Directing Hell ist qualitativ in fabelhafter Qualität zu sehen und auch am Hauptfilm gibt es nichts zu meckern. Der englische und griechische Ton wurde untertitelt, eine deutsche Synchro gibt es aber nicht. Zu aller letzt ist auch dieses mal ein Booklet mit dabei, das mit einigen interessanten Infos aufwarten kann. Wie immer ist die DVD wunderschön verpackt und kommt in einem Schuber, der ein abnehmbares Außenblatt hat, mitsamt dem dann der FSK Flatschen entfernt werden kann.
8,8 von 10 einschneidende orale Erlebnisse